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LICHTENFELS: Massenentlassungen bei Colibrium Additive Lichtenfels

LICHTENFELS

Massenentlassungen bei Colibrium Additive Lichtenfels

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    Das Logo von GE prangt am Firmengebäude von Colibrium Additive.
    Das Logo von GE prangt am Firmengebäude von Colibrium Additive. Foto: Markus Drossel

    Ausgerechnet Freitag, der Dreizehnte: Es ist Betriebsversammlung bei Colibrium Additive, vormals GE Additive. Alexander Schmitz, Chief Executive Officer (CEO) von Colibrium Additive, ist eigens dafür aus München angereist. Was er verkünden wird, ist ein Paukenschlag: Es wird Massenentlassungen geben.

    Am 3D-Campus von Colibrium Additive.
    Am 3D-Campus von Colibrium Additive. Foto: M. Drossel

    Mindestens 40 Prozent, durchaus aber bis zu 48 Prozent der Belegschaft würden ihren Job verlieren, lautet die Botschaft von Geschäftsführer Schmitz. Konzernweit, so heißt es aus gut informierten Kreisen, also generell bei GE Aerospace, zu der Colibrium Additive gehört.

    Mindestens 160 Entlassungen

    Bei geschätzt gut 400 Mitarbeitenden bei Colibrium Additive Lichtenfels (die Unternehmensleitung gibt diesbezüglich keine Auskunft) würde das bedeuten: Mindestens 160 Männer und Frauen verlieren im ersten Quartal 2025 ihren Job. Es könnten aber laut Informationen dieser Redaktion auch bis zu 192 werden.

    Die Lichter bei Colibrium Additive stehen auf Rot.
    Die Lichter bei Colibrium Additive stehen auf Rot. Foto: Drossel

    Alexander Schmitz zur Seite stehen bei der Betriebsversammlung Daniel Freudenberg, der Chief Financial Officer (Finanzvorstand) von Colibrium Additive, und Jan Siebert, Head of Supply Chain. Auch Betriebsratsvorsitzender Volker Dumsky ist dabei. Die schlechte Auftragslage wird als Begründung für die Massenentlassungen angeführt: Dieser Tage arbeite man mit Hochdruck daran, noch viele Maschinen fertigzustellen und auszuliefern, dann aber werde es ein riesiges Loch in den Auftragsbüchern geben. Fassungslosigkeit macht sich unter den Zuhörenden breit.

    Auftragsflaute als Begründung

    Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben viele Fragen, doch die Geschäftsführung mag nach Informationen dieser Redaktion kaum welche beantworten. Der Zeitraum der geplanten Entlassungen ist klar: Ab Januar bis Mitte Februar soll dies passieren. Doch wen wird es treffen? Es gibt keine zielführenden Antworten an diesem Freitag, den Dreizehnten.

    Am 3D-Campus von Colibrium Additive in Lichtenfels.
    Am 3D-Campus von Colibrium Additive in Lichtenfels. Foto: Markus Drossel

    Die Stimmung sinkt ins Bodenlose. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen sofort gehen, andere überlegen zu streiken. Vertreter von Gewerkschaften sind zu dieser Betriebsversammlung nicht erschienen. Zumindest die Gewerkschaften, die sich unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbunds organisieren, sind nicht eingeladen. Schon gar nicht die IG Metall. Aber auch die Christliche Gewerkschaft Metall, deren Tarifvertrag im Betrieb wohl (teilweise) Anwendung findet, ist nicht willkommen.

    Ausweichende Antworten

    Diese Redaktion konfrontierte einen Unternehmenssprecher mit den Schilderungen aus der Betriebsversammlung. Dementi gibt es nicht, aber auch keine Antworten auf konkrete Fragen zur aktuellen Zahl an Mitarbeitenden, zur Zahl der Entlassungen, zu möglichen Sozialverträglichkeitskriterien.

    Auch wenn das Unternehmen seit Monaten diesen Namen nicht mehr trägt: Die Firmentafeln wurden nie getauscht.
    Auch wenn das Unternehmen seit Monaten diesen Namen nicht mehr trägt: Die Firmentafeln wurden nie getauscht. Foto: M. Drossel

    „Am 6. November hat Colibrium Additive dem Europäischen Betriebsrat von GE Aerospace Änderungsvorschläge vorgelegt“, antwortet der Unternehmenssprecher auf die Anfrage. „Unter Berücksichtigung der derzeitigen Bedingungen in der additiven Industrie schlagen wir Maßnahmen vor, um unser Geschäft effizienter zu gestalten, sodass wir bestmöglich auf die Anforderungen unserer Mitarbeiter und Kunden eingehen können.“

    Weiter sagt er: „Wir schätzen das Engagement aller unserer Mitarbeiter in dieser Zeit und bedauern, diese Maßnahme ergreifen zu müssen.“ Ein energischer Widerspruch auf die Nachfrage, ob Entlassungen drohten, sieht anders aus. Weitere Details nennt der Unternehmenssprecher nicht. Die Frage nach der konkreten Zahl an Entlassungen lässt er unbeantwortet. Der Deutsche Gewerkschaftsbund aber weiß aus Arbeitnehmerkreisen, dass „stapelweise Entlassungsbriefe auf dem Schreibtisch eines Verantwortlichen“ gelegen hätten.

    Bei einer Betriebsversammlung haben die Verantwortlichen von Colibrium Additive Massenentlassungen angekündigt.
    Bei einer Betriebsversammlung haben die Verantwortlichen von Colibrium Additive Massenentlassungen angekündigt. Foto: M. Drossel

    Der Sprecher von Colibrium Additive bleibt auch im Folgenden eher vage in seinen Aussagen: „Änderungen, die sich auf das Geschäft auswirken könnten, werden stets nach angemessener Rücksprache mit unseren Mitarbeitern sowie mit unserem Betriebsrat vorgenommen.“

    Erst vor wenigen Wochen hatte Colibrium Additive in der Region für Aufregung gesorgt, da via Leib Immobilien Teilflächen von Verwaltung und Produktion des Unternehmens zur Miete angeboten wurden (diese Redaktion berichtete). Auch wenn der Unternehmenssprecher es damals dementierte, so wurde von Arbeitnehmervertretungen schon zu diesem Zeitpunkt über eine mutmaßliche Schieflage von Colibrium Additive gesprochen. Heinz Gärtner, der DGB-Kreisvorsitzende, war damals schon in höchster Sorge: Das, was er aus gut informierten Kreisen höre, lasse ihn aufhorchen und nichts Gutes vermuten.

    BR-Vorsitzenden kontaktiert

    Diese Redaktion kontaktierte Volker Dumsky, den Betriebsratsvorsitzenden bei Colibrium Additive. Sie stellte Fragen zur Arbeitnehmersicht, bat um eine Einschätzung zur aktuellen Lage, wollte wissen, inwieweit der Betriebsrat in die Abwicklung der Entscheidungen eingebunden worden war und ob es zumindest einen adäquaten Sozialplan oder womöglich eine Transfergesellschaft geben würde.

    Am 3D-Campus von Colibrium Additive in Lichtenfels.
    Am 3D-Campus von Colibrium Additive in Lichtenfels. Foto: Markus Drossel

    Statt Dumsky meldete sich jedoch am Folgetag erneut der Unternehmenssprecher: Der Betriebsratsvorsitzende habe die Anfrage weitergeleitet an die Unternehmensführung. Das sorgt für Befremden in dieser Redaktion: Statt einer unabhängigen Meinung der Arbeitnehmervertretung gibt es den Hinweis, dass das Unternehmen sich ja schon geäußert habe. Der Betriebsrat duckt sich weg.

    Der Mantel des Schweigens

    DGB-Kreisvorsitzender Heinz Gärtner ist im ersten Moment baff, sieht aber dann seine Beobachtungen bestätigt. „Bei Colibrium Additive traut sich keiner mehr, etwas zu sagen“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. „Leider machen alle dicht.“ Nichts desto trotz habe er Volker Dumsky die Hand gereicht und Unterstützung angeboten – vom Deutschen Gewerkschaftsbund, aber auch aus Reihen der deutschlandweit mitgliederstarken und damit mächtigen IG Metall, die allerdings bei Colibrium Additive nur wenige Mitglieder hat. Allein, eine Antwort Dumskys blieb bislang aus.

    Diese Redaktion kontaktierte auch die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), deren Tarifvertrag wohl bei Colibrium Additive Anwendung findet. Bundesvorsitzender Sebastian Scheder reagiert überrascht: „Wir haben mit dem Unternehmen noch nie etwas zu tun gehabt“, sagt er im Gespräch. „Wir haben dort auch keine Betriebsräte oder gar eine Betriebsgruppe, allenfalls Einzelmitglieder.“ Nicht auf Gewerkschaften zuzugehen, scheine Firmenphilosophie zu sein: „Ich könnte mir gut vorstellen, dass es sich hier um einen Betriebsrat von Firmenleitungsgnaden handelt“, sagt er spitz. „Hauptsache, man hat jemanden, dem man die entsprechende Plakette umhängen kann.“ Das sieht DGB-Kreisvorsitzender Heinz Gärtner ähnlich: „Der Betriebsrat ist absolut unternehmenstreu.“

    CGM-Bundesvorsitzender Sebastian Scheder: „Mit Tarifverhandlungen ist bislang keiner auf uns zugekommen, geschweige denn mit einem Haustarifvertrag.“ Er gehe von „Rosinenpickerei“ aus: Nur das, was dem Unternehmen passe, werde angewandt. Colibrium Additive sei weder im Arbeitgeber-Fachverband Metall noch in Elektro.

    Tief in den roten Zahlen

    Auf der Plattform NorthData (die Hamburger Firma analysiert Pflichtveröffentlichungen europäischer Firmen) lassen sich die Jahresabschlüsse des Unternehmens nach Handelsgesetzbuch (HGB) nachlesen. Der Jahresfehlbetrag betrug demnach in der Rudolf-Diesel-Straße 14 im Jahr 2022 satte 26 Millionen Euro. Im Jahr 2023 waren es 52,9 Millionen Euro. Und das, obwohl der Umsatz wieder gestiegen ist: Im Jahr 2021 waren es 53,6 Millionen Euro, im Jahr 2022 52,6 Millionen und im Jahr 2023 80,6 Millionen Euro. Das entsprach schon fast wieder dem Vor-Corona-Niveau (2019: 89,7 Millionen Euro).

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