„Mit atemberaubender Geschwindigkeit“ (so Zeitzeugen zur ersten erfolgreichen Zugfahrt) zwischen Nürnberg und Fürth wurden 1835 die Weichen für die Erschließung des Landes per Königlich Bayerischen Staatseisenbahn auf dem Schienenstrang in die richtige Richtung gestellt. Für zukunftsweisende Fakten, die das dampfende Zugpferd vor inzwischen 190 Jahren unbestreitbar ins Land brachte.
Für heutige planerisch und bürokratisch aufgeblähte Hindernisse mit politischen Querelen undenkbarer Eile wurden die 1841 begonnen Planungen für die „König-Ludwig-Süd-Nordbahn“ in die Tat umgesetzt. Quer durch das Königreich von der Bodenseeregion Lindau im Süden bis an die nördliche Staatsgrenze bei Hof („in Bayern ganz oben“).
1846 schon nach Lichtenfels
Damit kam auch die Region am Obermain - und damit Lichtenfels - in den Genuss des umwälzenden Fortschritts. Konnte frühzeitig an Fortschritt und Entwicklung im Übergang zum Industriezeitalter partizipieren.
Von der Domstadt Bamberg (240 Höhenmeter) kommend erreichte der Streckenabschnitt durchs Maintal am 15. August 1846 sprichwörtlich die Tore der Stadt Lichtenfels (263 Meter). Mit Fortsetzung in nördliche Richtung im Oktober des gleichen Jahres bis Neuenmarkt (heute Neuenmarkt-Wirsberg) und nach Überwindung der Steilrampe „Schiefe Ebene“ ab November 1846 nach 146 Steckenkilometern den Endpunkt Hof an der Saale (495 Meter).
Hölzernes Provisorium
Das hölzerne Provisorium eines „Empfangsgebäudes“ in Lichtenfels fand Mitte des 19. Jahrhunderts in einem stilvollen Neubau einen der gewachsenen Verkehrsbedeutung als Durchgangsbahnhof würdigen Nachfolger - mit getrennten Bahnanlagen für Werra-Eisenbahn-Gesellschaft und Königlich Bayerische Staats-Eisenbahnen.
Nach Einbindung der von Eisenach über Coburg führenden Werrabahn (1859) fasste man für den Bahnknotenpunkt umfangreiche Erweiterungsmaßnahmen für den Eisenbahnkno-tenpunkt ins Auge. Mit der Frankenwaldbahn (1885) stieg Lichtenfels zum Sitz regionaler Bahnbehörden auf. Zur Verkehrsabwicklung standen elf durchgehende Gleise und vier Stellwerke zur Verfügung -verbunden mit überdachten und befestigten Bahnsteigen sowie Speditionsgebäuden und einer Güterhalle. 1896 entstand für Fußgänger der Coburger Straße ein 1934 zurückgebauter Steg über die Gleisanlagen.
Vor dem Ersten Weltkrieg - so wird in Wikipedia berichtet - prägten 29 Prozent bei der Bahn beschäftigte Bürger aus Lichtenfels und Umgebung die heutige Korbstadt als Eisenbahnstadt. Einen weiteren markanter Abschnitt bildeten (1934 bis 1936) umfangreiche Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen im Zug der Streckenelektrifizierung Nürnberg–Leipzig/Halle. Und später bis Coburg.
Ein verheerender Luftangriff zerstörte am 23. Februar 1945 die sich auf 30 Hektar erstreckenden Bahnanlagen. „95 Prozent der Schäden waren bis Jahresende beseitigt“, berichtet die gleiche Quelle. Zwischen 2000 und 2017 unterstrich die Deutsche Bahn die Verkehrsbedeutung von Lichtenfels auf der Relation Berlin-München als ICE-Station. Mit Inbetriebnahme der Neubaustrecke im Zuge des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit 8 ging diese Phase im Dezember 2017 bis auf eine werktägliche Abfahrt zugunsten einer IC-Relation wieder verloren.
Mit zeitgerechten Triebwagen-Garnituren der Bahnunternehmen DB und Agilis sind heutzutage beispielsweise Kronach in 13, Bamberg und Coburg in 16, Bayreuth in 47 Minuten und die Metropole Nürnberg in knapp einer Stunde erreichbar.
Das Betriebswerk entsteht
1891 die Schaffung eines Bahnbetriebswerkes zur Abstellung, Ergänzung der Lokvorräte, Vorbereitung und Reparatur einsatzbereiter Dampfloks samt Wendemöglichkeit per Drehscheibe in Angriff genommen. Einschließlich Dienst-, Personal- und Sozialräumen war somit eine logische Folgerung eine gestiegene Bedeutung der Bahnstation am Obermain im Oberfränkischen Schienennetz – zunächst für Dampfloks verschiedener Baureihen, später Diesel- und Elektrolokomotiven, integriert die Einsatzleitung für Personen- und Güterzugbespannungen.
Rundschuppen samt Drehscheibe und Umfeld, aber auch die auf den Schuppengleisen abgestellten historischen Lokomotiven und Wagen gehören inzwischen zum DB Museumsbereich. Sie bilden heute noch das Herz der Anlage, die in ihrer eigentlichen Bedeutung längst aufgegeben worden ist.
Eine besondere Rolle spielt dabei eine E-Lok der Baureihe 44: Die am 8. August 1941 an die damalige Deutsche Reichsbahn ausgelieferte bahnamtlich als E44 119 geführt. Nach vielfältig wechselnden Stationierungen zwischen Rosenheim, München, Stuttgart und Würzburg folgte am 31. Juli 1984 die Ausmusterung des vom Personal liebevoll als „Mädchen für alles“ gewürdigten Fahrzeugs mit den beidseitig kofferähnlichen Vorbauten.
In Lichtenfels abgestellt, verlieh sie der bereits im Mai 1984 gegründeten Lichtenfelser BSW Freizeitgruppe E 44 119 ihren Namen. Bis zum aus Sicherheitsgründen „von oben“ verhängten Betretungsverbot kümmerten sich Gruppenmitglieder mit ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen im Lokschuppen um den Erhalt als rollfähiges Museumsfahrzeug. (oso)