Der Verkauf von Eigentum der früheren Deutschen Bahn in Lichtenfels geht weiter. Nach der erfolgreichen Veräußerung einer größeren Fläche nahe des ehemaligen Güterbahnhofs an der Bamberger Straße an einen privaten Immobilieninvestor werden bald die beiden – beinahe gegenüber liegenden – markanten vierstöckigen Backsteinbauten – im Volksmund „Neubäu“ genannt – den Besitzer wechseln.
Ob dabei die Stadt Lichtenfels eine gesetzlich verbriefte, günstige Gelegenheit wahrnimmt und diese Gebäude zur Schaffung sozialen Wohnraums erwirbt, steht noch nicht fest.
Die „Eisenbahnvermögen“ (BEV) in Bonn, seit 1994 Eigentümerin der beiden Häuser, hat die Immobilien plus dazugehörige Grundstücke zum Preis von rund 900 000 Euro angeboten. Die Ausschreibung wurde kürzlich beendet. Wie Pressesprecher Joachim Henrich dieser Redaktion auf Nachfrage mitteilte, gibt es einige Interessenten für den Kauf. Aus Datenschutzgründen wollte er Näheres dazu nicht sagen.
Die BEV werde nun mit den bestbietenden Interessenten in Verhandlungen gehen. Henrich rechnet damit, dass der Verkauf bis Mitte April über die Bühne gehen könnte. Dies zeigten die bisherigen Erfahrungswerte beim Verkauf solcher Objekte.
Von insgesamt 40 Wohnungen sind 19 derzeit nicht vermietet
Bei dem Verkaufsangebot geht es nicht nur um die Immobilien an sich, sondern um eine Grundstücksfläche in der Größe von knapp 5600 Quadratmetern. Dazu gehören auch die Gehwege in unmittelbarer Nähe sowie zwei ehemalige Waschhäuser und zwei Schuppen.
In den 1890 erbauten, vierstöckigen Häusern gibt es – auf 3200 Quadratmeter verteilt – 40 Wohnungen unterschiedlicher Größe. Davon sind derzeit laut Auskunft von Henrich 19 bewohnt. Es sind ausschließlich Mietwohnungen. Vermietet sei auch noch eine kleine Freifläche.
Bei den Wohnhäusern und den Wohnungen in Lichtenfels bestehe ein „Modernisierungs- und Sanierungsstau,“ räumt die BEV ein. Die Nebengebäude seien teilweise verfallen. Die Abwasserentsorgung der Gebäude und das Entwässerungsnetz seien sanierungsbedürftig.

Für die BEV sind die Immobilien in Lichtenfels nach eigenen Angaben entbehrlich geworden. Dennoch kann ein Geschäft dieser Art nicht wie auf dem freien Markt abgewickelt werden. Beim Verkauf solcher bundeseigener Immobilien, der im gesetzlichen Auftrag geschehe, werde „beonders auf die soziale Absicherung der wohnungsfürsorgeberechtigten Mieter Rücksicht genommen“, so die BEW.
Dabei geht es um Mieter, die aus einem Titel des Bundeshaushalts besoldet sind oder vergütet werden, also Beamte, Soldaten und Richter oder Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst und zudem in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis stehen. Ferner sei die BEW angehalten, Wohnungen vorrangig an Mieter zu verkaufen und damit Wohneigentum zu schaffen.
Die Wohnungsmieten in den beiden Gebäuden sind vergleichsweise preiswert. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis liegt laut Auskunft von Henrich in den beiden Gebäuden derzeit bei durchschnittlich 3,84 Euro pro Quadratmeter, laut Mietspiegel für Lichtenfels deutlich unter unter den Durchschnittswerten für Wohnungen im Stadtgebiet.
Die beiden Gebäude wären im Grunde auch ein Thema für den sozialen Wohnungsbau in Lichtenfels. Hier gibt es nach Einschätzung von Experten nach wie vor zu wenig bezahlbaren Wohnraum mit Preisbindung für einkommensschwache Bürger. Die Bundestagsfraktion der Grünen hat Anfang 2021 im Zusammenhang mit dem Verkauf von BEW-Vermögen auf die Möglichkeit für Kommunen hingewiesen, mit einer „aktiven Liegenschaftspolitik“ „gegen Immobilienspekulation vorzugehen sowie bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen.“
Kauf für Stadt ohne Bieterverfahren und unterhalb Verkehrswert möglich

Die BEW bietet mit der erst seit 2021 geltenden Richtlinie zur „verbilligten Abgabe von Grundstücken“ Kommunen auf gesetzlicher Grundlage dafür sogar ein Art Vorkaufsrecht mit günstigeren Bedingungen an. Dies gilt neben Gebietskörperschaften auch für privatrechtliche Gesellschaften und Unternehmen, Stiftungen oder Anstalten, an denen eine Kommune oder Gebietskörperschaft mehrheitlich beteiligt ist. Sie alle können BEW-Besitz wie in Lichtenfels im Wege des Direktverkaufs ohne Bieterverfahren unterhalb des gutachterlich ermittelten Verkehrswertes erwerben. Voraussetzung dafür ist die Verwendung für den sozialen Wohnungsbau.
Dazu müssten in den beiden Häusern an der Bamberger Straße Wohneinheiten im Geschosswohnungsbau neu geschaffen oder der sozialen Wohnraumnutzung zugeführt werden. Die Stadt könnte die so erworbenen Gebäude sogar an private Interessenten weiterverkaufen, allerdings ebenfalls zu einem Vorzugspreis und mit der vertraglichen Vereinbarung, dass sich auch der neue Eigentümer an die Maßgaben des sozialen Wohnungsbaus hält.
Die BEW habe der Stadt Lichtenfels unter diesen Bedingungen die Häuser angeboten, aber bislang noch keine Antwort erhalten, sagt Hennig weiter. Die Stadt Lichtenfels schließt einen Kauf bislang nicht aus, so Pressesprecher Sebastian Müller. Sie habe zwar noch kein Angebot. ob dies aber noch erfolge obliege „dem internen Willensbildungsprozess“, welchem die Stadt nicht vorgreifen möchte.