Offene Jugendarbeit in Zeiten von Corona – wie soll das gehen? Diese Frage stellte sich für die Mitarbeiter des Jugendzentrums nicht nur während des Lockdowns. Jetzt hat die Einrichtung zwar wieder geöffnet, aber von Normalbetrieb kann keine Rede sein. Tom Blößl und Eduard Zifle vom JUZ schildern, vor welche Herausforderungen sie die Pandemie stellt.
Das blanke Entsetzen im Gesicht der Jugendlichen
„Der Lockdown traf uns im März an einem Freitag, den 13. Nach einem Anruf und einer E-Mail aus der Stadtverwaltung war klar, dass das Jugendzentrum sofort auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben musste. Für diesen Freitag hatten Jugendliche den Clubraum im Jugendzentrum angemietet. Es war eine Geburtstagsfeier mit etwa 30 Jugendlichen geplant. Für die Feier wurde bereits alles eingekauft, und einige Gäste waren von außerhalb extra angereist. Als wir zwei Stunden vor Beginn der Feier die Jugendlichen informieren mussten, dass die Party abgesagt ist, stand ihnen das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben.
In den ersten Tagen nach dem Lockdown standen immer wieder Jugendliche vor der verschlossenen Eingangstür. Für manche brach ein wichtiger Teil ihrer Lebenswelt von einem auf den anderen Tag einfach weg. Viele alltägliche Dinge wie Werkzeug für den Scooter oder das Skateboard, Spiele, Billard, Kicker, Mikros, Anlage oder Proberaum waren plötzlich nicht mehr verfügbar. Hinzu kam, dass wir den Jugendlichen nicht sagen konnten, ab wann alles wieder verfügbar sein wird.
Vorbei: Angebote spontan und situativ nutzen
Alle Mitarbeiter des Jugendzentrums stellten sich die Frage, wie offene Jugendarbeit funktionieren soll, wenn das Haus geschlossen ist. Das Prinzip der offenen Jugendarbeit lebt von der Möglichkeit, Angebote spontan und situativ zu nutzen. Damit war es erst mal vorbei.
Nach dem ersten Schock begannen wir, den „Alltag“ im Jugendzentrum neu zu strukturieren. All die Sachen, die schon lange aufgeschoben wurden, wie die Renovierung einzelner Räume, Reparaturen, Raumplanungen oder Büroarbeiten, wurden in Angriff genommen. Obwohl die Arbeiten den ganzen Tag ausfüllten, vermissten wir jedoch sehr schnell die wesentliche Arbeit im Jugendzentrum – den persönlichen Kontakt zu den Besuchern. Auch die Erstellung eines Discord-Servers für unsere Besucher konnte diesen Mangel nicht ausgleichen (Discord ist ein Online-Dienst für Instant Messaging, Chats, Sprach- und Videokonferenzen, Anmerkung der Redaktion).
Zumindest fünf Jugendliche dürfen wieder gleichzeitig zu Gast sein

Als im Juni die Infektionszahlen zurückgingen, erstellten wir ein Hygienekonzept, um wenigstens teilweise die Räume des Jugendzentrums wieder nutzen zu können. Zusammen mit Vertretern der Stadt Lichtenfels, des Landkreises und der Betriebsärztin wurden die Bedingungen für eine Teilöffnung festgeschrieben. Am 1. Juli war es soweit. Jetzt durften wenigstens fünf Jugendliche gleichzeitig den unteren Stock des Hauses wieder betreten. Wir waren alle gespannt, wie die Besucher (und die Mitarbeiter des Jugendzentrums) mit den neuen Hygieneregeln zurechtkommen würden.
Wenn auch die ersten Tage nach der Öffnung etwas gewöhnungsbedürftig für alle waren, so hielt sich der Großteil der Jugendlichen an die neuen Auflagen wie Maskenpflicht, Hände desinfizieren, Spielgeräte reinigen oder Abstandsregeln einhalten. Für die Stammbesucher kehrte somit wieder ein Stück Normalität in den Alltag ein. Solange die Besucherzahl auf fünf Personen beschränkt bleibt, bietet das Jugendzentrum jedoch für größere Gruppen wenig Nutzungsmöglichkeiten.
Virtuelle Welt ermöglicht vieles, aber persönlicher Kontakt fehlt
Manche Angebote können nach wie vor nicht stattfinden, wie zum Beispiel die Bewirtung im Jugend Café, der Veranstaltungsbereich, die Vermietung des Clubraums, die Nutzung des Exit Rooms oder die Kreativwerkstatt im ersten Stock.
Auf der Herbstfachtagung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Lichtenfels berichteten die Mitarbeiter aus unterschiedlichen Jugendzentren in Oberfranken über die aktuelle Lage. Viele Häuser haben ähnliche Erfahrungen während der Pandemie erlebt. Not macht aber auch kreativ. Wie wir in Lichtenfels haben auch unsere Kollegen und Kolleginnen neue Formate entwickelt. Manche Angebote wurden in die virtuelle Welt verlagert. Es entstand eine Auflistung von „Best-Practice-Beispielen“, wie virtuelle Partys, Chaträume, Online-Suchspiele, virtuelle Sporthallen und vieles mehr. Trotz allem Erfindungsreichtum bleibt dabei der wichtigste Aspekt unserer Arbeit auf der Strecke – der persönliche Kontakt zu den Jugendlichen.
Hygieneregeln ermöglichen es, den eigenen Gestaltungsraum zu erhalten
Am vergangenen Freitag trafen sich die Scooter und Skater am Jugendzentrum, um zusammen zu planen, wie die zukünftige Skateanlage am Jugendzentrum ausschauen soll. Es ist nicht einfach, ein Konzept zu entwickeln, das alle zufrieden stellen wird. Aber für uns ist es ein gutes Gefühl, zu sehen, wie die Jugendlichen ihren zukünftigen Lebensraum selbst gestalten. Gerade in dieser Zeit.
Wir werden nicht aufhören, unsere Besucher immer wieder darauf hinzuweisen, dass es an jedem einzelnen liegt, die Hygieneregeln einzuhalten und damit die Voraussetzung zu schaffen, seinen eigenen Gestaltungsraum offen zu halten.“