Lichtenfels
Am Freitag, 14. Juni, um 21 Uhr eröffnet Gastgeber Deutschland mit dem Spiel gegen Schottland in der Münchner Allianz-Arena die Heim-Europameisterschaft. Ich habe mich bei in der Belegschaft des Obermain-Tagblatts umgehört, was sie sich von der Fußball-EM der Männer erhoffen, ob sie sich darauf freuen oder sie ihnen egal ist, wen sie anfeuern, wer ihre Favoriten sind. Gestern kamen fünf OT-ler zu Wort, heute folgen fünf weitere Beiträge. Nicht alle Kolleginnen und Kollegen wollten sich äußern, ihr Interesse ist aber auch nicht groß.
Kann so eine ähnliche Euphorie wie bei der Weltmeisterschaft 2006 entstehen, als ein Ruck durch Deutschland ging und sich die Bundesbürger als weltoffene Gastgeber präsentierten?
Die Frage habe ich schon in einer ersten Umfrage-Runde in den Raum gestellt. Ob der Funken überspringt, hängt natürlich auch vom Auftakt am heutigen Abend ab. Ein abwechslungsreiches Spiel mit vielen Toren und einem Sieg für Deutschland, wie 2006 beim 4:2 gegen Costa Rica, könnte so manche Bremse lösen.
Thomas Rumler, Leiter B2B-Vermarktung:
Unser PR-Experte hat selber beim TSV Mönchröden, auch Bezirksliga, und zum Schluss beim SC Oberfüllbach (A-Klasse) gespielt. Zudem war er später beim SV Großgarnstadt, als sein Sohn mit dem Kicken begann (längst erwachsen), Jugendtrainer (F- bis C-Jugend). Wenn es geht, steht er heutzutage bei jedem Kreisliga-Spiel des SV Großgarnstadt an der Seitenlinie und schaut er zahllose Spiele im Fernsehen, vor allem die des FC Bayern München. Der leidenschaftliche FCB-Fan ist zwei- bis dreimal im Jahr in der Allianz-Arena zu Gast, um die Roten anzufeuern.
Also, es ist kein Wunder, dass auch Thomas Rumler der Europameisterschaft entgegenfiebert. Wie bei jeder EM oder WM. Er freut sich auf die vielen Fans aus verschiedenen Nationen, auf die Stimmung und spannende Spiele – trotz der Kommerzialisierung. „Das war früher schöner!“ Leider sei noch wenig Euphorie in der Gesellschaft zu spüren, auch noch nicht in seinem Freundeskreis. Aber die werde schon noch überschwappen, spätestens ab den Achtelfinalspielen. Vorher zittert Thomas mit Frau und Sohn im eigenen Wohnzimmer mit der deutschen Mannschaft mit. Ab dem Achtelfinale werden sie mit Freunden schauen, unter anderem auch in der Partyhütte der Rumlers – ein Event mit Bierchen und Grill- oder Spezialitäten aus dem Pizzaofen.

Und erneut tauchen Frankreich, England und Spanien bei der Frage nach den Favoriten auf. Thomas Rumler traut der deutschen Nationalelf das Halbfinale zu, tippt auf Frankreich als Europameister, hat aber natürlich nichts dagegen, wenn der Gastgeber triumphiert.
Carolin Gi§ibl, Redakteurin: Fußball hatte für Caro einen hohen Stellenwert: Sie kickte selbst, bis sie sich zwei Mal das Kreuzband gerissen hat. Als leidenschaftliche Zuschauerin führten sie Stadionbesuche bis nach Argentinien; sie arbeitete ehrenamtlich bei der FIFA-Frauen-WM und beim Club.
Mit zunehmender Kommerzialisierung verlor Fußball für sie allerdings an Spaß und Attraktivität. Mittlerweile interessiert sie sich eher die politische Instrumentalisierung des Sports, zum Beispiel Sportswashing.

Auch wenn ihr das Turnier egal ist („Es gibt Wichtigeres!“) und sie nicht heiß darauf ist, Spiele anzuschauen, kann es sich ergeben, dass Caro mal eine Partie verfolgt. Sie hat einen Fußball-affinen Umkreis. Vielleicht setzt sie sich mal für ein paar Seidla dazu. „Da werde ich es aber mehr genießen, die Leute zu beobachten – wie sie fluchen und sich beschimpfen.“ Von Vorfreude sei auch in ihrer Umgebung nichts zu spüren, nicht vergleichbar mit den vorherigen EM- oder WM-Turnieren. Bei der Frage nach dem Europameister 2024 zögert die Bambergerin kurz, sagt dann aber kommentarlos: Deutschland. „Auch, wenn Supercomputer berechnet haben sollen, dass England Europameister wird. Diese Dinger haben doch keine Ahnung.“
Als weiteren Favoriten benennt sie Portugal. Die portugiesische Nationalmannschaft werde mit einem topbesetzten Kader die Reise nach Deutschland antreten. In der Vorrunde könnte sie leichtes Spiel haben. Dass Portugal es bei großen Turnieren weit bringen kann, habe die Elf ja schon öfter bewiesen. Die Qualifikation habe das Team mit einer makellosen Bilanz abgeschlossen: als einzige Mannschaft mit 100-prozentiger Siegesquote.
Markus Drossel, Redaktionsleiter: „Unbedingt“ ist der Oberleiterbacher interessiert an Fußball. In Schüler und Jugend war er beim TSV Ebensfeld aktiv, zurzeit trainiert er mit zwei anderen Papas die F-Jugend der SG Zapfendorf. Zwei Söhne des dreifachen Familienvaters kicken bei der SG. Dass er „leidensfähig“ ist, zeige, dass er von Kindesbeinen an Fan des FC Nürnberg ist, so der gebürtige Ebensfelder.

„Lange ging es man mir vorbei“, aber so langsam steige die Vorfreude auf das Turnier, sagt unser Redaktionsleiter im Gespräch. Erster Höhepunkt war für ihn, der Besuch des Vorbereitungsspiels Deutschland – Ukraine (0:0) in der vergangenen Woche. Im Max-Morlock-Stadion in Nürnberg habe er die absolut friedliche Euphorie genossen. Eine La-Ola-Welle nach der anderen sei durch die Ränge gegangen. „Deutschland hat wieder Bock auf Fußball!“ Diese Begeisterung spürt er auch schon bei seinen Kiddies, die eine Fülle an Trikots ihr Eigen nennen und sie jetzt besonders gerne tragen. Natürlich hat Markus Drossel versucht, Karten für Deutschland-Spiele bei der EM zu ergattern. Das hat nicht geklappt. Live dabei ist er aber, wenn die Serben in Nürnberg auf die Slowenen treffen. Er wird das Turnier „exzessiv“ verfolgen, im TV verflogen, was geht. Und er hofft darauf, dass im Freundeskreis auch gemeinsam geschaut wird, wenn auch noch nix ausgemacht ist.
Der Favoritenkreis sei dieses Mal nicht so eindeutig wie bei vorherigen Turnieren. Deutschland gehört für Drossel aber ebenso so dazu wie Frankreich, England, Spanien, Italien und (!) die Schweiz. Er hofft auf Deutschland als Titelträger, „aber wenn nicht soll die Schweiz gewinnen.“
Annette Körber, Redakteurin: Die Bambergerin interessiert sich relativ wenig für „die schönste Nebensache der Welt“ und informiert sich nur „grob“ in der Zeitung. Wenn überhaupt über die Nationalmannschaft, Vereinsfußball hat sie kaum auf dem Schirm. Aber auf die Europameisterschaft freut sie sich schon ein bisschen, wird bei den deutschen Spielen mitfiebern – größtenteils mit ihrem Mann Dieter vor dem TV im eigenen Wohnzimmer. Vielleicht auch mal mit Freunden bei einem Bierchen im Fässla-Keller, da haben sie es nicht weit. Sie ist keine Freundin von großen Public-Viewings. Die kommen für Annette schon nicht in die Tüte, weil sie nicht die Größte ist, sagt sie lachend.

In ihrer Familie, sprich bei Eltern und Geschwistern, wird die EM sicherlich vier Wochen lang ein großes Thema sein. Da kommt meine Kollegin an Fußball-Gesprächen nicht vorbei. In den vergangenen Tagen sei das Turnier aber auch dort noch kein großes Thema gewesen, da der Bundesliga-Endspurt, die Champions League und die Vorbereitungsspiele noch im Fokus lagen. Auch im Freundeskreis von Euphorie bisher keine Spur. Auf die Favoritenrolle angesprochen, sagt Annette Körber: „Keine Ahnung, da habe ich die Länderspiele zu wenig verfolgt.“ Sie hofft, dass die deutsche Elf mindestens das Viertelfinale erreicht. „Dann sieht man weiter.“
Ludwig Wiesmann, Marketingleiter: Der Herrether wurde väterlicherseits mit dem Fußballfieber infiziert, verbrachte als Kind und Jugendlicher viel Zeit auf den Bolzplätzen unterhalb des Staffelbergs. Damals wohnte die Familie in Romansthal.
Als 1860 München 1977 im Relegationsspiel gegen Arminia Bielefeld im Frankfurter Waldstadion mit einem 2:0-Sieg den Aufstieg in die 1. Bundesliga perfekt machte, saß Ludwig als 13-Jähriger vor dem TV und war fortan ein Löwe. Seitdem ist er glühender 1860-Fan, schaut, wenn möglich, alle Spiele der Blauen im Fernsehen an und informiert sich in Presse, Funk, Fernsehen und Internet über seinen Lieblingsverein.

Natürlich ist unser Marketingleiter voll dabei, wenn die EM über die Bühne geht. Alle Großturniere (EM und WM) sind für ihn „Highlights“. Erstaunlich wenig Euphorie nimmt er in seinem Bekanntenkreis wahr, nicht vergleichbar mit der vor zehn Jahren. Das habe vielleicht auch mit den Leistungen des deutschen Teams seit dem Titel 2014 zu tun. Schauen will er alle Partien, die zeitlich möglich sind. Daheim, gemeinsam mit seinem Neffen Marco vielleicht oder in der Welsberger Holzwurmhalle (falls dort die EM läuft). Da locken ein riesiger Bildschirm, zehn bis 20 Fans, leckere Getränke und ein kleiner Imbiss. Was will man mehr. „Wenn vom ersten Spiel an der Funke auf die Fans überspringt, können wir weit kommen; dann ist auch der EM-Titel nicht unmöglich. Vor allem für Toni Kroos würde ich mich freuen, dass er auch diesen Titel noch gewinnt und er damit der mit Abstand erfolgreichste deutsche Profi aller Zeiten wird.“ Neben Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger ist Kroos für Wiesmann der sympathischste deutsche Nationalspieler: Immer Leistung gebracht und dabei stets bescheiden geblieben.
Die Fan-Brille mal abgenommen, tippt er, dass Deutschland das Halbfinale erreicht. Spanien schlägt im Finale die Niederlande mit 2:1. Mitfavoriten seien die „üblichen Verdächtigen“ wie Frankreich, Italien, England, Portugal, Belgien und Kroatien. „Auch auf Rangnicks Österreicher bin ich gespannt.“