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LICHTENFELS: Pflegebonus am Obermain: Wertschätzung mit Abstrichen

LICHTENFELS

Pflegebonus am Obermain: Wertschätzung mit Abstrichen

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    Corona hat den Klinik-Alltag komplett verändert. Das Gefährdungspotenzial der Mitarbeiter ist gestiegen.
    Corona hat den Klinik-Alltag komplett verändert. Das Gefährdungspotenzial der Mitarbeiter ist gestiegen. Foto: Marcel Kusch/dpa

    Bayern wollte ganz vorne sein. Ein Zeichen setzen. 500 Euro beträgt der weiß-blaue Pflegebonus. Ein Dankeschön des Freistaats nicht zuletzt für das Risiko, das viele Pflegekräfte im Rahmen der Pandemie trugen und tragen. Doch bei der Antragsstellung kommt es zum Verdruss. Weil offensichtlich Klarheiten bei der Genehmigung fehlen. Wie bei drei Physiotherapeutinnen, mit denen unsere Redaktion sprach. Einer ihrer Anträge wurde bereits abgelehnt, die anderen warten noch auf ihren Bescheid. Bei Kolleginnen und Kollegen im gleichen Team und mit gleicher Tätigkeit wurden Anträge teils genehmigt, teil abgelehnt. Auch die Gewerkschaft Verdi bestätigt, es läuft nicht rund bei der Bearbeitung der Anträge.

    Maria (37), Petra (51) und Cornelia (53) – alle Namen auf Wunsch von der Redaktion geändert – sind bitter enttäuscht. Das Trio arbeitet in Kliniken in Kronach und Lichtenfels als Physiotherapeutinnen. Als der Lockdown kommt, gleichen die drei im Dienst mit ihrer Arbeitsmontur fast schon Astronauten. Verschärfte Hygienemaßnahmen verändern den Arbeitsalltag. Doppelte Handschuhe, Schutzmaske und Visier, kein Stück Haut bleibt unbedeckt. Die Vorsichtsmaßnahmen machen Sinn. In vielen Krankenhäusern der Republik infizierten sich auch die Helfer.

    Infizierte Patienten auf Station behandelt

    Alle drei Physiotherapeutinnen haben nach eigenen Angaben auch infizierte Patienten behandelt. Das Landesamt für Gesundheit lehnt Anträge dennoch ab, da es keine pflegerische Tätigkeit sieht. Die ist wiederum Voraussetzung für den Erhalt des Bonus. Der Sichtweise widerspricht das Trio. „Wir arbeiten Hand in Hand mit dem Pflegepersonal“, erklärt Petra. Zumindest bei Pflegerinnen und Pflegern scheint es wenig Absagen zu geben. Dort treffe es eher Teamleitungen, weiß Maria zu berichten. Wenn der bearbeitende Beamte vermutet, dass bei einem Organisationsjob kein oder kaum Patientenkontakt besteht.

    Je zwei Ergo- und zwei Physiotherapeuten im Team von Cornelia bekamen eine Zusage. Cornelia und eine weitere Kollegin erhielten eine Absage, zwei weitere haben noch keine Nachricht. „Aber eines haben wir gemeinsam: In unserem Team verrichten wir die selben Aufgaben, mit dem gleichen Patienkontakt. Das sind doch willkürliche Entscheidungen“, ärgert sich Cornelia.

    Widerruf gegen Absage eingelegt

    Cornelia hat Widerruf gegen den Bescheid eingelegt. Auch wenn in dem Ablehnungsbescheid ausschließlich die Möglichkeit einer rechtlichen Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg eingeräumt wurde, möchte die Physiotherapeutin diesen ihr widerstrebenden Weg nicht einschlagen. „Es geht uns einfach um Wertschätzung und Gerechtigkeit“, erklärt Maria. Petra und Cornelia nicken. Dass sie als Physiotherapeutinnen jetzt als Bittstellerinnen antreten müssen, das ärgert die drei Frauen massiv. „Corona bedeutet auch jetzt noch für unsere Kolleginnen und Kollegen einen Mehraufwand und ein erhöhtes Risiko“, meint sie.

    Petra findet, eigentlich sollten alle Mitarbeiter des Krankenhauses den Bonus erhalten: „In der Verwaltung gibt es einen deutlichen Mehraufwand. Und nicht selten muss eben auch ein Mitarbeiter der Verwaltung die Triage am Empfang übernehmen“, erklärt die 51-Jährige. Maria fügt hinzu: „Für das Miteinander im Team ist es auch nicht gut, wenn die eine Person den Bonus bekommt, die andere nicht. Das schafft Unzufriedenheit statt der erstreben Anerkennung. Wären bestimmte Berufsgruppen im Vorfeld klar und deutlich von dem Pflegebonus ausgeschlossen worden, wäre das zwar ärgerlich, aber immerhin einheitlich gewesen“, führt Maria aus.

    Scharfe Kritik von der Gewerkschaft

    Das sieht auch die Gewerkschaft Verdi so. Gewerkschaftssekretärin Magdalene Waldeck, Bezirk Oberfranken-West, erklärt: „Wir bei Verdi im Fachbereich Gesundheit und Soziales in Bayern haben bereits im April die bayerische Landesregierung aufgefordert, allen Beschäftigten in den Bereichen unseres Gesundheits- und Sozialwesens einen Bonus zu zahlen. Angesichts der Risiken, die sie trugen und auch weiterhin tagtäglich tragen, ist eine angemessene Vergütung gerechtfertigt. Abgesehen davon fängt dieser einmalige Bonus die schlechte Bezahlung im Allgemeinen nicht auf.“

    Die Gewerkschaftlerin erklärt, dass in den vergangenen Wochen immer mehr Anfragen von Verdi-Mitgliedern zum Thema Pflegebonus eingegangen seien. Aber auch von Beschäftigten, die der Gewerkschaft beitreten und sich rechtlich vertreten lassen möchten.

    „Das war ein schlecht organisierter Schnellschuss der Landesregierung, um für die Bundestagswahlen im kommenden Jahr auf Stimmenfang zu gehen.“

    Magdalene Waldeck, Verdi

    „Sie haben den Pflegebonus von der Landesregierung beantragt und eine Absage erhalten. In vielen Fällen ist diese Absage nicht gerechtfertigt, weil sie die formalen Vorgaben erfüllen und einen Anspruch auf die Bonuszahlung hätten. Jedoch gibt es etliche Beschäftigte, die die Kriterien, die der Pflegebonus stellt, nicht erfüllen und dennoch eine Auszahlung erhalten haben“, erklärt die Verdi-Funktionärin. Sie berichtet von Therapeuten, Medizinischen Fachangestellten und anderen, die in der gleichen Einrichtung, auf der gleichen Station arbeiten. Die einen haben die Zahlung erhalten, die anderen nicht. „Die rechtlichen Vorgaben sind zum Teil nicht eindeutig, es bräuchte eine saubere Regelung – am besten natürlich für alle Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen“, moniert Magdalene Waldeck.

    „Das war ein schlecht organisierter Schnellschuss der Landesregierung, um für die Bundestagswahlen im kommenden Jahr auf Stimmenfang zu gehen“, so das Resümee der Gewerkschafterin.

    Auf Anfrage unsere Redaktion antwortet Pressesprecher David Schmitt für die Regiomed-Klinik Lichtenfels und Coburg zum Thema: „Nach den Rückmeldungen an unsere Pflegedirektionen in den Kliniken in Coburg und Lichtenfels wurde den Pflegenden der Bonus ohne größere Schwierigkeiten bezahlt. Alle Mitarbeiter des nicht ärztlichen Dienstes haben eine Arbeitgeberbescheinigung erhalten, mit der sie beim Landesamt für Pflege den Coronapflegebonus beantragen konnten.

    Das Landesamt trifft die Entscheidung

    Das Landesamt entscheidet, welche Mitarbeiter den Bonus letztendlich bekommen. Im Lichtenfelser Klinikum wurde der Pflegebonus vorrangig bei Leitungskräften in der Pflege abgelehnt. Auf individuelle Anfragen einzelner Mitarbeiter wurde auch in unseren Kliniken noch mal eine gesonderte Arbeitgeberbescheinigung mit Auflistung der pflegerischen Tätigkeiten bescheinigt. Ob diese Sonderbescheinigungen letztendlich zur Gewährung des Pflegebonus geführt haben, ist uns jedoch nicht bekannt.“

    Wenig Anlass zur Kritik sieht eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums, deren Worte am Ende eher drohend klingen: „Bei einem Massenverfahren wie dem bayerischen Corona-Pflegebonus mit zirka 350 000 Anträgen ist eine Fehlerbescheidung in wenigen Einzelfällen nicht auszuschließen ... Soweit der Antragsteller die Auszahlung des Corona-Pflegebonus unberechtigt erlangt, hat er den erhaltenen Betrag unverzüglich zurückzuzahlen. Das Landesamt für Pflege kann die Erstattung zurückverlangen.“

    Hintergrund Die Staatsregierung hat am 7. April 2020 Eckpunkte für einen Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonus) beschlossen. Mit der einmaligen Gewährung des Corona-Pflegebonus als höchstpersönliche Leistung soll das überdurchschnittliche Engagement der in Bayern in der professionellen Pflege und im Rettungsdienst Tätigen besonders gewürdigt werden. Begünstigte sind Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. Ebenso begünstigt sind tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist. Auch Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst sind Begünstigte.

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