Heinz Gärtner und Günther Scheler haben auf dem Marktplatz, direkt am Haupteingang des Rathauses, ein großes Banner ausgerollt. „Kein Platz für Nazis“, fordert darauf der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Oberfranken. „Wir sind bunt“, steht daneben. Derweil werden unter den Anwesenden „Rote Karten für Nazis“ verteilt. Die Protestierenden positionieren sich hinter dem Schriftzug, recken die „Roten Karten“ in die Höhe. Ihr Stein des Anstoßes: das geplante Konzert der Deutschrockband „Weimar“.
Mindestens zwei Mitglieder der Band aus Thüringen haben eine rechtsradikale beziehungsweise rechtsextreme Vita (diese Redaktion berichtete). „Es ist richtig, dass wir eine politisch rechtsmotivierte Vergangenheit haben. Diese Vorwürfe sind korrekt“, schreiben Konstantin P. und Christian P. selbst. „Wir möchten nichts relativieren. Das würde der Sache nicht gerecht werden.“ Allerdings sei das Jahre her, sie seien damals Jugendliche beziehungsweise junge Erwachsene gewesen. Sie dementieren Medien-Recherchen: „Nicht korrekt ist, dass wir nach wie vor in der rechtsextremen Szene aktiv sind. Diesen Vorwurf weisen wir vehement zurück! Weder wir, noch unser Umfeld sind in der rechten Szene aktiv.“
Das Aktionsbündnis „Lichtenfels ist bunt“ stellt sich dennoch gegen das für den 9. Dezember anberaumte Konzert. Und so sind „Omas gegen Rechts“, Gewerkschaftler, Kirchenvertreter, Bund-Naturschützer und Mitglieder diverser Parteien und Wählergruppierungen (sie alle sind unter dem Dach des überparteilichen und überkonfessionellen Bündnisses vereint) zusammengekommen, um ihren Unmut darüber, dass die Stadt das Konzert in der Stadthalle genehmigt hat, sichtbar zu machen.

Auf Bitte von Bündnismitglied Stefan Hofmann kommen Zweite Bürgermeisterin Sabine Rießner und Andreas Schönwald vom Hauptamt vor die Tür. Oma Helga übergibt eine Liste mit Unterschriften, deren Unterzeichner die Stadt bitten, das Konzert der umstrittenen Band doch noch abzusagen. Aufgrund der Vorwürfe und der Tatsache, dass die maskierten Mitglieder unter falschem Namen gegenüber der Plattenfirma aufgetreten waren, hatte diese ihnen alle Verträge gekündigt. Auch wurden alle Konzerttermine gestrichen, nun aber gibt es den Neuanfang: Das erfolgreiche Album wurde in Eigenregie erneut auf den Markt gebracht, Konzerte werden nach und nach angekündigt. Wie in Lichtenfels.
Nossek: keinen Raum bieten
„Wir stellen uns klar gegen rechte Hetze“, macht Sandra Nossek, Sprecherin von „Bündnis 90/Die Grünen“ im Landkreis, deutlich. „Wir würden uns wünschen, dass die Stadt Lichtenfels den Mut hat und der Band ,Weimar‘ keinen Raum bietet. Mit diesem Konzert werden Menschen nach Lichtenfels geholt, die rechte Gesinnung in sich tragen.“

Zweite Bürgermeisterin Sabine Rießner hört interessiert zu, verweist dann aber auf das Statement, das sie auch dem Obermain-Tagblatt hatte zukommen lassen. Citymanager Steffen Hofmann hatte außerdem im Stadtrat gesagt, dass die Band öffentlich deutlich Stellung genommen habe. „Die Mitglieder der Band Weimar distanzieren sich ausdrücklich von Gewalt, Extremismus jedweder Form, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Homophobie und dem fatalen, sich bis heute zu wiederholen scheinenden Irrglauben der Geschichte, dass manche Menschen besser seien als andere“, schreiben die Deutschrocker dazu selbst.
„Nicht korrekt ist, dass wir nach wie vor in der rechtsextremen Szene aktiv sind.“
Die Band „Weimar“ in einem Statement
Hofmann wehrte sich gegen Vorwürfe, die Stadt habe ihre „Hausaufgaben“ nicht gemacht: Im Vorfeld habe man sich intensiv mit der Polizeiinspektion Lichtenfels ausgetauscht. Natürlich habe die Verwaltung vor Vertragsunterzeichung die mediale Berichterstattung gekannt, genau deswegen habe es eine so intensive Prüfung gegeben, so der Citymanager.
Die örtliche Polizei habe mit Kriminalpolizei, den Experten von Landes- und Bundeskriminalamt sowie den Landesämtern für Verfassungsschutz in Bayern und Thüringen gesprochen. Die Rückmeldung an das Lichtenfelser Ordnungsamt: Die Texte seien nicht als nicht strafbar eingestuft, die politisch rechtsmotivierten Handlungen und Aussagen seien lange her.
Da die Mitglieder in den vergangenen Jahren nicht mehr erkennbar extremistisch in Erscheinung getreten seien, gebe es ein Recht des Vergessens, so die Thüringer Verfassungsschützer.
Texte nicht strafbar
„Wir haben nichts gegen Rockmusik, aber sehr wohl etwas gegen Parolen, die Hass, Unfrieden und Rückschritt in eine Zeit, die wir eigentlich hinter uns lassen wollten, darstellen“: Die Protestierenden haben Zweifel daran, wie ehrlich es die Band mit dem Statement meint. Im Vertrag zwischen Band und Veranstalter werden „Weimar“ unmissverständlich deutlich: Die örtliche Security habe nicht nur freundlich mit den Besuchern umzugehen, sondern dürfe keine keinerlei rassistische, faschistische oder homophone Äußerungen dulden, weder verbal noch auf Kleidungsstücken oder als Tattoos. Die Band behält sich vor, im Falle des Falles das Konzert sofort abzubrechen, finanziell zu Lasten des Veranstalters. In Lichtenfels ist es „46 Concerts“.
Heinz Gärtner glaubt nicht an die Läuterung der Band. „Die Stadthalle kostet jährlich 700.000 Euro Zuschuss. Es ist ein Skandal, dass wir mit Steuergeldern – unseren Geldern – den Auftritt dieser Band subventionieren!“ Das sei ein schlechtes Image für die Stadt. „Lichtenfels darf kein Podium für rechte Parolen bieten.“
Croner: die Richtlinien anpassen
Die Stadt Lichtenfels hat nach eigenen Angaben keine rechtliche Möglichkeit, die ein Absagen des Konzerts rechtfertigt. „Wenn es keine Handhabe für die Stadt gibt, dann muss an den Richtlinien für die Stadthalle gearbeitet werden, fordert der evangelische Religionspädagoge Simon Croner. Denn, so Oma Doris: „Wer gewaltverherrlichende Texte singt, darf in Lichtenfels nicht auftreten.“ Diesen Passus aber gibt es bereits in der Stadthallenverordnung.