Bilder von menschenleeren deutschen Nord- und Ostseestränden während der derzeitigen Corona-Krise gehören der Vergangenheit an. Seit den jüngsten Lockerungen der Bundesregierung bezüglich des Tourismus von und für Deutsche am 15. Juni verzeichnen die Reisebüros der Region viele Buchungen – vor allem im Inland. Laut einer Umfrage des Verkaufsportals Mydealz dürfte sich die Zahl der Deutschen, die ihren Urlaub im Heimatland verbringen, 2020 verdoppeln.
Kein Vertrauen? Bulgarien sonst sehr beliebt, jetzt wenig gefragt

„Momentan stehen Deutschland und Österreich hoch im Kurs, aber auch Dänemark“, weiß Mario Kragler vom Thüringisch Fränkisches Reisebüro TFR in Lichtenfels. „Weitere Ziele werden eher langsam gesucht – wenn, dann vor allem Griechenland, Italien oder Spanien.“ Eines der liebsten deutschen Reiseländer, Bulgarien, sei derzeit dagegen bei den Kunden weniger beliebt, so der Büroleiter. „Ich vermute, vielen Leuten fehlt vielleicht das Vertrauen ins das dortige Gesundheitssystem und die Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen.“ Spanien, Portugal und Italien seien eher „europäisch angehaucht“.
Singles oder Allein-Reisende tendenziell entspannter
Dabei zeichne sich zumindest ein Muster ab: Familien mit Kindern seien prinzipiell vorsichtiger, Singles oder Allein-Reisende gingen tendenziell entspannter mit der Situation um.
Auch bei den Unterkunftsarten gibt es einen klaren Trend: Ferienwohnungen und Ferienhäuser, in denen die Reisenden „unter sich“ seien, werden derzeit bevorzugt gebucht, größere Hotels dagegen seltener. Die Eigenanreise mit dem PKW bevorzugen aber – so weit möglich – fast alle.
„Irgendwann sind aber auch die Auslastungsgrenzen in Deutschland erreicht.“
Mario Kragler verweist jedoch auf Grenzen des „Deutschland-Tourismus“: „Irgendwann sind aber auch die Auslastungsgrenzen in Deutschland erreicht.“ Viele Personen ziehen deshalb in diesem Wissen eine kleine griechische Insel einem überfüllten deutschen Strand vor, weiß er aus Kundengesprächen, die wieder vor Ort in der Judengasse, zumeist mit Termin, erfolgen.

Umsatzeinbußen sind nicht mehr aufzuholen
Waren die Reisebüros zu Beginn der Corona-Krise wohl eine der meist „leidenden“ Branchen, können sie nun die dadurch entstandenen Umsatzeinbußen jedoch nicht mehr aufholen – trotz einer großen Anzahl an Buchungen. Dabei sei der Beratungsaufwand in vielerlei Hinsicht groß: Zum einen sind viele Menschen verunsichert bezüglich ihres zukünftigen Urlaubes. Was ist erlaubt? Wie werden die Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt? Kann ich mich auf meine Reiseroute und die Verkehrsmittel verlassen? Was ist, wenn eine zweite Corona-Quelle kommt? Das sind nur einige der Fragen, die derzeit in den Reisebüros auf Basis der Konzepte der jeweiligen Veranstalter beantwortet werden müssen.
Auch um derzeit häufig auftretende Flugänderungen müssen sich diese etwa kümmern und die Informationen an ihre Reisenden weitergeben: „Es ändern sich die Flugtage oder es gibt Informationen, dass manche Hotels nun doch nicht geöffnet werden. Dann müssen wir schnell reagieren“, so Kragler. Die Kunden zeigen sich aber sehr verständnisvoll und gesprächsbereit.

Erholungseffekt trotz Maske doch wohl keine Frage, oder?
Grundsätzlich haben jedoch alle Länder hohe Auflagen bezüglich der Corona-Sicherheitsmaßnahmen. Das gilt sowohl für Touristen, die nach Deutschland kommen, als auch für Deutsche, die im Ausland Urlaub machen. Alle müssen die gültigen Hygienezertifikate umsetzen, entsprechende Flugverbindungen zwischen den Ländern ermöglichen und das Gesundheitssystem rüsten. Die Airlines etwa sind ebenso verpflichtet, entsprechende eigene Richtlinien umsetzen – in ebendiesem Sinne die Hotels. Wie dort zum Beispiel die Steuerung der Wege auf Basis des Abstandsgebots verlaufen oder an welchen Stellen Desinfektionsmittelständer aufgebaut sind, unterliege der individuellen Umsetzung der Maßnahmen der Betriebe.
Die Maskenpflicht in allen öffentlichen Bereichen gelte dagegen fast überall. Eine Beeinträchtigung des Erholungseffekts für seine Kunden sieht Mario Kragler aber nicht: „Die Masken zum Beispiel muss man ja nicht den ganzen Tag im Zimmer oder am Pool tragen. Es geht eher darum, den Abstand am Pool zu wahren“, erklärt der Büroleiter. Auch die meisten Rezeptionen werden eine Plexiglasscheibe zum Schutz verwenden – „aber das ist ja in Deutschland in vielen Branchen heute auch so.“
Auch das Tragen einer Maske schätzt Mario Kragler mittlerweile als selbstverständlich ein: „Sie ist für viele schon so wie ein Geldbeutel oder ein Schlüssel – etwas, das man immer dabei hat. Damit kann man sich arrangieren.“
Verbindliche Richtlinien für viele Länder wünschenswert
Er erinnert daran, auch das Positive an solche einer Situation zu sehen: Am Buffet habe sich der Hygienestandard zum Beispiel auch verbessert, indem Gäste vor einem meist gleichbleibend großen Angebot individuell Speisen auswählen können und serviert bekommen. Mario Kragler bleibt positiv, wenn er auch einen großen Wunsch hat: „Es wäre gut, wenn es feste Richtlinien für das Reisen geben würde – klar definiert und für viele Länder und Bereiche verbindlich. Auch für die jeweiligen Veranstalter, die müssen nämlich meist sehr kurzfristig auf Änderungen reagieren.“
Ob Inland oder Ausland: Einstellungssache
Auch bei „Die Reise-Insel“ in der Coburger Straße in Lichtenfels läuft die Buchungszeit langsam wieder an – auch hier mit deutlicher Tendenz zur Eigenanreise der Kunden. „Das ist sicher ein Stück Sicherheitsdenken, vor allem von Familien mit Kindern“, weiß Jennifer Wifling. Dafür sprechen auch vermehrte Reservierungen in Deutschlands Norden und Süden, auch nach Italien und Österreich ziehe es ihre Kunden.
Neben Ferienwohnungen oder Appartments mit Tendenz zum Kleinen und Einsamen verzeichne „Die Reise-Insel“ etwa auch eine steigende Anzahl an Bauernhof-Urlauben. „Das man auch so etwas bei uns buchen und meist kostengünstiger haben kann, wissen viele Kunden vielleicht gar nicht.“ Umbuchungen von Frauen und Männern, die in diesen Zeiten lieber innerhalb Deutschlands bleiben möchten, gebe es ebenso. „Andere denken aber auch: Wir müssen gerade jetzt mal raus. Das ist bei Alleinstehenden ebenso wie bei Senioren. Das ist wirklich Einstellungssache.“

Mehrere Kurz-Reisen statt langer Dauer
Bei Flügen im EU-Bereich reduziere sich der Aufenthalt auf eine kürzere Dauer. Für die Wintermonate haben viele Kunden auch schon jetzt Fernreisen gebucht.
Sicher ist: Das Reisen hat sich verändert. Jennifer Wifling hat das Gefühl, von großen langen Reisen werde Abstand genommen. Vielmehr zeigen sich die Kunden mit mehreren kleinen Reisen unternehmungslustig und möchten viel sehen. Sie seien bereit, ihren Urlaub zu stückeln, ab und an eine Städtereise einzustreuen und viele Regionen zu besuchen. Dabei beobachtet auch sie, dass das noch im vergangenen Jahr sehr beliebte Reiseland der Deutschen „Bulgarien“ in diesem Jahr zurückbleibt: „Das Preis-Leistungs-Verhältnis für dieses Land ist unschlagbar. Wir haben dafür auch Buchungen, aber viele sind vorsichtig und möchten vielleicht nicht in ein Flugzeug steigen oder fühlen sich in Spanien oder ähnlichen Ländern sicherer“, beobachtet die Inhaberin der „Die Reise-Insel“.
Für diejenigen, die sich noch uneinig sind, gibt es bei vielen Reiseveranstaltern kulante Stornierungsbedingungen. Andere wiederum halten an getätigten Reisedaten fest. Was häufig möglich ist, seien Reise-Gutscheine für nicht getätigte Aufenthalte oder Umbuchungen der Reisen in das nächste Jahr.

„Ich denke, für unsere Branche wird wenig getan. Das Rettungspaket reicht nicht lange aus. Wenn wir keine Buchungen haben, verdienen wir kein Geld. Das ist eine Durststrecke für uns.“
Jennifer Wilfling, „Die Reise-Insel“
Für die Reisebüros ist die derzeitige Situation dennoch nicht befriedigend. So demonstrierten Reisebüros, Reiseveranstalter und Touristiker etwa vor wenigen Wochen in Frankfurt und Berlin. Zwar seien die meisten Kunden sehr verständnisvoll, so Jennifer Wifling, doch fühle sie sich von der Regierung im Stich gelassen: „Ich denke, für unsere Branche wird wenig getan. Das Rettungspaket reicht nicht lange aus. Wenn wir keine Buchungen haben, verdienen wir kein Geld. Das ist eine Durststrecke für uns.“ Sie kennt leider viele Reisebüros, die auf Grund dieser Problematik schon schließen musste.
Egal, ob Nordsee, Spanien oder Übersee: Der Erholungswert einer Reise gehe durch die Corona-Bestimmungen nicht verloren. In vielen Dingen, wie etwa der Maskenpflicht, sei man aus dem Alltag heraus schon darauf eingespielt. Beim Essen in einem Restaurant bleibe eben auch im Urlaub jeder 2. Tisch leer, am Pool habe man statt zusammengeschobenen wechselnden Liegen eben zwei feste und einen Schirm für die Familie, zählt Jennifer Wifling auf.