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LICHTENFELS: Schicksale dürfen nicht vergessen werden

LICHTENFELS

Schicksale dürfen nicht vergessen werden

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    Die Zäune des abgebauten „Eisernen Vorhangs“ wurden ab der Grenzöffnung 1990 für landwirtschaftliche Tierställe genutzt und sind im ehemaligen Grenzgebiet nicht mehr zu sehen.
    Die Zäune des abgebauten „Eisernen Vorhangs“ wurden ab der Grenzöffnung 1990 für landwirtschaftliche Tierställe genutzt und sind im ehemaligen Grenzgebiet nicht mehr zu sehen. Foto: red

    Nicht nur die Menschen, die dort wohnen, bewegt das Thema „Frühere innerdeutsche Grenze im Bereich Franken-Thüringen“. Vor allem der Bereich Neustadt-Coburg-Sonneberg wurde jüngst im einem CHW-Online-Vortrag behandelt. Vor über 250 Teilnehmern referierte der Sonneberger Journalist und Kreisheimatpfleger des Landkreises Sonneberg, Thomas Schwämmlein, für die CHW-Ortsgruppe Redwitz.

    Als wandelndes Lexikon des Sonneberger Landes ist er schon bezeichnet worden. Es war teils verblüffend, was Schwämmlein zu „Relikten eines Unrechtstaates“ ausführen konnte. Gerade im baulichen Bereich ist ja von der "Zonengrenze“, wie sie im Westen genannt wurde, nicht mehr viel übrig geblieben.

    Auf der fränkischen Seite sind fast alle Spuren verwischt

    Auf der fränkischen Seite, parallel zur ehemaligen innerdeutschen Grenze, erinnert nichts mehr an diese Trennungslinie. Die Natur hat fast alle Spuren überwuchert. Das „Grüne Band“ kommt immer mehr zum Ausdruck.

    Die Auseinandersetzung mit diesem Thema begann im Bereich Sonneberg mit dem Landesverein für Heimatpflege Thüringen im Jahre 2009. Mit dem Fall der Mauer ging der Fall des „Eisernen Vorhangs“ einher. Die erlebbare Grenzöffnung 1989 bedeutete auch für Sonneberg das Ende einer fast 45-jährigen Epoche. Auch in den Grenzstädten und -orten sei die „Revolution“ in geschützten Räumen, meist Kirchen, vonstatten gegangen, so Schwämmlein. Der Kollaps der DDR sei durch die Ostöffnung beschleunigt worden.

    Zur Vorgeschichte des Mauerbaus und der Grenzzäune

    Ein markantes Überbleibsel: die Sperrmauerreste bei Görsdorf-Schalkau.
    Ein markantes Überbleibsel: die Sperrmauerreste bei Görsdorf-Schalkau. Foto: red

    Das sichtbarste Resultat der deutsch-deutschen Trennung nach dem Zweiten Weltkrieg sei der entstandene Grenzstreifen zwischen Thüringen und Bayern gewesen, den man laut Rolf Schwämmlein als Kulturdenkmal bezeichnen kann. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die Alliierten das deutsche Reich in Besatzungszonen eingeteilt. Bayern gehörte zur amerikanischen, Thüringen zur sowjetischen. Die festgelegte Demarkationslinie habe zu Spannungen geführt und die Flucht von Osten in Richtung Westen befördert. Ebenso die Gründung zweier Staaten (Staatsysteme) in 1949.

    1952 wurde laut dem Referenten der Kreis Sonneberg aufgelöst. Der Grenzbereich um Sonneberg sei nach einer Verordnung mit Bau eines zehn Meter breiten Sicherheitsstreifens, von einem 500 Meter breitem Schutzstreifen und einem fünf Kilometer breiten Sperrgebiet manifestiert worden. Viele Sonneberger hätten sich der Gängelung durch Flucht in den Westen entzogen. 500 Personen aus dem Kreis hätten Anfang Juni ihre Heimat Richtung Westdeutschland verlassen.

    Düsteres Kapitle: Aktion „Ungeziefer“

    Der Sonneberger Journalist und Kreisheimatpfleger des Landkreises Sonneberg, Thomas Schwämmlein, bei seinem Vortrag.
    Der Sonneberger Journalist und Kreisheimatpfleger des Landkreises Sonneberg, Thomas Schwämmlein, bei seinem Vortrag. Foto: red

    Eine erhebliche Zahl Sonneberger Bürger wurde während des Bestehens der DDR zwangsweise umgesiedelt. Im Rahmen der Aktion „Ungeziefer“ seien bereits 1952 viele Einwohner in andere Bereiche der DDR gebracht, ja regelrecht deportiert deportiert worden, berichtete der Journalist. Eine systematische Vertreibung aus dem Grenzgebiet - rund ein Drittel des Sonneberger Gebietes sei für Menschen nicht mehr zugänglich gewesen. Eine Übertretung der geschaffenen Grenze hat als Straftat gegolten.

    Ab 1961 wurde sie laut Kreisheimatpfleger als Staats- oder Zonengrenze definiert und vom Ministerium der Inneren Sicherheit den „Grenztruppen der DDR“ unterstellt. Dabei sei die Grenze regelrecht ausgebaut worden. Komplexe Sperranlagen aus Wachtürmen, Stacheldraht-Zäunen, Minen-bereichen, Mauerabschnitten, Sperrgräben und Befehlsstellen seien nicht nur im Bereich Sonneberg-Coburg entstanden, sondern vom Vogtland bis zur Ostseeküstem, also über eine Länge von knapp 1400 Kilometern. Im Westen habe man dies mit Warnschildern angezeigt.

    Ab 1990 wird der verhasste Zaun regelrecht geplündert

    Ab 1990, nach der Wiedervereinigung, sei die Grenze regelrecht geplündert worden. Der verhasste Zaun habe in der Landwirtschaft Verwendung gefunden. Übrig gebliebene Teile sollten als Kulturdenkmäler erhalten werden, da ein öffentliches Interesse bestehe. Dieses Ziel sei schon bald formuliert worden, erinnerte Schwämmlein.

    Schwarz-Rot-Goldene Grenzsteine gibt es noch im ehemaligen Grenzbereich von Sonneberg
    Schwarz-Rot-Goldene Grenzsteine gibt es noch im ehemaligen Grenzbereich von Sonneberg Foto: red

    Diese Relikte erinnern nun in oder als Museen an diese zeit der Teilung. In ein paar Jahren werden diese sicherlich der Denkmalspflege unterliegen, meinte der Referent. Bei Vermessungen sei festgestellt worden, das noch einige Grenzsteinen mit der Aufschrift DDR vorhanden sind. Ebenfalls stünden noch schwarz-rot-goldene Hoheitssäulen an verschiedenen Stellen.

    Sperrmauern waren immer „Freundwärts gerichtet“

    Markantere Überbleibsel seien die Sperrmauer-Reste bei Görsdorf-Schalkau, wo auch eine Hochsicherheitsanlage gestanden habe. Diese sei oben mit einem Asbestrohr versehen. Die Menschen sollten keinen Halt finden, um sich rüberziehen zu können. Diese Anlagen seien, wie es im Ostjargon hieß, immer „Freundwärts gerichtet“ (nach innen gerichtet) gewesen. Sie hätten den Zweck gehabt, dass niemand heraus konnte, und seien nicht als Schutz vor dem Westen gebaut worden, stellte der Referent klar.

    Eine ähnliche Mauer wurde 1980 in Heinersdorf errichtet. Wobei diese ihr Regime 30 Jahre überlebte, aber inzwischen Standprobleme habe, was den Erhalt nicht gerade erleichtere. Was in Heinersdorf auch noch stehe, sei eine Fluss-Sperre. Gebaut, damit nicht jemand über den Fluss Tettau in die BRD flüchten konnte.

    Ehemalige DDR- Grenztruppenführungsstelle, die zur Koordinierung der  Überwachung in Grenzabschnitt diente.
    Ehemalige DDR- Grenztruppenführungsstelle, die zur Koordinierung der Überwachung in Grenzabschnitt diente. Foto: red

    In Neuenbau stehe auch noch ein größeres Relikt, berichtete der Experte. Hier sei in der 1970-er Jahren eine Führungsstelle entstanden, zur Koordinierung der der Überwachung in dem Grenzabschnitt. Darin hätten sich ein Bereitschaftsraum mit Schlafstellen, ein Bunker und ein Unterstand für einen Mannschaftstransportwagen befunden. Dies sei eines der wenigen erhaltenen Gebäuden dieser Art. Übrig geblieben sei auch das Kontrollstellenhäuschen der Volkspolizei in Blechhammer beim Zugang des ehemaligen Sperrgebietes.

    Zum Teil wurden ganze Orte dem Erdboden gleich gemacht

    Schon zu DDR-Zeiten habe es aber auch Abbrüche, zum Teil von ganzen Orten gegeben, was für die Anwohner den Verlust ihrer Heimat bedeutete - etwa der Abbruch der Grenzbergmühle bei Heubisch.

    Gedenkstein Liebau Heute erinnert eine Gedenktafel, umgeben von Feldern, an das alte Dorf das abgerissen wurde.
    Gedenkstein Liebau Heute erinnert eine Gedenktafel, umgeben von Feldern, an das alte Dorf das abgerissen wurde. Foto: red

    In Liebau setzte 1952 wie beschrieben eine Massenflucht ein. Die restlichen Bewohner seien umgesiedelt und der Ort abgebrochen worden. Nur noch ein Gedenkstein erinnere heute noch daran. Ebenso sei es in Koberoth und beim Einzelgehöft Christiansgrün verlaufen. Hier seien nur noch ein paar steinerne Mauerreste zu sehen, berichtete der Referent.

    Am 1. Juli 1990 unterzeichneten die beiden Innenminister Peter Michael Diestel (DDR) und Wolfgang Schäuble (BRD) an der „»Gebrannten Brücke“, dem ehemaligen Grenzübergang Hönbach-Sonneberg den Staatsvertrag über die Abschaffung der Personenkontrollen an der innerdeutschen Grenze. Jedoch erinnere außer zwei Informationstafeln nichts mehr daran, bedauert der Kreisheimatpfleger.

    Wie mit der Denkmalpflege im Zusammenhang deutsch-deutscher Geschichte umgegangen werde, liege an der Gesellschaft selbst. Dass zum Beispiel zum ursprünglichen Datum der Kirchweihfeier im abgerissenen Ort Liebau alljährlich ein Gedenkgottesdienst abgehalten werde, sei wie andere private Initiativen sehr zu begrüßen. Vergessen werden dürften menschliche und bauliche Schicksale der innerdeutschen Grenze nicht, betonte Schwämmlein am Ende.

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