Dass die geschichtsträchtige Villa Bamberger in der Kronacher Straße 21 wieder veräußert wird, dürfte sicher sein: Die Stadt Lichtenfels, seit 2019 die Besitzerin, möchte das besondere Gebäude in private Hände geben, da sich keine finanziell tragfähige Nachnutzung realisieren lässt (diese Redaktion berichtete). Doch längst nicht alle Parteien und Wählervereinigungen sind für den Verkauf: Die SPD im Stadtrat stellt sich vehement dagegen, ist aber mit ihrem Veto aber nicht das Zünglein an der Waage.
SPD: gegen den Verkauf
„Wir waren und wir sind gegen den Verkauf des Anwesens Kronacher Straße 21, besser bekannt auch als Villa Bamberger oder Sonnenhaus“, bekräftigt Arnt-Uwe Schille, Fraktions-Chef der SPD im Stadtrat, auf Nachfrage dieser Redaktion. Das hätten die Sozialdemokraten auch schon bei einer Presseanfrage im Oktober 2022 bekräftigt. Die Geschichte der Villa sei untrennbar mit der Familiengeschichte des Korbwarenfabrikanten Otto Bamberger verbunden, der das Haus erbauen ließ.

„Das Sonnenhaus repräsentierte in den 1920-er-Jahren den Zeitgeist einer freiheitlichen, global orientierten Demokratie“, so Schille. „Aufgrund ihrer politischen und gesellschaftlichen Überzeugungen und ihrer Religionszugehörigkeit wurden die Erbauer und Bewohner des Sonnenhauses vom nationalsozialistischen Regime gedemütigt, verfolgt, beraubt, vertrieben und inhaftiert. Deshalb sollte das Haus unserer Ansicht nach eine angemessene Würdigung durch eine entsprechende konzeptionelle Nutzung durch Stadt und Landkreis erfahren.“
Aus diesen Gründen sei der Kauf durch die Stadt im Jahr 2019 kein Fehler gewesen, so Schille, „sondern eine einmalige Chance, die leider nicht genutzt wurde. Wohl auch, weil der Stadt die personellen und finanziellen Kapazitäten fehlten und fehlen.“ Die weitere Zukunft des Sonnenhauses sei, abgesehen von denkmalschützerischen Vorgaben durch die Stadt Lichtenfels, kaum noch mehr steuerbar, da der Verkauf beschlossen wurde. „Dies bedauern wir sehr“, schließt Arnt-Uwe Schille.
CSU: für den Verkauf
„Der CSU-Stadtratsfraktion ist sich der geschichtlichen Bedeutung des Gebäudes Kronacher Straße 21 sowohl im Hinblick auf den Baustil und insbesondere im Hinblick auf die NS-Vergangenheit, wohl bewusst“, antwortet Robert Gack für die Stadtratsfraktion der CSU. „Wir sehen uns auch der Erinnerungskultur verpflichtet.“ Dieser Erinnerungskultur habe die Stadt unter anderem durch den Erwerb und Ausbau der ehemaligen Synagoge mit Kosten von über einer Million Euro sowie der Verlegung von Stolpersteinen Rechnung getragen.
Jedoch: „In der vergangenen Stadtratssitzung wurde die sehr schwierige finanzielle Situation der Stadt Lichtenfels dargestellt. Mammutaufgaben wie die Grundschule Leuchsental, die deutliche Verbesserung der Kinderbetreuungs- und Schulsituation, die Generalsanierung Herzog-Otto-Mittelschule und der Hochwasserschutz stehen an“, so Gack. „Sie lassen es nicht zu, dass wir auf den Verkauf des Gebäudes verzichten, da damit der Haushalt mit mehr als 500.000 Euro belastet würde, einschließlich erforderlicher Umbaumaßnahmen.“

Insofern erübrige sich für die Christsozialen auch die Frage nach einem Nutzungskonzept, „da alle möglichen sinnvollen Nutzungskonzepte wiederum zu jährlichen Fehlbeträgen führen würden, wie beispielsweise die ehemalige Synagoge einen Fehlbetrag von 50.000 Euro verursacht.“ Gack betont darüber hinaus, dass die Stadt beim Verkauf grundbuchsicher festlegen müsse, dass der Käufer mit seiner Nutzung der historischen Bedeutung gerecht werde.
Freie Wähler: für den Verkauf
„Wir Freie Wähler sind dafür, dass das Anwesen verkauft wird“, sagt Eduard Meixner, der neue Fraktionsvorsitzende der Freie Wähler im Stadtrat. „Das haben wir auch bereits in einer Sitzung signalisiert.“ Aufgrund der historischen Bedeutung sei es schwierig und zu teuer, ein Nutzungskonzept zu finden. „Ich finde aber nicht, dass der Kauf ein teurer Fehler war, denn schließlich war das Gebäude für einen Kinderhort gedacht.“ Seit Frühjahr 2019 ist die Stadt die Eigentümerin, der Kaufpreis dürfte ein mittlerer sechsstelliger Betrag gewesen sein. Der Plan, hier einen Kinderhort einzurichten, scheiterte jedoch. „Als Vorgabe sollte dem Käufer gemacht werden, dass er das historische Gebäude in seiner Art innen wie außen erhalten muss“, fordert Meixner.
Grüne: für den Verkauf
„Was spricht dagegen, ein Haus, das zu Wohnzwecken geplant wurde, künftig zu Wohnzwecken zu nutzen?“, stellt Dr. Susann Freiburg, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, in den Raum. Sie verweist auf ihre noch immer gültige Aussage aus dem Oktober 2022: „Wir Grüne sind über den aktuellen Leerstand des Anwesens nicht glücklich, denn ein Gebäude, das nicht genutzt wird, leidet.“ Ein weiterer, jahrelanger Leerstand werde den Gebäudewert nicht steigern, sondern vielmehr senken. „Das kann nicht gewollt sein, denn das Haus ist ein architektonisches Schmuckstück!“
Schon in 2022 sagte Freiburg: „Sollte es nicht gelingen, das Gebäude binnen Jahresfrist einer öffentlichen Nutzung zuzuführen, dann ist es aus unserer Sicht angezeigt, das Gebäude zu verkaufen. Es könnte dann, seinem ursprünglichen Zweck entsprechend, zu Wohnzwecken genutzt werden.“
Denn: „In Anbetracht der dramatischen Haushaltslage der Stadt ist es nun allerhöchste Zeit, das Gebäude auf den Markt zu bringen. Für die Kommune ist es wichtiger, Pflichtaufgaben zu erfüllen, als sich einen weiteren kostspieligen Klotz ans Bein zu binden.“ Ob der Kauf ein teurer Fehler gewesen ist, könne sie erst beurteilen, wenn ein Käufer gefunden ist. „Ein aufwendiges Nutzungskonzept sollte vom Käufer nicht gefordert werden“, meint sie. „Eine Nutzung als Wohnraum wäre auf jeden Fall passend. Wir Grüne wünschen uns, dass weiterhin die Geschichte der Familie Bamberger sichtbar ist, zum Beispiel durch eine Gedenktafel.“
JB: ein Ja mit Bauchschmerzen
„Ich selbst bin großer Fan der Kronacher Straße 21“, bekennt Sebastian Alsdorf (Junge Bürger). „Der künstlerische Geist, der die Epoche prägte, in der August Berger das Sonnenhaus entwarf und in welcher Erich Dieckmann das Interieur einfügte, gehört meiner Meinung nach zu den wichtigsten Errungenschaften des frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland.“ Die ganze Welt blickte auf den Jugendstil und auf das Bauhaus – und tue sie auch heute noch.
„Auch die Familie Bamberger, die unbestreitbar ein wichtiger Teil unserer Lichtenfelser Geschichte war – sei es wegen der Korbflechterei oder der Förderung verschiedener zeitgenössischer Künstler durch den Kunstmäzen Otto –, war in vieler Hinsicht ein Gewinn für unsere Korbstadt“, fährt er fort. „Die 1930-er-Jahre und die NS-Zeit haben diese progressive Familie leider aufgehalten, und sie erlitten wie viele andere ein tragisches Schicksal. Somit bin ich mir der geschichtlichen Verantwortung des Hauses bewusst, und ein Verkauf fällt mir schwer.“
Dass die aktuelle finanzielle Lage in der Stadt nicht rosig sei, so Alsdorf, dürfte kein Geheimnis sein. „Einem Verkauf sehe ich weiterhin mit Bauchschmerzen entgegen, werde aber aufgrund der angespannten Lage bei einem passenden Interessenten dem Verkauf zustimmen.“
Es wäre ihm lieber gewesen, die Immobilie zu behalten und gegebenenfalls beim Bauhaus Weimar anzufragen, ob Interesse bestünde, gemeinsam mit der Stadt Lichtenfels das Sonnenhaus wieder mit dem Bauhaus-Interieur auszustatten. „Dieses Haus könnte dann als architektonischer Höhepunkt an Tagen wie dem Korbmarkt, dem Gedenken an die Reichspogromnacht oder der Museumsnacht geöffnet und im Rahmen von Führungen zugänglich gemacht werden.“
Des Weiteren könnte man das Gebäude an bestimmten Terminen für Schulklassen oder ähnliche Gruppen öffnen. „Hierzu würde sich auch die Achse der Kronacher Straße in Richtung Marktplatz eignen. Man könnte sich mit dem neuen Architektur-Highlight ,Archiv der Zukunft‘ von Peter Haimerl abstimmen und Führungen für Architekturbegeisterte anbieten.“
Allerdings, so denkt Alsdorf, sei all dies vielleicht ein wenig zu spät. „Wenn sich kein großzügiger Förderer findet, der ein solches Projekt unterstützen würde, ist es an der Zeit, nach vielen Reden ohne Ergebnis dieses Prachtstück jemandem zu übergeben, der ihm wieder Leben einhaucht“, findet er. „Das hat die Sonnenvilla meines Erachtens verdient.“
WLJ: für den Verkauf
„Die WLJ stimmt dem Verkauf der Kronacher Straße 21, unter Berücksichtigung ihrer geschichtlichen Bedeutung, zu“, antwortet Roland Lowig, Fraktionsvorsitzender der Wählervereinigung Leuchsental Jura. „Die Stadt kann, aus finanziellen Gründen, keine würdige Nutzung stemmen.“ Der geplante Kinderhort konnte leider nicht realisiert werden, da die Umbaukosten zu hoch gewesen wären. „Beim Verkauf der Villa Bamberger sollte darauf geachtet werden, dass die Nachnutzung in verantwortungsvolle Hände gelegt wird. Wir können uns vorstellen, dass ein Teil des Verkaufserlöses zum Gedenken von jüdischen Einrichtungen verwendet wird.“
AfD: keine Antwort
Diese Redaktion hatte auch bei Heike Kunzelmann, der AfD-Stadträtin, und beim Kreisvorstand um Theo Taubmann angefragt und mehrmals um eine Stellungnahme gebeten. Es gab keinerlei Reaktion.