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LICHTENFELS: Sonnenhaus: Stadt Lichtenfels will Villa Bamberger verkaufen

LICHTENFELS

Sonnenhaus: Stadt Lichtenfels will Villa Bamberger verkaufen

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    Die Stadt Lichtenfels möchte das Anwesen Kronacher Straße 21 wieder veräußern.
    Die Stadt Lichtenfels möchte das Anwesen Kronacher Straße 21 wieder veräußern. Foto: Markus Drossel

    Nun also doch: Schon im Herbst – kurz vor der neuerlichen Verlegung von Stolpersteine und dem Besuch einer großen Delegation von Nachfahren einstmals jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger – hatte es Gerüchte gegeben, dass die Stadt die geschichtsträchtige Villa Bamberger verkaufen wolle. Als diese Redaktion im Rathaus nachfragte, waren die Antworten damals eher ausweichend. Jetzt aber gibt es keinen Zweifel mehr daran: Das Anwesen Kronacher Straße 21 soll veräußert werden.

    „Die Stadtverwaltung und der Stadtrat der Stadt Lichtenfels haben im Rahmen der Haushaltsberatungen und im Zuge der notwendigen Haushaltskonsolidierung die Möglichkeit der Veräußerung von städtischen Gebäuden und Liegenschaften diskutiert, dabei auch des Anwesens Kronacher Straße 21, des Sonnenhauses“, antwortet Zweiten Bürgermeisterin Sabine Rießner (CSU) in Vertretung von Bürgermeister Andreas Hügerich. „Sowohl die Verwaltung als auch der Stadtrat sind sich bei einer möglichen Veräußerung des Anwesens bewusst, dass hier anders als bei normalen Wohnimmoblilien ein sensiblerer Umgang notwendig ist.“ Die Villa ist also ein besonderer Ort. „Der Stadtrat der Stadt Lichtenfels hat nach sorgfältiger Prüfung und eingehender Beratung die Verkaufsabsicht beschlossen, wenn ein angemessenen Kaufangebot abgegeben wird“, so Rießner weiter.

    „Deshalb sollen demnächst auch Kriterien zur Veräußerung in einer öffentlichen Stadtratssitzung diskutiert und festgelegt werden.“ Dabei sei die Stadtverwaltung in stetigem Austausch mit den Nachkommen von während der NS-Diktatur ermordeten oder vertriebenen jüdischen Lichtenfelsern, heißt es auf Nachfrage dieser Redaktion, insbesondere im Hinblick auf die Kronacher Straße 21 mit der Familie Bamberger. Doch wie veräußert man so eine Immobilie? „Ein Verkaufsinserat würde wie üblich auf der Internetseite der Stadt Lichtenfels veröffentlicht werden, wenn alle notwendigen Vorarbeiten dazu geleistet sind.“

    Ursprüngliche Pläne scheiterten

    Ursprünglich war geplant, das Gebäude für eine Kinderbetreuungseinrichtung zu nutzen. „Leider mussten diese Pläne aufgrund unverhältnismäßig hoher Umbau- und Sanierungskosten verworfen werden“, bedauert die Zweite Bürgermeisterin. „Trotz intensiver Bemühungen konnte für das Gebäude keine tragfähige Nutzung gefunden werden, die der Bedeutung des Gebäudes gerecht wird und auch den finanziellen Rahmen der Stadt berücksichtigt.“ Mit der Folge, dass das Haus steht seit Jahren leer steht.

    „Uns als Stadt ist es ein großes Anliegen, dass die Immobilie einer sinnvollen Nutzung zugeführt wird und in verantwortungsvolle Hände übergeht“, betont Rießner. Dabei stehe für uns der Erhalt des Gebäudes im Vordergrund.

    „Wir wissen um die historische Bedeutung des Hauses und um die Schicksale der früheren jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner, fügt sie an. „Die Erinnerung an sie bleibt für uns Verpflichtung und Verantwortung zugleich.“ Doch gelebte Erinnerungskultur zeige sich nicht allein in einem Gebäude, „sondern in den vielfältigen und tief verankerten Initiativen, mit denen wir uns in Lichtenfels dem Gedenken an unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger widmen.“

    Der Erinnerung verpflichtet

    Über Jahre hinweg würden die Stadtveranwortlichen einen engen Austausch mit den Nachfahren jüdischer Familien pflegen, wie beispielsweise Marx, Kohn, Kraus, Pauson und Bamberger. Zahlreiche Besuche von Nachkommen in Lichtenfels, vier Stolpersteinverlegungen sowie regelmäßige Gedenkfeiern zum Holocaust-Gedenktag und zur Pogromnacht oder Vorträge des CHW zur jüdischen Geschichte seien fester Bestandteil des Erinnerns. „Die ehemalige Synagoge und der jüdische Friedhof sind wertvolle Orte des Gedenkens, die zum Innehalten einladen und von der Stadt Lichtenfels gepflegt und unterhalten werden.“

    Stolpersteine weisen auf die früheren Besitzer hin.
    Stolpersteine weisen auf die früheren Besitzer hin. Foto: Markus Drossel

    Besonders stolz sei die Stadt laut Rießner auf die intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte. Die Stadt Lichtenfels sei Teil der Projektgruppe „EKU Obermain & CO KC“ und wurde für ihre Ausstellung „Da49, da 512: Züge in den Tod“ mit dem renommierten Wilhelm Freiherr von Pechmann-Preis ausgezeichnet. „Diese lebendige Erinnerungskultur wollen wir weitertragen – auch unabhängig von der Alltagsnutzung einzelner Gebäude“, bekräftigt die Zweite Bürgermeisterin. Es gebe viele Möglichkeiten, Wohnhäuser früherer jüdischer Familien in das Gedenken einzubinden. Digitale Formate oder andere historische Dokumentationen könnten dies begleiten.

    „Fällt dem Stadtrat nicht leicht“

    Zurück zum Sonnenhaus: „Der Verkauf der Immobilie Kronacher Straße 21 fällt dem Stadtrat und der Stadtverwaltung nicht leicht“, lässt Rießner durchblicken. „Dies aber ist eine sachliche Entscheidung im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung.“ Die Stadt Lichtenfels verfüge aktuell nicht über die finanziellen Mittel, das Gebäude in Wert zu setzen, zu pflegen und zu unterhalten. Eine sinnvolle öffentliche Nutzung zu vertretbaren Kosten zeichne sich nicht ab. Daher habe sich der Stadtrat aus wirtschaftlicher Verantwortung zu diesem Schritt entschlossen.

    „Unser klares Ziel bleibt: Das Erinnern wachzuhalten – würdevoll, vielfältig und mit einer tiefen Verpflichtung gegenüber der Geschichte unserer Stadt“, fügt sie an. „Das Anwesen in der Kronacher Straße 21 wird Teil der Erinnerungsarbeit bleiben, auch wenn es privat genutzt wird.“

    Durch das Frühlingsgrün auf das Obergeschoss geblickt.
    Durch das Frühlingsgrün auf das Obergeschoss geblickt. Foto: Markus Drossel

    Über den Kaufpreis von 2019 hat die Stadt übrigens nach wie vor den Mantel des Schweigens gelegt. Es soll aber wohl ein mittlerer sechsstelliger Betrag gewesen sein. Auch zum möglichen Verkaufspreis möchte sich die Rathausverwaltung auf Nachfrage dieser Redaktion nicht äußern, ebenso wenig zu bisherigen Unterhaltskosten.

    Zur Geschichte der Villa Bamberger Seit 2019 ist die Stadt Lichtenfels Eigentümerin des Hauses, das für das Architekt August Berger 1913 verantwortlich zeichnete und damit einer der der wichtigsten Vertreter des späten Jugendstils in Oberfranken. Auftraggeber war der jüdische Lichtenfelser Kaufmann Otto Bamberger. Der Kunstsammler und seine Familie bewohnten die Villa bis 1933, bis zum Tod des Hausherrn. Die Bamberger waren jüdischen Glaubens, SPD-Mitglied Otto Bamberger starb im Alter von 48 Jahren in Baden-Baden, als er während eines geschäftlichen Aufenthalts in Frankfurt am Main von der SA in „Schutzhaft“ genommen und verhört worden war. Das war 1933, im Jahr der Machtergreifung Hitlers. Seine Witwe Henriette und ihr Sohn Klaus flüchteten vor dem Terror-Regime in die Vereinigten Staaten: In der Kronacher Straße, die bald Adolf-Hitler-Straße heißen sollte, waren sie nicht mehr sicher. In einer zu Ehren des „Führers“ gewidmete Straße sollten sowieso keine Juden mehr leben.

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