1000 Seiten ist der Bericht des Verfassungschutzes lang. In seiner Folge wurde 2021 die AfD von einem „rechtsextremistischen Prüffall“ zum „rechtextremistischen Verdachtsfall“ hochgestuft. Im Portal netzpolitik.org wurde das Schriftstück nun online veröffentlicht. Erwähnung finden darin die oberfränkische Landtagsabgeordneten Florian Köhler aus Bamberg und der Kronacher Harald Meußgeier. Zu Meußgeiers Wahlkreis gehört auch Lichtenfels.
Der Vorsitzende des AfD-Kreisverbands Coburg-Kronach gilt laut dem Bericht als ein Politiker, der bestens in den Sozialen Medien vernetzt ist. Er gehört zu den AfD-Politikern mit den meisten Verbindungen zu Profilen rechtsextremistischer Organisationen und Personen. Beiträge von AFD-Spitzenpolitiker Björn Höcke, der laut Gerichtsbeschluss als Faschist bezeichnet werden darf, postete der 62-Jährige dabei ebenso, wie die der als rechtsextrem eingestuften Publikation „Compact“.
Gegen Islam-Unterricht
Der Fränkische Tag, der den Beitrag von netzpolitik.org bereits aufgriff, weist zudem auf einen Facebook-Post aus dem Jahr 2019 hin. Im März sagte Meußgeier zu einer Verlängerung des „islamischen Unterrichts in Bayern“ gegenüber dem Nachrichtenportal infranken.de: „Wir müssen uns nur darüber im Klaren werden, dass der Islam erstens keine Religion ist und zweitens keinen Frieden und Barmherzigkeit beinhaltet. Egal wo der Islam weltweit ist, gibt es Angst, Frauenverachtung, Morde und Terror.“
In den Worten des 62-Jährigen sieht das Bundesamt eine gefährliche Pauschalisierung. Nicht nur, dass dem Islam abgesprochen wird, eine Religion zu sein. Die Weltreligion wird ausschließlich mit Angst, Frauenverachtung, Mord und Terror in Zusammenhang gebracht. Bei dem Projekt handelt es sich übrigens um einen Islamunterricht, bei dem gerade die grundgesetzliche Werteorientierung ein Fundament bildet.
Als im August 2019 ein 32-jähriger Jordanier seinen Mitbewohner mit einem Samurai-Schwert auf offener Straße tötet, bringt Meußgeier ebenfalls Migranten generell in Misskredit. Er postet: „Ich habe das Video von dieser eiskalten Tat gesehen und muss mir nun langsam die Frage stellen, sind diese Migranten alle tickende Zeitbomben? Sind doch alle psychisch labil und traumatisiert, die können doch nichts dafür! Für mich steht fest, diese Art von Mensch hat kein Recht auf Hilfe. Das ist wirklich unfassbar, wie kann man nur so austicken, das sind doch keine Menschen. Was ich aber fast noch schlimmer finde, ist die Tatsache, dass unsere Altparteien, GEZ, Staatsmedien und die Kirchen das alles noch verharmlosen und beschönigen.“
Grenze überschritten
Für die Verfassungsschützer ist klar, hier wird die Grenze von scharfer Kritik zur Hetze überschritten: Meußgeier „benutzt die grausame Tat, um pauschal alle Migranten als aggressiv, gewalttätig und kriminell darzustellen“.
Das Fazit des 100-seitigen Gutachtens lautet übrigens: Es „liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor“, dass die AfD „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ verfolgt. Diese Anhaltspunkte liegen „von hinreichendem Gewicht und in hinreichender Anzahl“ vor.
Dies gelte auch „unter besonderer Berücksichtigung der Parteienfreiheit“. Besagte Anhaltspunkte machen eine Beobachtung der Partei „erforderlich“. So hat der Verfassungsschutz unter anderem „zahlreiche gewichtige Anhaltspunkte festgestellt, die belegen, dass in der Partei AfD Bestrebungen gegen die Garantie der Menschenwürde“ verfolgt werden. Artikel 1 des Grundgesetzes lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ In der AfD gibt es relevante Bestrebungen gegen diesen obersten Verfassungsgrundsatz.
Ebenso zeigt der Verfassungsschutz verfassungswidrige Fremdenfeindlichkeit in der AfD auf. So werden auf allen Ebenen der Partei Zugewanderte kontinuierlich „pauschal diffamiert und verächtlich gemacht“.
Weiter schreibt die netzpolitik.org-Redaktion: „Mit dem Originaldokument kann sich die Öffentlichkeit selbst eine Meinung bilden. Auf Basis des Gutachtens können Journalisten, Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft weiter recherchieren und aktiv werden. Das ist auch notwendig. Das Gutachten ist bereits vier Jahre alt und untersucht vor allem die Jahre 2019 und 2020. Seitdem ist viel passiert.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stufte die AfD-Jugendorganisation ,Junge Alternative‘ im April 2023 als gesichert rechtsextremistisch ein. Die Landesämter für Verfassungsschutz stufen die AfD-Landesverbände Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen als gesichert rechtsextremistisch ein.
Die AfD-Landesverbände Brandenburg, Bayern, Bremen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Hessen werden als Verdachtsfälle beobachtet. Andere Landesämter sagen nicht öffentlich, ob sie ihren AfD-Landesverband beobachten.
Viele Akteure der Neuen Rechten sind mittlerweile ebenfalls als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Darunter sind das Institut für Staatspolitik, Compact, Ein Prozent, Identitäre Bewegung, Zukunft Heimat, Pegida, PI-News und Arcadi. Der Verfassungsschutz nennt all diese rechtsextremen Organisationen im Gutachten und bezeichnet ihre Verbindungen mit Rechtsextremisten in der AfD als ,strategisch agierende Netzwerke‘.“