Er kommt aus München, ist in seiner Freizeit aber regelmäßig auf fränkischen Fernwanderwegen unterwegs. Nun hat Christian Ruhland den Gottesgartenrundweg Süd im Landkreis Lichtenfels ausprobiert. Für das Obermain-Tagblatt hat er aufgeschrieben, wie er die zwei Tage im Landkreis Lichtenfels erlebt hat.
„,Wallfahrer ziehen durch das Tal mit fliegenden Standarten. Hell grüßt ihr doppelter Choral den weiten Gottesgarten.‘ Dass schon Victor von Scheffel in seinem 1859 verfassten Frankenlied diese Landschaft zwischen Lichtenfels und Weismain besang, lässt für meine Wanderung nur Gutes erwarten.
Der famose Aussichtspunkt am Hohen Rangen

Und tatsächlich erlebe ich auf dem 68 Kilometer langen Gottesgartenrundweg Süd einen Auftakt nach Maß. Gut eine Stunde ist seit meinem Aufbruch in Lichtenfels vergangen. Mehrere kurze Aufstiege führten zunächst über frisch gemähte Wiesen, später durch dichten Wald. Dieser lichtet sich nun wieder und gibt mit dem Hohen Rangen einen ersten famosen Aussichtspunkt frei: Unter mir erstreckt sich das fruchtbare Maintal, darüber thront in der Ferne das imposante Kloster Banz, und fast zum Greifen nah liegt die berühmte Basilika von Vierzehnheiligen vor mir. Im 18. Jahrhundert nach Plänen von Balthasar Neumann gebaut, zieht die barocke Wallfahrtskirche heute jedes Jahr eine halbe Million Besucher aus aller Welt an.
Der nächste Höhepunkt lässt nicht lange auf sich warten: Der 539 Meter hohe Staffelberg, der „Berg der Franken“. Auf seinem markanten Gipfelplateau ist dank Adelgundiskapelle und Staffelbergklause sowohl innere als auch kulinarische Einkehr möglich. Frisch gestärkt mit regionalen Spezialitäten geht es vom Biergarten zum höchsten Punkt. Dort weht auf einem stattlichen Felsblock stolz die fränkische Fahne im Wind. Den beeindruckenden Blick hinab auf Bad Staffelstein verewigte Victor von Scheffel ebenfalls im Frankenlied: ,Zum heil?gen Veit von Staffelstein komm' ich empor gestiegen und seh' die Lande um den Main zu meinen Füßen liegen.‘
Schmucke Dörfer mit Gemütlichkeit und Charme
Nach diesem fulminanten Auftakt verläuft der Gottesgartenrundweg in der Folge etwas beschaulicher. Er passiert immer wieder schmucke Dörfer, die mit urigen Fachwerkhäusern, kleinen landwirtschaftlichen Betrieben und einer geradezu spürbaren Gemütlichkeit einen besonderen Charme verbreiten.

Doch auch dieser Abschnitt bietet Spektakuläres: Hinter Schwabthal öffnet sich der Wald recht unvermittelt zu einer Lichtung, auf der mit dem Kemitzenstein eine außergewöhnliche Felsformation zu Tage tritt. Sie erreicht kaum mehr als Haushöhe, zieht sich dafür aber Dutzende Meter in die Breite. Heute ist dieses zerklüftete Gebilde bei Kletterern beliebt. Doch wer davor steht, kann gut die gängige Vermutung nachvollziehen, dass dieser Ort zu germanischer Zeit als Kultstätte genutzt wurde.
Im Zickzack durch einen märchenhaften Wald
Bald darauf führt der Weg durch das Felslabyrinth von Eichig. Zahlreiche manns- bis haushohe Felsklötze liegen hier ungeordnet neben- und hintereinander, wie aus einem Würfelbecher ausgeschüttet. Über mehrere hundert Meter schlängelt sich der Pfad in kuriosem Zickzackverlauf durch diese bizarre Umgebung, man fühlt sich wie in einem Märchenwald.
Über Bojendorf erreiche ich das Kleinziegenfelder Tal. Es wird seitlich begrenzt von spärlich bewachsenen Wacholderhängen und hoch aufragenden, massiven Kalksteinfelsen, während unten im Talgrund munter das Wasser der Weismain plätschert – ein Anblick wie ein Postkartenmotiv! Kein Wunder, dass dieses Tal heute unter Naturschutz steht. Seine historische Nutzung führen die zahlreichen ehemaligen Getreide- und Papiermühlen vor Augen. Sie dienen heute zum Teil als Gastwirtschaft oder Pension.
Isling überrascht mit Fachwerk und dem „Baum der Bayern“

Es folgt Weismain mit seiner sehenswerten, denkmalgeschützten Altstadt. Ihr Erscheinungsbild wird vom markanten Turm der Pfarrkirche Sankt Martin bestimmt. Der Gottesgartenrundweg verlässt den Ort jedoch schnell wieder und führt über eine schöne Hochfläche auf den Großen Kordigast, einen bekannten Aussichtsberg mit Blick auf Thüringer Wald, Fichtelgebirge und Frankenwald.
Ein paar Kilometer weiter überrascht der kleine Ort Isling. Zahlreiche Fachwerkhäuser prägen das Straßenbild. Der Marktplatz befindet sich auf Kopfsteinpflaster und beherbergt neben der gut instand gehaltenen Pfarrkirche Sankt Johannes Baptista auch die etwa 800 Jahre alte Tanzlinde, die im Jahr 2015 zum „Baum der Bayern“ gewählt wurde. Ein guter Ort also für die letzte größere Pause vor dem Ende der Tour – bis zum Ziel sind es nämlich nur noch zehn Kilometer.
Über schmale, wurzelreiche Pfade zurück nach Lichtenfels
Auf diesen vollzieht sich ein erneuter Landschaftswechsel: Statt offener Höhenzüge und malerischer Dörfer verläuft der Gottesgartenrundweg nun meist durch dichten Wald. Der weiche Boden federt angenehm die Schritte und schluckt Geräusche. Schmale, wurzelreiche Pfade erfordern aber noch einmal etwas Konzentration. Erst bei der Friedenslinde betrete ich wieder offene Umgebung und erblicke bereits die Silhouette von Lichtenfels, wo sich der Kreis schließt und das Ziel der Wanderung erreicht ist.

Der Gottesgartenrundweg Süd hat mir, wie unter einem Brennglas konzentriert, ein überaus sehenswertes und in jeder Hinsicht – landschaftlich, architektonisch, kulinarisch – typisches Stück Franken präsentiert. Victor von Scheffel hat nicht zu viel versprochen.“