Aus stationären Protesten der Corona-Kritiker und -Leugner auf dem Marktplatz sind Protestzüge durch die Kreisstadt geworden, bei denen die Teilnehmer unverfroren Katz und Maus mit der Polizei spielen und deren mutmaßliche Organisatoren den Behörden in den Sozialen Medien eine Nase drehen: Das Aktionsbündnis „Lichtenfels ist bunt“ ist geschockt, wie zahnlos sich Ordnungshüter und Ämter dieser Tage zeigen. Um Zivilcourage einzufordern, wird dieser Tage eine Online-Petition aufgelegt. Darum ging es beim jüngsten virtuellen Treffen.
Ziel ist es, aufzuklären und der (oft schweigenden) Mehrheit, die die Maßnahmen gegen die Pandemie trotz aller Einschränkungen mitträgt, eine Stimme zu geben. Bündnis-Mitglied Carsten Gick hatte sich bereits vor einigen Wochen per Brief an Landrat Christian Meißner (CSU) und Lichtenfels‘ Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD) gewandt. Sein eindrücklicher Appell: Landkreis- und Stadtverwaltung dürften den „Spaziergängern“ nicht unkommentiert das Feld überlassen, sondern müssten endlich tätig werden. Gick war sehr enttäuscht: Vom Landrat erhielt er eine Eingangsbestätigung mit dem Hinweis, dass die Antwort schon etwas dauern könnte, und einige Tage später einen Brief mit wenig konkreten Aussagen. „Auf eine Antwort von Bürgermeister Hügerich warte ich noch immer“, sagte der Lichtenfelser beim Treffen enttäuscht. „Ob das so üblich ist im Lichtenfelser Rathaus?“
Die Polizei an der Nase herumgeführt
Dass die Demonstranten mittlerweile durch die Innenstadt ziehen, könnte für das „bunte Lichtenfels“ auch etwas Gutes haben. „Vielleicht wird es der Polizei nun endlich zu blöd mit der ganzen Geschichte? Vielleicht schreitet sie nun endlich ein“, so die Hoffnung. Auch sie werde ja wie ein Ochse am Nasenring vorgeführt.
Derweil wird Berufskraftfahrer Bernd Grau, der wegen des Teilens von Hitler-Bildern bei Facebook vor Gericht belangt wurde, bei Facebook immer unverblümter. „Ich liebe sie, diese Montage! Warum? Weil man jeden Montag ab 18 Uhr auf dem Marktplatz jede Menge Leute trifft, die sich da rein zufällig aufhalten“, schreibt er (Grammatik, Interpunktion und Rechtschreibfehler von der Redaktion korrigiert) und fügt an: „Nur so, für das Landratsamt Lichtenfels: Das hier ist natürlich kein Aufruf zu einer Versammlung am Montag um 18 Uhr auf dem Marktplatz in Lichtenfels. Ach ja, teilen ist durchaus erlaubt.“ Auch Aussagen wie „Zurück zum Rechtsstaat, Deutschland trifft sich! Jeden Mo 18.00 Uhr! ,Die Zeit der Aufrechten‘“ sind zu lesen. Und dass der Rosenmontag schon jetzt „in meinem Kalender“ ein dickes Kreuz habe.
„Also, wenn das kein Aufruf zu Demonstrationen ist, was dann?“, fragen die Bündnismitglieder kopfschüttelnd. „Das ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten!“ Den Autor dieser Zeilen und das Aktionsbündnis bezeichnet Grau außerdem als „Hexenverbrenner“ und „Judenmörder der 2020er“. Die strafrechtliche Relevanz dieser Beschimpfungen und Verharmlosung des Holocausts wird bereits geprüft.
Noch immer werden bunte Hände aufgehängt
Das Aktionsbündnis „Lichtenfels ist bunt“ ist hin und her gerissen. Allzu gerne würde man montags auf dem Marktplatz „Gesicht“ zeigen. Inmitten der Pandemie mit rasant steigenden Ansteckungsraten aber klar das falsche Mittel der Wahl. Gut fanden die Bündnismitglieder eine Aktion mit braunen Tonnen im Landkreis Bamberg, die sozusagen als „stilles Geleit“ am Rande der Protestzüge aufgestellt wurden – oder auch als Ablage für braunes Gedankengut. „Leider aber haben wir im Kreis Lichtenfels diese Tonnen nicht.“ Sprecherin Anne Salzbrenner freute sich, dass aufgrund des jüngsten Presseberichts über „Lichtenfels ist bunt“ die Aktion der bunten Hände noch einmal richtig Schwung bekommen habe. „Etliche ältere Bürger haben sich daraufhin noch einmal welche abgeholt.“

Sandra Nossek bedauerte, dass es mittlerweile nicht nur in Lichtenfels, sondern auch in Michelau oder auch Bad Staffelstein diese Proteste der Corona-Kritiker und -Leugner gebe. „Wir als Stadträte sollten uns dringend überlegen, wie sich Bad Staffelstein demgegenüber positionieren kann und was wir tun können“, forderte die Stublangerin. Auch Michelau, so Joanna Blößl, tue gut daran, das nicht unkommentiert stehen zu lassen.
Beate Ehl informierte über eine Kerzen-Aktion in Coburg: Für jeden an oder mit Corona Verstorbenen der Stadt brannte ein Licht. Beindruckend und bedrückend zugleich sei das gewesen. Bei der Demonstration selbst hätten Corona-Leugner dann versucht, die Menschen auf dem Marktplatz einzuschüchtern. Und auch „Lichtenfels ist bunt“ hat schon so manche Idee, wie den Schwurblern und Verharmlosern der Pandemie ein deutliches Signal entgegengesetzt werden könnte. „In Coburg hingen Plakate für Demokratie und Solidarität am Rathaus und an den städtischen Gebäuden“, so Ehl. Der Bürgermeister hatte also Rückgrat bewiesen. Ähnliche Zeichen würde sich das „bunte Landkreis“ auch von hiesigen Volksvertretern wünschen.
Entscheider sollen ganz vorne stehen
Arnt-Uwe Schille hat federführend die eingangs erwähnte Petition für mehr Solidarität ausgearbeitet. Pate stand dabei die Schweinfurter Erklärung. „Unser erklärtes Ziel ist es, dass sie zunächst möglichst viele Stadt-, Gemeinde- und Kreisräte unterschreiben, ehe wir dann damit online gehen“, so Schille. „Ebenso gerne aber auch Geistliche oder Vertreter von Vereinen und aus der Wirtschaft.“ Bewusst habe man das Wort Solidarität verwendet, dass auch die Querdenker immer wieder einfordern: „Wir dürfen uns unsere Wörter nicht stehlen lassen“, brachte es ein Teilnehmer des Treffens auf den Punkt. Die Online-Petition kann und soll dann auch jede Interessentin oder jeder Interessent unterzeichnen.