Wollte ein 53-Jähriger am vergangenen Faschingsdienstag seinen damals 17-jährigen Sohn mit einem Küchenmesser ermorden? Die Strafkammer des Coburger Landgerichts unter dem Vorsitz von Richterin Jana Huber meinte am Mittwoch Nein und bewertete die für den Sohn fast tödliche Bluttat in einem Einfamilienhaus im Landkreis Lichtenfels als versuchten Totschlag.
Das Urteil: Fünf Jahre Haft, die unter Anrechnung der Untersuchungshaft in wenigen Monaten für den Familienvater in einer Entzugsklinik münden soll. Die Kammer war zu der Überzeugung gelangt, dass der Beschuldigte ein massives Alkoholproblem hat. Am Abend des Faschingsdienstags waren Vater und Sohn betrunken. Schon seit Jahren hatte es Reibereien zwischen den beiden wegen des Alkoholismus des 53-Jährigen gegeben. „Am Faschingsdienstag fand die ungesunde Entwicklung ihr dramatisches Ende“, so die Richterin.
Die Mutter hat noch versucht zu schlichten
Die Verhandlung habe zweifelsfrei ergeben, dass der Sohn mit dem Vater wegen dessen Lebenswandels in Streit geraten sei, erklärte Huber. Die Mutter habe schlichten wollen und sich zwischen Vater und Sohn gestellt. In der Küche sind die Platzverhältnisse sehr beengt, wie sich die Prozessbeteiligten vor Ort überzeugen konnten. In dieser Situation, so die Richterin, habe der Vater aus dem in der Küche stehenden Messerblock ein Messer mit rund 20 Zentimeter Klingenlänge gezogen und dem Sohn in den Bauch gestoßen. Die Mutter habe den Sohn noch in den Heizungsraum bringen können, wo er zusammengebrochen sei.
Wie sich herausstellte, waren die Verletzungen durch den Messerstich potenziell tödlich. Der Sohn konnte durch eine Notoperation gerettet werden. „Er hat alle glücklichen Momente aufgebraucht“, drückte es die Richterin aus. Viel hätte nicht gefehlt, und er wäre an dem Stich gestorben. Dass er überlebt habe, grenze an ein Wunder, meinte Oberstaatsanwalt Christopher Rosenbusch und betonte: „Das Opfer war haarscharf am Abgrund es Todes.“
Dass Heimtücke, ein Mordmerkmal, im Spiel war, ist nach Auffassung des Gerichts nicht belegt. Dem Vater hielt das Gericht seine „schwerwiegende Einschränkung der Sehkraft“ zu Gute. Zudem habe bei dem 53-Jährigen der Eindruck entstehen können, dass er in Notwehr handle, obgleich eine Notwehrsituation nie vorgelegen habe.
Auffällig war bei dem Verfahren, dass weder Sohn noch Mutter den 53-Jährigen übermäßig belasten wollten. Der Sohn, so Richterin Huber, habe sich sogar selbst einen Teil der Schuld geben wollen. Von einem in dieser Hinsicht „denkwürdigen Verfahren“ sprach Verteidiger Till Wagler. „Täter und Opfer wollen das Gleiche“, meinte er. Der Vater solle eine Entzugstherapie machen und möglichst schnell wieder in den Schoss der Familie zurückkehren. Derartiges habe er noch nicht erlebt. Dies brachte der 53-Jährige am Ende des Prozesses noch einmal selbst deutlich zum Ausdruck. Es tue ihm unendlich leid. Und: „Die Familie hat noch eine Chance verdient.