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LICHTENFELS: Verleger Johann Schier war vielseitig und schillernd

LICHTENFELS

Verleger Johann Schier war vielseitig und schillernd

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    Er gründete 1857 das Lichtenfelser Wochenblatt, Vorläufer des „Obermain-Tagblatt“.
    Er gründete 1857 das Lichtenfelser Wochenblatt, Vorläufer des „Obermain-Tagblatt“. Foto: Repro: Lichtenfelser Tagblatt

    Die Geburt der ersten Tageszeitung in Lichtenfels im Jahre 1857 – seit 1972 bekannt als „Obermain-Tagblatt“ – war das Werk eines Mannes, der auch für heutige Verhältnisse eine schillernde und vielseitige Persönlichkeit war: Johann Schier. Am 1. März 1815 erblickte der Sohn von Michael Schier und dessen Frau Kunigunde (geborene Weschenfelder) in Lichtenfels das Licht der Welt. Die Familie der Schier kam ursprünglich aus Mistelfeld.

    Johann Schier erlernte den Beruf des Lithografen und kannte sich somit in der damaligen Drucktechnik gut aus. Die Lithografie oder Steindruck war im 19. Jahrhundert das einzige Druckverfahren, das größere Auflagen farbiger Drucksachen ermöglichte. 1838 bewilligten die örtlichen Gremien in Lichtenfels den Antrag des damals 23-jährigen Johann Schier, in Lichtenfels ein Lithografie-Geschäft zur Herstellung von Druckerzeugnissen zu eröffnen. Weil dabei nicht alle Zulassungsregeln beachtet worden waren, kam erst 1843 die endgültige Konzessionsfreigabe durch die Bezirksregierung.

    In Bamberger Zeitung für lithografische Anstalt geworben

    In einer Bamberger Zeitung warb Schier 1845 um Aufträge für seine „lithografische Anstalt“ in Lichtenfels. Hier stellte er zunächst Kunstgegenstände, musikalische und tabellarische Werke für gerichtliche und private Zwecke her. Darüber hinaus machte er auf seine „Linir-Anstalt“ zum Auftragen von Liniaturen und Rasterungen aufmerksam, wo er alle „Arten Handlungs- und Geschäftsbücher nach Formularen“ fertigte sowie verschiedene linierte Schul- und Notenpapiere verkaufte.

    Mit dem Geschäft im Rücken machte Johann Schier in seiner Heimatstadt zunächst Karriere in der Kommunalpolitik. Im Revolutionsjahr 1848 kandidierte der Jung-Unternehmer erstmals bei den Kommunalwahlen in Lichtenfels und wurde im Oktober für die Dauer von neun Jahren in das Gemeindebevollmächtigten-Kollegium gewählt. Bereits drei Jahre später schaffte der Lithograf als Ersatzmann den Einzug in den erlauchten Magistratsrat der Stadt, nachdem ein anderer Magistratsrat vorzeitig ausgeschieden war.

    Mit Auswanderern nach Amerika gutes Geld verdient

    Schier war nun in Lichtenfels ein angesehener und einflussreicher Mitbürger. Bald schon mag er erkannt haben, dass man mit dieser Reputation auch im Wirtschaftsleben Erfolg haben und gutes Geld verdienen kann. Zunächst wandte er sich dem Geschäft mit Auswanderungen zu. Ende 1854 tauchte er als königlich lizenzierter Spezialagent für den Bayreuther Friedrich Keim auf, der wiederum für die Bremer Schiffseigentümer Wilhelm Stißer und Companie arbeitete. Er beriet auswanderungswillige Lichtenfelser und verkaufte Schiffstickets. „Jede wünschenswerte Auskunft“ zur Passage erster Klasse nach New York, Baltimore, Philadelphia, New Orleans, Galveston, Indinola und Quebeck „wird erteilt und bündige Schiffskontrakte werden abgeschlossen“ annoncierte Schier im „Bamberger Tagblatt“.

    1857 wagte der Lichtenfelser sein nächstes unternehmerisches „Abenteuer“: Er gründete – nachdem er viele bürokratische Hürden überwunden hatte – das „Lichtenfelser Wochenblatt“, die erste Zeitung für Lichtenfels. Die erste Ausgabe erschien am 1. April dieses Jahres. Das „politische Blatt“ kam zunächst zwei Mal pro Woche heraus und wurde in den ersten Jahren in der Humann´schen Buchdruckerei in Bamberg gedruckt und nach Lichtenfels geliefert.

    1855 warb Johann Schier im „Bamberger Tagblatt“ für seine Vermittlung von Schiffsreisen für Auswanderer.
    1855 warb Johann Schier im „Bamberger Tagblatt“ für seine Vermittlung von Schiffsreisen für Auswanderer. Foto: Repro: Bamberger Tagblatt

    Die Zeitung gedieh. 1860 erschien das „Wochenblatt“ wöchentlich drei Mal und veröffentlichte laut Abonnement-Werbung außer einer wöchentlichen politischen Rundschau und Korrespondenzartikeln amtliche Bekanntmachungen aus den umgebenden Landgerichten (heutige Landkreise). Hinzu kam belletristischer Lesestoff, so die Beilage „Der Erzähler“.

    Mit der Eröffnung seiner Druckerei im Jahre 1863 in Lichtenfels, für die Schier eigens eine Buchdrucker-Prüfung absolviert hatte, wurde das „Lichtenfelser Wochenblatt“ nun auch in dieser Stadt gedruckt. Ab 1. Januar 1865 erhielt es den neuen Titel „Lichtenfelser Tagblatt“ und erschien fortan sechs Mal in der Woche.

    1857 wählten die Bürger Schier zu ihrem Rathauschef

    Zeitgleich mit seinem verlegerischen Engagement trieb Schier auch seine politische Laufbahn in Lichtenfels erfolgreich voran. 1857, im Jahr der Wochenblatt-Gründung, wurde er zum Bürgermeister der Stadt gewählt. Zehn Jahre lang war er Rathauschef. Trotz seines arbeitsreichen kommunalpolitischen Engagements kümmerte er sich intensiv um „seine“ Zeitung. Er war nicht nur deren Verleger, sondern verfasste als Redakteur auch Berichte und füllte die Zeitung mit weiterem Inhalt.

    1866 übergab Johann Schier die Geschäftsleitung des „Tagblatts“ an seinen Sohn Georg. Die berufliche Arbeitsfülle war für den umtriebigen Zeitungsgründer offenbar zu viel geworden. Neben der Politik, seinem Druckerei-Geschäft und dem Zeitungsunternehmen hatten ihn nämlich noch weitere Geschäftsfelder in seinen Bann gezogen. Bereits Ende 1857 arbeitete Johann Schier von Lichtenfels aus als Agent der Frankfurter Lebensversicherungs-Gesellschaft, 1871 war er als Versicherungsagent für die Union, die Allgemeine Hagel-Versicherungsgesellschaft, tätig.

    Im Jahr 1860 stieg Schier auch noch ins Brauereigeschäft ein

    Neben dem Versicherungsgeschäft stieg Rathauschef Schier schließlich auch noch ins Brauereigeschäft ein. Im April 1860 gründete er laut Königlichem Handelsgericht gemeinsam mit dem Korbwarenhändler Johann Krauß und dem Bahnmeister Karl Söhnlein, beide aus Lichtenfels, eine Gesellschaft mit Namen „Johann Schier & Co“ zum Betrieb einer Bierbrauerei in Lichtenfels.

    Bei all den Beschäftigungen hatte Schier auch noch die Muse, um als Buchautor aktiv zu werden: 1862 veröffentlichte er einen touristischen Führer durch das Maintal. Der Zeitungsgründer erlebte den Aufschwung des „Tagblatts“ als Inhaber noch rund 20 Jahre mit. Am 29. August 1887, 72-jährig, starb er.

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