Lichtenfels Die Pandemie hat das Leben jedes Einzelnen stark verändert. Liebgewonnene Traditionen zu pflegen war von jetzt auf gleich nicht mehr möglich, das Vereinsleben wurde eingeschränkt, Feste und Feiern abgesagt. Auch das Privatleben von Landrat Christian Meißner, dem obersten Krisenbekämpfer im Landkreis Lichtenfels, wurde gründlich auf den Kopf gestellt. Ein Gespräch über Familienleben, Sport in Katastrophenzeiten und die Lust am Verwöhnen.

Obermain-Tagblatt: Herr Meißner, wie hat das Covid-19-Virus Ihr Privatleben verändert? Ihre persönliche Lebensweise und Weltanschauung?
Meißner: Corona hat dazu geführt, dass wir uns alle sehr einschränken und umstellen mussten und müssen. Wenn man das Positive sehen will: Die Familie ist zusammengerückt, hat sich aufgrund der Situation ganz neu kennengelernt. Wir haben uns Beschäftigungsmöglichkeiten gesucht, die noch möglich sind, sind beispielsweise jüngst erst wieder zusammen wandern gewesen.
Die 21 Jahre zuvor war ich Termingetriebener, auch am Wochenende. Das vergangene Jahr aber brachte völlig neue Erfahrungen. Beispielsweise, Wochenenden gemeinsam mit den Lieben gestalten zu können. Das hat gut getan für jemanden, der bis dato freie Abende nur ganz selten kannte. Allerdings bin ich mittlerweile schon längst an dem Punkt, an dem ich Feste, Feiern und andere Zusammenkünfte arg vermisse.
Sport gehört zu ihren Hobbys, neben dem Lesen, doch ist Sport in diesen Tagen eher oft nicht möglich. Wie hat Corona ihr Freizeitleben beeinflusst?
Meißner: Aus Corona-Gesichtspunkten habe ich ideale Sportarten, denn die waren immer möglich. So zum Beispiel der Laufsport, den ich sehr intensiv betreibe, weil zuhause in Corona-Zeiten auch viel gekocht wird. Schlicht, weil wir abends die Zeit dafür haben und ich nicht weg muss zu Terminen. So gesehen laufe ich schon zur Prophylaxe. Vor kurzem habe ich zusätzlich das Mountainbiken für mich entdeckt. Und ich paddele gerne.

Stand-Up-Paddling ist mein großes Hobby, dem konnte ich Gott sei Dank immer nachgehen. Das hilft mir, den Kopf freizubekommen. Erst vor kurzem war ich wieder auf dem Main unterwegs, von Strössendorf nach Altenkunstadt zum Wehr, mit einem weiteren Hausstand. Auch bei Regenwetter tut mir das gut.
Ihre beiden Kinder sind begeisterte Fußballer. Aber: Mannschaftssport ist in Corona-Zeiten nicht möglich, der Amateur-Fußball beispielsweise findet derzeit nicht statt. Ähnlich ist die Situation in Gesangvereinen. Das bringt die Vereine in große Schwierigkeiten. Denken Sie, dass Covid-19 zu einem Vereinssterben führen wird?
Meißner: Dass sie nicht in die Schule müssen, halten sie problemlos aus. Dass sie nicht zum Fußballtraining dürfen oder gar ein Spiel haben, das macht sie fertig. Und das dürfte vielen Kindern so gehen. Die Pandemie betrifft die Jugendbereiche vieler Vereine, egal, ob Fußball, Handball oder dergleichen. Dank Corona fehlt den Vereinen ein ganzer Jahrgang. Ob diejenigen, die vor der Pandemie dabei waren, wieder kommen? Keiner weiß es.
Für den Sportbereich ist die aktuelle Situation verheerend, denn es gab dort schon immer einen Wettbewerb um die jungen Menschen. Ab gesehen davon, dass Sport wichtig ist und die Gemeinschaft fördert. Irgendetwas muss man sich einfallen lassen, um kontaktloses Training zu ermöglichen. Aber auch die Gesangvereine leiden, die Musikvereine oder die Feuerwehren, die alle keinen Nachwuchs gewinnen können. Wie soll ich die „Schlauchzwerge“ denn für die Feuerwehr begeistern, wenn ich nicht einmal einen Schlauch mit ihnen ausrollen darf?
Dennoch hoffe ich nicht, dass es ein Vereinssterben geben wird. Unsere Vereine haben Kraft, die übersehen das. Doch wird Corona unser gesellschaftliches Leben verändern. Ich weiß beispielsweise nicht, ob es in absehbarer Zeit große Feste geben wird. Dabei haben wir schon jetzt viele Höhepunkte verpasst, wie beispielsweise das Kreismusikfest in Uetzing oder das Fest der Feuerwehr Altenkunstadt. Oder das jährliche Zeulner Freischießen.
Sars-Cov2 trifft die Gastronomie schwer. Wie unterstützen Sie als Landrat, aber auch Sie als Privatperson die heimischen Wirte?
Meißner: Wie alle anderen: Mit Essen to go. Und diese Unterstützung leiste ich gerne. Es gibt viele Restaurants im Landkreis, in denen ich gerne bestelle, nicht nur in Lichtenfels. Ganz bewusst setze ich auch nicht nur auf die Pizza-Dienste, sondern setze auf verschiedene Gasthöfe. Ich unterstütze nach Kräften, auch wenn ich weiß, dass es ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Es lohnt sich finanziell nicht für die Gastronomie nicht wirklich.
Umso mehr bewundere ich die Wirte, die das trotzdem anbieten, weil sie ihre Arbeit einfach lieben. Im Übrigen würde ich mir überlegen, ob eine kontrolliert geöffnete Außengastronomie nicht sinnvoller wäre die ohnehin unzulässigen Corona-Zusammenkünfte, die trotzdem stattfinden.
Hand aufs Herz. Können Sie sich eigentlich immer hundertprozentig an die Corona-Regeln halten – oder haben Sie sich vielleicht selbst schon einmal bei einer Nachlässigkeit ertappt?
Meißner: Mir ist sehr bewusst, dass ich ein Vorbild bin. Ein Vorbild sein muss. Man verlangt derzeit von unserer Bevölkerung unheimlich viel. Wenn jetzt ausgerechnet ich im größeren Stil etwas veranstalten würde, nicht auszudenken. Meine Mutter ist vor kurzem 70 Jahre alt geworden, selbst da waren wir äußerst vorsichtig. Erst hat meine Frau gratuliert, danach habe ich das Haus betreten, natürlich mit Maske. Das ist nicht schön, geht aber nicht anders.

Als mein Vater im Krankenhaus war, war eben Besuchsverbot. Selbstverständlich galt das auch für mich. Ich halte mich penibel dran, auch wenn es schmerzlich ist. Ich paddele derzeit auch nicht, wie vor Corona, mit vier oder fünf Hausständen, was sehr schade ist für uns als Freizeitgemeinschaft.
Auch im Landratsamt bin ich sehr konsequent. Einmal war ich übrigens nachlässig, aber aus Versehen: Ich hatte ich nicht gewusst, dass man auch auf dem Parkplatz des Lif.e-City-Centers in der Mainau Maske tragen muss. Bis mich mal jemand harsch darauf hingewiesen hat.
Wagen wir den Ausblick: Glauben Sie, dass es Sommerurlaube in 2021 geben wird? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
Meißner: Auch ich sehne mich mal wieder nach einem Tapetenwechsel. Ich habe für Pfingsten Campingurlaub in Waging am See gebucht. Vor einigen Wochen befürchtete ich noch, dass dieser Urlaub stark wackelt. Nun aber sind Urlaube, wenn auch eingeschränkt, wieder möglich.
Ich hoffe im Sinne der Bevölkerung, dass es gelingt, Perspektiven aufzuzeigen. Urlaube in Risikogebieten dürfen schwierig bleiben, doch es gibt Möglichkeiten in Europa, auch in Deutschland Hotels, Ferienhäuser oder Camping. Ich würde mir es sehr wünschen als Privatperson. Es muss Perspektiven geben, sonst wird die Bevölkerung irgendwann aufstehen. Wir müssen heuer wohl mit Urlaub unter Auflagen rechnen.
Wohlgemerkt, darauf hat mich die Bundeskanzlerin im April in einer Videokonferenz aufmerksam gemacht: Wir haben vergangenes Jahr zu Pfingsten gelockert, bei einer Inzidenz von 27. Derzeit ist Deutschland bei 68. Zugute halten muss ich, dass vergangenes Jahr noch keiner geimpft war.
Deshalb vermute ich, dass es heuer ähnlich sein wird wie vergangenes Jahr was den Urlaub anbelangt. Großen Quatsch fand ich übrigens, als die Leute vor Ostern nach Malle geflogen sind. Da brauche ich mich über hohe Inzidenzen nicht wundern!