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WEINGARTEN: Weinbergsiedlung Weingarten: Schranke sorgt für neuen Zwist

WEINGARTEN

Weinbergsiedlung Weingarten: Schranke sorgt für neuen Zwist

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    Eine erste Schranke an der Zufahrt von Weingarten her steht, ein Nachfolgemodell ist schon bestellt.
    Eine erste Schranke an der Zufahrt von Weingarten her steht, ein Nachfolgemodell ist schon bestellt. Foto: Fotos: Markus Drossel

    Vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth haben Uwe Rückert, Dr. Michael Bloch und Dr. Peter Neu recht bekommen: Die drei Besitzer von Grundstücken in der Siedlung entlang des Mains zwischen Weingarten und Hausen dürfen den Uferweg sperren. Nun gibt es eine Schranke. Doch glücklich sind damit weder die genannten Parteien noch die hinteren Anlieger. Es geht nämlich um etwas ganz anderes.

    Dr. Peter Neu deutet auf die schweren Eisenketten: „Eine erste Schranke steht zwar, ein besseres Modell habe ich für viel Geld in Auftrag gegeben“, sagt er. „Geht es nach uns, wollen wir die Schranke niemals schließen. Aber wir fühlen uns zu diesem Schritt gezwungen.“

    Seit 2009 hat der Tierarzt aus Coburg sein Grundstück in Hausen. Hier wollte er viel Freizeit verbringen, Angeln, Boot fahren, Natur genießen, ab und an dort übernachten. Er wollte sich eine größere Gartenhütte auf sein Grundstück stellen. „Da die meisten anderen Grundstücke hier mit teils sehr großen Häusern bebaut sind, habe ich nicht mit Schwierigkeiten gerechnet“, so Neu. Doch es kam ganz anders.

    Sorgt immer wieder für Diskussionen: die Siedlung am Main zwischen Weingarten und Hausen.
    Sorgt immer wieder für Diskussionen: die Siedlung am Main zwischen Weingarten und Hausen. Foto: Markus Drossel

    Das Grundstück ist noch immer nicht bebaut, auch das von Dr. Bloch und von Rückert nicht. Sie alle haben ein Verbot für freizeitliche Nutzung jeglicher Art. „Damals, als die Stadt Lichtenfels Kanal verlegen wollte, kamen der frühere Stadtbaumeister Graßinger und Bürgermeisterin Dr. Fischer auf uns zu und ermunterten uns, Bauanträge zu stellen. Im Gegenzug sollten wir den Kanal entlang des Wegs dulden, der ja unsere Grundstücke durchläuft“, so Dr. Neu. Kleine Häuser bis 50 Quadratmeter seien von Seiten der Stadt vorgeschlagen worden. Der Abwasserkanal ist längst gelegt, wenn auch noch immer nicht im Grundbuch verankert. Die Baugenehmigungen wurden im Stadtrat einstimmig beschlossen, dann aber vom Landratsamt kassiert. Die Begründung: Naturschutzbelange, denn die Grundstücke liegen im Außenbereich. „Was wir wollen, ist dass die Siedlung endlich als das anerkannt wird, was sie ist: eine Wochenendhaussiedlung“, so Dr. Neu. Dafür müsste das Areal umgewidmet werden. Mit den Behörden gab es dazu schon mehr als nur ein Gespräch, doch der Erfolg blieb aus.

    Die dicke Metallkette an der Schranke ist mit einem Schloss gesichert. Doch wie lange noch?
    Die dicke Metallkette an der Schranke ist mit einem Schloss gesichert. Doch wie lange noch? Foto: Markus Drossel

    Die Schranke, die nun errichtet wird und vom Landratsamt auch genehmigt ist, ist nicht mehr als Mittel zum Zweck. „Wir wollen, dass alle Anwohner an einem Strang ziehen und die Umwidmung zur Wochenendhaussiedlung gemeinsam vor Gericht erstreiten“, erklärt der Tierarzt. „Deswegen auch die Schranke. Wir dürfen, das hat das Gericht festgelegt, von den Besitzern hinterliegender Grundstücke Pacht für das Notwegerecht verlangen, so dass diese überhaupt an ihre Häuser kommen. Doch das Geld ist mir echt egal. Eigentlich wollen wir niemanden verärgern.“

    Dr. Peter Neu hofft auf eine Sammelklage aller Anwohner

    Dennoch liegt gewaltig Ärger in der Luft. Zum einen wegen der Pachtzahlungen. Zum anderen aufgrund der Tatsache, dass dann trotzdem nur Pächter mit engstem Familienkreis durchfahren dürfen. Zum dritten, weil es die letzten Jahren keinerlei Gespräche mit den Behörden gegeben hat. „Nicht ein einziges Mal war Bürgermeister Hügerich vor Ort, nicht ein einziges Mal hat er mit uns gesprochen“, so Dr. Neu.

    „Wir Besitzer der Grundstücke hier zwischen Hausen und Weingarten werden uns nicht zerstreiten, dieser Plan der Behörden geht nicht auf, auch wenn die Sache mit der Schranke vorerst für Frustration sorgen dürfte“, sagt Dr. Neu. Eigentlich sind es ja alles gute Bekannte, teils Freunde. „Ich denke, dass die Anwohner bereit sind, eine Sammelklage zu führen. Wir sind gerne bereit, den Weg über unsere Grundstücke öffentlich widmen zu lassen, unter gewissen Konditionen.“ Will meinen: ein größeres Gartenhaus würde dem Coburger genügen. „Ich will nur gleiches Recht für alle. Und ich habe nichts zu verlieren.“

    Sorgt immer wieder für Diskussionen: die Siedlung am Main zwischen Weingarten und Hausen.
    Sorgt immer wieder für Diskussionen: die Siedlung am Main zwischen Weingarten und Hausen. Foto: Markus Drossel

    Schon seit etlichen Jahrzehnten hat die Familie Silbermann Grundstücke am Main zwischen Weingarten und Hausen. Ein Teil wurde einst verkauft, ein anderer ist seit 1984 im Besitz von Gerhard Silbermann. „Auf meinem Grundstück stehen sechs Häuser, drei davon sind verpachtet“, erklärt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Er spricht von einem Skandal, einem Paradoxon und einer Lokalposse, vom Totalversagen der Behörden, von Erpressung. Ob das Notwegerecht für ihn gilt, weiß er nicht. Er will, nicht zum ersten Mal, die Gerichte bemühen. „Die wollen uns Anlieger erpressen, wollen so eine Baugenehmigung erpressen“, sagt er. In den vergangenen Jahrzehnten seien in dieser Weinbergsiedlung Fehler um Fehler gemacht worden, einer eklatanter als der andere. „Aber ich sehe nicht ein, dass die Investoren der drei vorderen, eigentlich wert- und nutzlosen Grundstücke sich nun Jahr für Jahr 6000 bis 7000 Euro von uns erpressen.“ Dabei hat er die Wegerechtspacht für alle Anrainer zusammengerechnet. Übrigens: Auch die Stadt Lichtenfels hat hier ein Grundstück, müsste also ein Notwegerecht geltend machen und Pacht zahlen.

    Hier zwischen Weingarten und Hausen wurde schon zu Zeiten der Banzer Mönche Main angebaut.
    Hier zwischen Weingarten und Hausen wurde schon zu Zeiten der Banzer Mönche Main angebaut. Foto: Markus Drossel

    Notar Erwin Richter hat ebenfalls ein Häuschen im Bereich der Weinbergsiedlung. Er hat dem Landratsamt Mitte April einen Brief geschrieben und auf etliche Gerichtsurteile hingewiesen, unter anderem vom Bundesverwaltungsgericht. Eine Reaktion vom Landkreis blieb aus. „Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Wenn ein Haus genehmigt ist, aber keine Straße dort hinführt, besteht ein Rechtsanspruch auf Erschließung“, fasst der Jurist die Entscheidungen in Worte. „Die Erschließungslast der Gemeinde kann zur Erschließungspflicht werden.“ Dass seinerzeit die Wochenendhäuser rechtswidrig genehmigt wurden, sei dabei kein Grund. „Sie wurden rechtskräftig genehmigt, aber eben genehmigt.“ Und jeder, der ein genehmigtes Haus habe, habe ein Recht auf einen Weg dorthin.

    Vielleicht bald eine Sache für das Bundesverwaltungsgericht?

    Richter hat einen alten Plan von 1870, auf dem der alte Weg von Hausen in Richtung heutige Wochenendhaussiedlung zu sehen wird. „Das letzte Stück unterhalb von Weingarten ist aber leider nicht zusehen“, sagt er. Gerade das, das die Grundstücke Dr. Neu, Rückert und Dr. Bloch betrifft. Ob durch die Umwidmung zur Wochenendhaussiedlung automatisch ein Baurecht für genannte drei Parteien einher gehen würde, wagt er zu bezweifeln: Die Bedenken des Naturschutzes würden überwiegen. Sein Fazit: „Es müsste sich mal jemand trauen zu klagen. Mal sehen, was das Bundesverwaltungsgericht sagt.“

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    Das sagen die Verwaltungen von Stadt und Landkreis Lichtenfels „Entlang des Weges zwischen Weingarten und Hausen sind überwiegend in den 1960-er und 1970-er-Jahren, teils auch früher, Wochenendhäuser gebaut worden. Ein rund 240 Meter langer Abschnitt entlang des Weges im Bereich zwischen dem Ortsteil Weingarten und dem Main ist nicht mit Wochenendhäusern bebaut“, erklärt Helmut Kurz, Pressesprecher am Landratsamt. „Da es für den Bereich keinen Bebauungsplan gibt und er auch nicht zum Ortsteil, zum so genannten Innenbereich, gehört, können dort keine Einzelbaugenehmigungen erteilt werden, weil dadurch zu prüfende öffentlich-rechtliche Belange, vor allem naturschutzfachliche Belange, – noch weiter – beeinträchtigt würden.“ Daher stelle der rechtswirksame Flächennutzungsplan der Stadt dort auch Flächen für die Landwirtschaft mit besonderer Bedeutung für das Orts- und Landschaftsbild und die Naherholung dar, wobei unter Naherholung der Zugang für die Allgemeinheit und nicht für privatnützige Vorhaben zu verstehen ist. „Eine Zulassung weiterer Vorhaben wäre nur durch eine Änderung des Flächennutzungsplans und Ausweisung eines Bebauungsplans möglich“, so Kurz. „Die Stadt Lichtenfels hatte entsprechende Verfahren eingeleitet. Diese konnten jedoch wegen höherrangiger Planungen und der grundsätzlichen Wertigkeit des Gebietes nicht zum Abschluss gebracht werden.“ Es handele sich beim Maintal insgesamt um ein landschaftliches Vorbehaltsgebiet, in dem den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege ein besonderes Gewicht zukomme, insbesondere hinsichtlich der Entwicklung und Erhaltung von Lebensräumen und deren Arten und des Entwicklungspotenzials für seltene und gefährdete Lebensräume. „Solche Gebiete sollen gesichert und die dortige Lebensraumfunktion vor Beeinträchtigungen und Minderungen geschützt werden. Eine weitere Bebauung und die nachfolgende Freizeitnutzung führen unweigerlich zu einer Verringerung der noch vorhandenen Lebensraum- und Nahrungsbiotope, gerade in einem durch Freizeitnutzung vorbelasteten Umfeld.“ Das Landratsamt bedauere, dass es in diesem Gebiet, in dem Grundstückseigentümer bis vor einigen Jahren über Jahrzehnte hinweg in Ruhe ihre Freizeit genießen konnten, nun immer wieder zu gegenseitigen Anzeigen und Anfeindungen kommt. Dies geschehe, „weil einige wenige Eigentümer die beschriebene Rechtslage nicht akzeptieren wollen, obwohl das zuständige Verwaltungsgericht und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof München in der Vergangenheit bereits das Vorgehen des Landratsamtes Lichtenfels gegen neue Bautätigkeit auf bisher unbebauten Grundstücken aufgrund von Klagen gegen Anordnungen überprüft und bestätigt haben.“ Für die Stadt Lichtenfels antwortet Pressesprecher Sebastian Müller. „Bei der Anfrage handelt es sich um eine Vielzahl von Einzelfällen, die teilweise auch bereits bei Gerichten anhängig waren oder sind. Zu diesen Entscheidungen und zu laufenden Verfahren können leider keine weiteren Aussagen getroffen werden“, sagt er. „Die meisten der bestehenden Häuser erhielten in den 1950-er- bis 1970-er-Jahren eine offizielle Baugenehmigung als Wochenendhaus. Wochenendhäuser müssen nicht zwangsläufig für Autoverkehr erschlossen sein.“ Alle Wochenendhäuser seien dauerhaft fußläufig erreichbar. „Auch die Erreichbarkeit für Rettungsfahrzeuge und Feuerwehr ist dauerhaft gegeben.“ Die bestehenden Fragen könnten nur untereinander von den Grundstückseigentümern geklärt werden. „Die bestehende Badestelle der Stadt Lichtenfels in Weingarten ist davon nicht betroffen. Die Stadt Lichtenfels hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles versucht den Weg offen zu halten. Bezüglich höherrangigen Rechts dürfen wir auf das Landratsamt verweisen.“ (mdr)

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