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LICHTENFELS: Wie Lichtenfelser Kinder den Zweiten Weltkrieg erlebten

LICHTENFELS

Wie Lichtenfelser Kinder den Zweiten Weltkrieg erlebten

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    Zerstört wurde der Lichtenfelser Güterbahnhof bei einem Bombenangriff am 23. Februar 1945.
    Zerstört wurde der Lichtenfelser Güterbahnhof bei einem Bombenangriff am 23. Februar 1945. Foto: red

    Aus seiner Kindheit und Jugend im alten Lichtenfels erzählt Erich Barnickel, geboren 1931. Teil drei der Serie über seine Lebenserinnerungen, aufgezeichnet von seinem Sohn. Sie beschäftigt sich mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs:

    In den Zeiten des Kriegs (um 1943) fand ein Jugendlager in Scheßlitz am Schwimmbad statt. Es fanden insbesondere Jugendwettkämpfe wie Boxturniere sowie Geländespiele statt. Von sanitären Anlagen konnte bei den Zeltlagern noch keine Rede sein. Für die menschlichen Bedürfnisse wurden Löcher ausgehoben. Um „bequem“ sitzen zu können, wurden darüber Balken angebracht, landläufig als „Donnerbalken“ tituliert. Auf einem Balken konnten bis zu sechs Personen Platz nehmen.

    Natürlich wurde auf den Zeltlagern auch viel Unsinn getrieben. So kam man in der Gruppe der „Klo-Installateure“ auf die Idee, einen der Balken anzusägen. Kaum war das geschehen, näherte sich ein anderer Jugendlicher, der etwas „groß-tuert“ auftrat. Er bekam nur noch die Bemerkung mit „Do müsst jetzt aaner drauf“ mit und sagte: „Und iich muss jetzt drauf“. Nach dem Unvermeidlichen suchte der Gruppe das Weite. Nur einer (der Rudi E.) half dem „Verunfallten“ wieder aus der Grube – fiel aber dabei selber mit hinein. Eine „Säuberung“ war dann im nahe gelegenen Schwimmbad möglich. Pech nur, dass der Rudi für den Aufenthalt nur eine Hose eingeplant hatte. Hier konnte ich dann mit einer Hose aushelfen. Die Bestrafung der „Ansäger“ durch den Fähnlein-Führer fiel glimpflich aus und bestand in einer Nachtwache.

    Vor dem HJ-Dienst gedrückt

    Wie im gesamten „Reichsgebiet“ sollten auch in Lichtenfels die Jugendlichen am Samstagnachmittag im Schulhof bei der HJ antreten. Nicht bei allen waren diese Veranstaltungen beliebt. So ungefähr acht Personen machten lieber eigene Geländespiele „drüüm Staa“ (mehrere kleinere Sandsteinbrüche hinter der „Moritzkappl“ in Richtung Mistelfeld). Ein „Arschkriecher“ hatte verraten, wohin wir uns abgesetzt hatten. Und so wurden die „Abtrünnigen“ durch das angetretene Fähnlein, einschließlich Spielmannszug beim „Staa“ eingekreist und „gefangen genommen“. Als Strafe wurden sie„mit Sang und Klang“, barfuß durch die Innenstadt bis zum Schulhof in der Kronacher Straße geführt.

    Marschierende Hitlerjugend bei Ebern.
    Marschierende Hitlerjugend bei Ebern. Foto: Repro C.Tangermann

    Auch an anderen Samstagen, wenn das „Fähnlein“ antreten sollte, sahen sich einige lieber im Kino die Wochenschau an. Die „unentschuldigt Fehlenden“ wurden durch die Jungzug-Führer aus dem Kino geholt. Als Strafe wurden Sägearbeiten am Sonntag bis in den späten Nachmittag hinein in der Werkstatt im Keller der Kreisleitung (in der Kronacher Straße nach dem Amtsgericht) verhängt.

    Schießen mit Onkels Pistole

    Es war zu Beginn des Russland-Feldzuges, als ich elf Jahre alt war und mein Onkel Willi auf der Durchfahrt von Frankreich nach Russland drei Tage in Lichtenfels „Urlaub“ machte, weil meine Tante ein Kind bekommen hatte. Dabei hatte er seine ganz Ausrüstung, einschließlich Maschinenpistole und Pistole mit sich. Natürlich war ich neugierig, als mein Onkel im Garten sein Waffen reinigte. Er schoss auch probehalber ein Magazin mit 36 Schuss mit der Maschinenpistole in die Luft. Als er später einen Verwandtenbesuch machte, hatte ich die Gelegenheit den Waffen näher näherzukommen. Ich nahm also die geladene Pistole mit zu meinen Freunden, die sich an der Leuchse trafen. Ein erster Probeschuss zeigte einen überraschend großen Rückschlag und einen gewaltigen Knall. Nun bekam ich doch Angst, der Onkel könnte etwas merken und brachte die Pistole wieder zurück.

    Bei einem weiteren Vorfall traf sich die ältere Schwester eines Freundes mit einem Bekannten am Bahnhof, der in dieser Zeit bei den Feldjägern (genannt „Kettenhunde“) Dienst tat. Die beiden wurden heimlich bis zum „Staa“ verfolgt und im Wald beim Ausziehen beobachtet … Als der Soldat die heimliche Beobachtung bemerkte, verfolgte er uns – natürlich hatte er sich hierbei vorher nicht mehr ankleiden können …

    Kartoffelkäfer auflesen

    Unter Aufsicht eines verwundeten SS-Mannes mussten wir einige Male im Klassenverband die Blüten der Schafgarbe sammeln. Sie wurden im Lazarett in Kloster Banz zur Unterstützung des Heilprozesses verwendet. Dabei war es nur schade, dass alle Klassen gleichzeitig zum Sammeln geschickt wurden und somit die „Schafgarben-Bestände“ in der erreichbaren Umgebung bald „abgeerntet“ waren …

    Gegen Kriegsende warfen die Amerikaner ganze Flugzeugladungen von Kartoffelkäfern ab, um die Kartoffelernte in Deutschland zu vernichten. Unter Aufsicht eines verwundeten SS-Mannes wurden alle Schüler zum „Auflesen“ der Käfer auf die Felder geschickt.

    Training mit der Panzerfaust

    Vom „Jungvolk“ aus waren wir auf „Lager“ in der Turnhalle in Michelau. Unter der Leitung von drei verwundeten Soldaten genossen wir hier eine militärische Grundausbildung zusammen mit potenziellem „Volkssturm“ (also älteren Personen). Hierbei standen auf dem Plan: Umgang mit Gewehren und Panzerfäusten, Überwindung von Hindernissen, Durchquerung von Abwasserrohren (unter dem Bahndamm an der Strecke der Gabsweiher hindurch). Zu diesem Zeitpunkt war ich 14 Jahre alt, also am Übergang vom „Jungvolk“ zur „HJ“.

    Dass es hier mit der Ausbildung ernst gemeint war, zeigte auch folgendes: Bei der Ausbildung des Volkssturms mit „scharfen“ Panzerfäusten kam ein Mann aus Lichtenfels ums Leben.

    „Arbeitseinsatz“ der „Hitler-Jugend“ beim Bau von Behelfsheimen in Marktheidenfeld.
    „Arbeitseinsatz“ der „Hitler-Jugend“ beim Bau von Behelfsheimen in Marktheidenfeld. Foto: Michael Deubert / Robert Volk

    Als bekannt wurde, dass im Bahnhof in Michelau ein Eisenbahnwagon mit Briketts stand, schickten uns die Ausbilder in der Nacht dorthin. Weil es ihnen in der Winterzeit zu kalt war, sollten wir jeweils einen Sack mit Kohlen von Zug „holen“. Wir sollten uns aber auf keinen Fall erwischen lassen!

    Nach dem Bombenangriff der Amerikaner auf die Bahneinrichtungen in Lichtenfels am 23. Februar 1945 waren viele Gleisanlagen zerstört worden. Aus diesem Grund wurde die HJ damit beauftragt, Waren und das Gepäck von Reisenden zwischen den verbliebenen Anschlussstellen und dem Bahnhof zu transportieren.

    Musterung zur Hitlerjugend-SS

    Im März 1945 mussten fünf ausgesuchte Schüler aus Lichtenfels nach Bamberg zur Musterung. Mir wurde danach angeboten, in der Hitlerjugend-SS aufgenommen zu werden, was ich jedoch (mit 14 Jahren) ablehnte. Ein gleichaltriger Jugendlicher kam tatsächlich noch zum Einsatz und geriet in amerikanische Gefangenschaft.

    Als 1945 eine größere Zahl von Flüchtlingen aus dem Osten in Lichtenfels ankam, wurden mehrere Jugendliche für deren Unterstützung eingeteilt. Sie wurden zuerst gegenüber dem Bahnhof im „Pausonshaus“ empfangen, mit Tee und Essen versorgt und schließlich auf verschiedene Unterkünfte verteilt.

    Unsere Aufgabe bestand insbesondere im Koffertransport, wobei diese für uns ein ziemliches Gewicht hatten und zuweilen kaum zu bewegen waren. Derjenige Erwachsene, der uns zum Dienst einteilte, verschwand meist bald mit einer Sekretärin in einem Nebenraum …

    Stalins Sohn in Kronach

    Mein 20-jähriger Bruder Fritz tat während des Krieges Dienst in einem Gefangenenlager in Kronach. Dort waren in einer ehemaligen Porzellanfabrik hauptsächlich russische Offiziere untergebracht.

    Diese musste er öfter zum Austausch mit einem Lager in Hammelburg zur Bahn begleiten. Einmal war sogar ein Sohn Stalins, ein Major, dabei.

    Da wir gute Beziehungen zur Polizei hatten, konnte mein Bruder das Gefängnis im Rathaus nutzen um die Gefangenen für zwei Stunden dort unterzubringen und um zum Essen nach Hause zu gehen.

    Die Transporte fanden meist am Freitag statt – da gab es „Grüna Baggers und Öpfelbrei“. Üblicherweise nahm mein Bruder auch Essen für die Kriegsgefangenen mit ins Gefängnis. An einem Tag begleitete ich ihn in die Stadt. Da geschah es, dass die Gittertür zu Zelle gerade im Augenblick der Essensübergabe zufiel und mein Bruder, ich und zwei Russen in der Zelle saßen.

    Angesichts der kräftigen Männer hatte ich doch etwas Angst … Erst nach mehr als einer Stunde wurden wir von einem Polizisten „befreit“, da dieser wusste, dass mein Bruder den Zug nach Kronach erreichen musste.

    Mein Bruder war klein und hatte nur ein langes Gewehr zur Verfügung, was zur Benutzung in kleineren Räumen nicht geeignet war. Daher besorgte ihm mein Vater eine Pistole von der Bahnpolizei. An einem Tag vergas er die Pistole in unserer Wohnung und ich (im Alter von 13 Jahren) brachte sie ihm kurzerhand mit der Bahn nach Kronach. Dabei bekam ich auch mit, dass der Lager-Kommandant ein „Zielschießen“ auf Äpfel veranstaltete, die von zwei Russen gehalten werden mussten.

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