Jedes sechstes Kind in Deutschland kommt aus einer suchtbelasteten Familie, also aus einer Familie, in der das Verlangen nach Alkohol oder einer anderen Droge den Alltag beherrschen. In einer bundesweiten Aktionswoche vom 13. bis 19. Februar sollen Kinder aus suchtbelasteten Familien in den Fokus der Öffentlichkeit und Medien gerückt werden, um auf deren oft sehr belastende Lebenswirklichkeit aufmerksam zu machen. Das Präventionsprogramm heißt „Wildfang“.
Atmosphäre der Unsicherheit und Angst
Wenn ein oder beide Elternteile an einer Suchterkrankung leiden, wachsen die Kinder meist in einer Atmosphäre von Unsicherheit und Angst auf. Auch suchtkranke Eltern lieben ihre Kinder. Aufgrund ihrer Erkrankung sind sie jedoch häufig nicht in der Lage, ihren Kindern beständig und zuverlässig die Zuwendung und Liebe zu geben, welche die Kinder zum gesunden Aufwachsen bräuchten.
Suchtbedingt neigen betroffene Eltern häufig zu Stimmungsschwankungen oder zeigen unberechenbares Verhalten. Dies belastet die Kinder und kann sie auf Dauer in ihrer Entwicklung stark beeinträchtigen. Viele Kinder aus suchtbelasteten Familien versuchen, ihre Eltern zu schützen und hüten das Familiengeheimnis. Ihr eigenes Leid bleibt somit oft unerkannt. Die schwierigen Umstände einer Kindheit in einer suchtbelasteten Familie können Kinder nachhaltig belasten.
Neben einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen steigt auch die Wahrscheinlichkeit selbst eine Suchtstörung zu entwickeln. Suchtkranke Eltern wollen gute Eltern sein, brauchen dafür aber Unterstützung. Durch Vorurteile und Stigmatisierung in der Gesellschaft fällt es vielen Betroffenen schwer, suchtbezogene Hilfe anzunehmen. Auch Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien werden somit häufig zu spät oder gar nicht vom Hilfesystem erreicht. Durch die Corona-Pandemie sowie damit einhergehende Lockdowns und Kontaktbeschränkungen dürfte sich dieses Problem noch weiter verschärft haben.
Für viele Kinder aus suchtbelasteten Familien stellen Schule, Kindergarten, Aktivitäten im Jugendzentrum oder im Sportverein wichtige Auszeiten von der belastenden Familiensituation dar. Viele dieser Möglichkeiten sind in den letzten zwei Jahren allerdings – zumindest teilweise – weggebrochen. Damit fehlen auch Kontakte zu potenziellen Vertrauenspersonen, welche für Kinder aus Sucht belasteten Familien besonders wertvoll wären.
Durch Homeoffice, Kontaktbeschränkungen und Lockdowns stehen viele Familien zusätzlich unter Stress, was bei einigen zu einem stärkeren Suchtmittelkonsum und zu vermehrten Konflikten beiträgt. Dementsprechend steigen auch die Belastungen mitbetroffener Kinder und Jugendlicher.
Pandemie bringt weitere Herausforderungen
In Zeiten der Pandemie ist es daher umso wichtiger, genau hinzuschauen und Eltern, Kindern und Jugendlichen Unterstützung anzubieten oder Hilfe einzuschalten. Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, aber auch in der Verantwortung des professionellen Hilfesystems und der politisch Verantwortlichen entsprechende Unterstützung zu ermöglichen.
Die psychosoziale Beratungsstelle (Suchtberatung des SkF Bamberg), die Gesundheitsregion plus/Schulterschluss und die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern (des Caritasverbandes) sind in Stadt und Landkreis Bamberg wichtige Ansprechpartner für Betroffene.
Die Suchtberatung bietet in Bamberg kostenlose Beratung für von Sucht Betroffene und Angehörige an. Termine können telefonisch oder per E-Mail vereinbart werden. In der offenen Sprechstunde werden zudem jeden Mittwoch von 8 bis 10 Uhr telefonische Kurztermine ohne Voranmeldung angeboten. Weitere Infos zum Thema Kinder aus suchtbelasteten Familien wird es während der Aktionswoche auch auf der Facebook-Seite der Suchtberatung geben (www.facebook.com.
Die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern bietet Eltern, Kontaktpersonen, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu kostenfreier Beratung nach vorheriger Vereinbarung. Zudem gibt es ein speziell entwickeltes Gruppenprogramm für Kinder aus suchtbelasteten Familien. Die Gruppe „Wildfang“ ist für Kinder von acht bis zwölf Jahren konzipiert und startet im April neu. Anmeldeschluss ist der 31. März. Während der Aktionswoche können Betroffene zu einer kostenfreien und anonymen telefonischen Sprechstunde ohne vorherige Terminabsprache zum Thema Suchterkrankungen Fragen stellen: 15. Februar, 14 bis 15.30 Uhr unter Tel. (0951) 2995749.
Schulterschluss ist ein Verbund von Vertreterinnen und Vertretern aus dem Erziehungs-, Gesundheits-, Suchthilfe- und Jugendhilfesystem und hat zum Ziel, den fachlichen Austausch zu fördern und die Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen mit suchtkranken Eltern in der Region Bamberg weiter zu verbessern. (red)