In unseren Kirchen hängen an diesem Sonntag weißes Tücher an Altar und Kanzel. Weiß ist die Farbe des Lichts, die Farbe der Hoffnung. Sie steht für Christus, der uns neues, ewiges Leben verheißt.
Die weißen Paramente leuchten an diesem Tag, an dem viele noch einmal in schwarz den Gottesdienst besuchen: Wir gedenken der Verstorbenen des letzten Kirchenjahres. Manche betrauern viele Tote. Manche erinnern auch die, die sie bereits vor langer Zeit begraben haben Für etliche ist es ein schwerer Gang: Den laut verlesenen Namen hören – das schmerzt. Denn er fehlt. Sie wird jeden Tag vermisst.
„Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde, …und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“ Diese Verse aus dem letzten Buch der Bibel sind an diesem Sonntag auch zu hören.
Die Verheißung aus der Offenbarung klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Kein Leid, keine Tränen, eine neue Erde. Doch gerade in Zeiten wie diesen, in denen uns täglich grausame Nachrichten aus den Kriegsgebieten erreichen, sind sie wichtig. Weil Klimaveränderungen uns deutlich machen, es wird nicht mehr weitergehen wie bisher, sind sie unverzichtbar.
Sie sind keine Vertröstung auf das Jenseits, diese alten Worte. Sie erzählen davon, dass Gott die Menschen, ihr Leid, ihr Schmerz nicht egal sind. Gott will ein gutes Leben für alle Menschen auf seiner Erde. Gott leidet mit seinen Geschöpfen. Und er schenkt Hoffnung auf ein Leben jenseits des Todes. Dafür stehen Leben, Sterben und Auferstehen Jesu.
Damit wird die Verheißung aus dem letzten Buch der Bibel auch zu einem Aufruf für ein gerechtes und würdevolles Leben für alle Menschen hier und heute. Das brauche ich, gerade in Zeiten wie diesen. Auch wenn ich vieles nicht in der Hand habe: Auch ich bin gefragt, wenn es um Gerechtigkeit geht, im Kleinen wie im Großen. Wir alle tun unseren Teil dazu, wie es zugeht in dieser Welt.
Mit dem Ewigkeitssonntag endet das Kirchenjahr. Mit dem Advent beginnt das neue – und mit ihm das sehnsuchtsvolle Warten auf Weihnachten. Ein Kind wird geboren. Neue Hoffnung. Neues Leben. Ein Neuanfang, den Gott selbst schenkt.
In Trauer und Schmerz über den Tod eines nahestehenden Menschen scheint es erst kaum möglich. Doch viele erfahren nach und nach, wie hoffnungsvolle und freudige Momente wieder zunehmen. Trauer ist kein Zustand. Sie ist ein Weg. Der Schmerz über den Abschied verändert sich. Dankbarkeit tritt in den Vordergrund, für gemeinsam Erlebtes, für schöne Erinnerung, die bleiben. Und es eröffnen sich neue Perspektiven.
Ich begehe den letzten Sonntag des Kirchenjahres darum als Ewigkeitssonntag – obwohl er im Volksmund oft „Totensonntag“ genannt wird. Meine christliche Hoffnung bleibt nicht beim Tod stehen. Ich blicke über das Grab hinaus: In Gottes Ewigkeit gibt es den neuen Himmel und die neue Erde. Und manchmal, da leuchten neben der Hoffnung darauf auch sichtbare Spuren mitten in dieser Welt auf.
Für das Gedenken am Ewigkeitssonntag und die kommende Adventszeit wünsche ich Ihnen hoffnungsvolle Perspektiven. Es ist gewiss: Was wir erleben und was wir erleiden, das ist noch nicht das Ende der Geschichte.
Stefanie Ott-Frühwald,
evangelische Dekanin
Michelau