„Guten Morgen!“ Ein alltäglicher Gruß, der bei mir aber diese Woche ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Er kam mir völlig unerwartet entgegen – im wahrsten Sinn des Wortes.
Ich war mit dem Auto im Landkreis unterwegs. Wie immer war ich nicht allein auf der Straße. Normalerweise registriere ich die entgegenkommenden Fahrzeuge nur insofern, dass sie andere Verkehrsteilnehmer sind. Die Menschen, die darin sitzen, nehme ich kaum wahr. Wobei ich manchmal überlege, wohin sie wohl gerade fahren. Ist es ein schönes Ziel oder erwartet sie eher etwas Unangenehmes? Mit solchen Gedanken unterwegs, schicke ich ihnen in der Regel ein Gebet hinterher.
Diese Woche war aber etwas anders. Denn ehrlich gesagt kommt das Lächeln nicht unbedingt angesichts anderer Verkehrsteilnehmenden. Mir kam ein Bus des öffentlichen Nahverkehrs VGN entgegen. Auch das nicht ungewöhnlich. Was das etwas Andere war: in seinem Display stand nicht, wohin er unterwegs war. Auch nicht, wie so häufig: Betriebsfahrt. Nein, es stand in großen Buchstaben ein „GUTEN MORGEN“ über der Frontscheibe. Es war wie ein fröhlicher Gruß an alle Entgegenkommenden. Mich freute dieser Gruß so sehr, dass ich lächeln musste. Und ich dachte dankbar an den Fahrer oder die Fahrerin und grüßte zurück.
Vom Heiligen Franziskus erzählt man sich, dass er einmal unterwegs war und zwar dort, wo Menschen lebten, die man nicht gerade als „gute Leute“ bezeichnen würde: Wegelagerer, Betrüger, Räuber, Mörder. Franziskus aber war davon weder beeindruckt noch verängstigt. Er grüßte die Menschen lauthals: „Buon giorno, buona gente“ – „Guten Tag, ihr guten Menschen!“ Er hatte soeben die Erfahrung gemacht, dass Gott ihm alle Sünden seiner Vergangenheit vergeben hat. So konnte er die Menschen sehen, als ob er sie mit Gottes Augen sehen würde. Und was er da sah, veranlasste ihn, den guten Kern anzusprechen und ihnen einen guten Tag zu wünschen.
Ein Tag kann gut werden, wenn ich meinen Blick auf das Gute richte, das mir begegnet. Manchmal, ja sogar sehr oft, ist es unscheinbar, vielleicht alltäglich. Die Kunst ist, es zu entdecken. Diese Kunst ist leicht lernbar: jeden Abend überlegen, was heute gut war. Und das kann mit einem einfachen, aber fröhlichen „Guten Morgen!“ gleich früh beginnen.
Ich habe es noch gelernt, jeden zu grüßen, der einem entgegenkommt. Und ich habe es als Kind sehr gerne gemacht. Als Erwachsene machte ich die Erfahrung, dass immer weniger gegrüßt wird. Als ob wir die gute alte fränkische Tradition verloren hätten. Allerdings muss ich zugeben: als Ordensfrau wird man noch häufiger gegrüßt. Wenn jemand mit mir unterwegs ist, höre ich manchmal: „So oft wurde ich noch nie gegrüßt, wie heute mit Dir.“
Man hat mir gesagt, dass beim Bergwandern der Brauch des Grüßens noch gepflegt wird. Warum es im Alltag, zumal in unserer ländlichen Gegend eher entfällt, konnte mir niemand erklären. Dabei ist es so schön, den anderen, auch unbekannten Mitmenschen, einen solch wunderbaren Wunsch zuzusprechen.
Mögen Sie heute einen guten Tag haben. Und morgen. Und übermorgen. Und die ganze Woche lang. So wünsche ich Ihnen einen „Guten Morgen!“ und einen „Guten Tag!“ und bitte Sie: geben Sie den Gruß weiter – man kann nie wissen, welch überaus positiven Effekt ein fremdes Lächeln haben kann.
Sr. Katharina Horn,
Franziskusschwester, Vierzehnheiligen