Wort zur Besinnung
Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden meint das Wohlergehen aller. Er gründet in einem gerechten Miteinander der Verschiedenen. Am kommenden Dienstag rufen die Vereinten Nationen wieder den Internationalen Tag des Friedens aus. Er soll die Idee des Friedens sowohl innerhalb der Länder und Völker als auch zwischen ihnen beobachten und stärken.
Die Idee dazu ist vor 40 Jahre geboren worden. Am 7. September 2001 wurde dann festgelegt, dass der Internationale Tag des Friedens jährlich am dritten Dienstag im September gefeiert werden soll. Da beginnen die jährlichen Vollversammlungen der UNO.
Vier Tage später steuerten Terroristen gekidnappte Passagiermaschinen in die Zwillingstürme des World Trade Center in New York und in das Pentagon in Washington. In der Folge erklärten die USA dem internationalen Terrorismus den Krieg und marschierten in Afghanistan ein. Die NATO rief den Bündnisfall aus. Auch die Bundesrepublik Deutschland verlegte Truppen an den Hindukusch, um dort den internationalen Terrorismus zu bekämpfen.
Vor wenigen Wochen ist dieser Krieg zu Ende gegangen – nach 20 Jahren. Nicht erst seit dem Abzug der US-Army und NATO-Truppen inklusive Bundeswehr wird darüber gestritten, wozu er gut gewesen sein soll. Die Terrororganisation Al Kaida, aus der die Attentäter kamen, mag zerschlagen sein. Osama bin Laden, ihr Gründer und Kopf der Anschläge vom 11. September, wurde vor einem Jahrzehnt vom amerikanischen Geheimdienst gezielt getötet.
Doch auch jetzt ist nichts gut in Afghanistan: Wie vor 2001 haben nun wieder die Taliban die Macht im Land. Frauen und Mädchen fürchten um ihre Rechte. Wer sich für demokratische Strukturen und freiheitliche Rechte einsetzt oder eingesetzt hat, muss mit Vergeltung der islamistischen Extremisten rechnen. Einige haben es geschafft, mit einem der rettenden Flugzeuge außer Landes zu gelangen. Andere hoffen noch darauf.
Auch deutsche Soldatinnen und Soldaten haben an ein friedliches Afghanistan geglaubt. Dafür haben sie ihr Leben und ihre - körperliche wie seelische - Unversehrtheit aufs Spiel gesetzt. Einmal mehr stellt sich die Frage: Lässt Frieden sich mit Waffengewalt herstellen?
Angehörige ziviler Hilfsorganisationen sagen: Die letzten zwanzig Jahre waren trotz allem nicht vergebens. Viele Mädchen haben in dieser Zeit eine Schulbildung erhalten. Demokratische Ideen sind entstanden und auch erprobt worden. All das lässt sich nicht mehr aus den Köpfen und vor allem nicht aus den Seelen der Menschen in Afghanistan ausradieren.
Schon immer sind Ideen der Beginn von etwas Neuem. Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes heißen. So predigt Jesus auf dem Berg. Diese Verheißung zieht bis heute Kreise. Manche davon sind sichtbarer als andere.
In meinem Heimatort in Meeder bei Coburg gibt es seit Beginn der 1980-er Jahre ein Friedensmuseum. Von Anfang sollte dort mit den Fundstücken der Vergangenheit den Frieden heute gefördert werden.
So habe ich als Jugendliche Anna Bernhardine Eckstein kennen gelernt. Als junge Frau ist sie Ende des 19. Jahrhunderts von Oberfranken in die USA ausgewandert. Dort hat sie die amerikanische Friedensbewegung kennengelernt. Am Beginn des 20. Jahrhunderts reist sie kreuz und quer durch die Welt. Millionen Unterschriften für ein internationales Schiedsgericht hat sie dabei gesammelt.
Anna B. Eckstein wollte, dass Konflikte zwischen verschiedenen Staaten nicht mehr durch bewaffnete Konflikte entschieden werden. Sie sollten - wie die Streitigkeiten zwischen Nachbarn- ohne Blutvergießen vor unabhängigen Richtern geschlichtet werden. Für ihre Idee vom Friedensstiften war Anna Bernhardine Eckstein 1913 für den Friedensnobelpreis nominiert. Bevor ihre Idee Wirklichkeit wurde, vergingen Jahrzehnte.
Erst nach zwei Weltkriegen wurden sie umgesetzt: 1945 wurden die Vereinten Nationen gegründet - die Organisation, die sich die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, den Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit in ihre Charta geschrieben hat.
Die Vereinten Nationen brauchen das Engagement jedes und jeder einzelnen – nicht nur auf staatlicher Ebene, sondern auch im Miteinander innerhalb von Staaten und Gemeinwesen. In ihrer langen Geschichte ist mehr denn je deutlich geworden: Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden meint das Wohlergehen aller. Und er gründet im Willen der Verschiedenen, trotz aller Unterschiede friedlich miteinander zu leben.
Stefanie Ott-Frühwald, Dekanin in Michelau