Wort zur Besinnung
Am Sonntag in einer Woche sind Wahlen. Und niemand braucht besonders zu betonen, dass es spannende Wahlen werden. Die Parteienlandschaft ist vielfältiger geworden, die Themen emotionaler und die Extreme stärker.
Auch von kirchlicher Seite, von Bischöfinnen und Bischöfen, von Pfarrerinnen und Pfarrern hört man derzeit oft Statements verschiedenster Art. Manchen ist das zu viel Politik in der Kirche. Man möge doch trennen zwischen persönlichem Glauben und politischem Engagement. Die Kirche könne der Politik keine Verhaltensregeln aufoktroyieren.
Kritische Situation
Nun muss ich selber bekennen, dass ich als Pfarrer in den vergangenen anderthalb Jahren auch begonnen habe, politisch zu predigen. Insbesondere in unseren Themen-Gottesdiensten am dritten Sonntag des Monats. Ich steige dazu nicht auf die Kanzel, sondern bleibe bewusst unten am Lesepult, um einen Unterschied zu machen zwischen der Verkündigung und Auslegung des Wortes Gottes und eine Interpretation unserer gesellschaftlichen Lage im Lichte christlicher Werte und Überzeugungen.
Es hat mich dazu gedrängt, da ich mir nicht den Vorwurf machen lassen möchte, ich hätte in kritischen, schwierigen Situationen geschwiegen. In einer solchen kritischen, schwierigen Situation sehe ich unser Land, ohne zu bestreiten, dass es auch schon früher eben solche gab.
Christliche Werte!
Meine größte Sorge ist, und viele teilen sie mit mir, dass wir die Werte unserer Demokratie, unsere demokratischen Umgangsformen, ihre grundlegenden Säulen wie die Menschenwürde (die sich eben bereits in Ton und Wortwahl unserer Diskussionen widerspiegelt), Rechtstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Freiheit drohen zu verlieren.
Und diese Sorge wird bestätigt durch den Blick in andere Länder unserer Welt, in denen sich demokratisch gewählte Machthaber nicht mehr an die Regeln einer Demokratie halten wollen.
Warum ist mir das als Christ wichtig? Diese Werte der Menschenwürde und der Freiheit sind aus dem christlichen Glauben erwachsen – wenn auch teilweise auf einem langen Entwicklungsweg mit Rückschlägen. Und sie verbanden sich mit Gedanken aus der Aufklärung und der Moderne.
Es geht um Nächstenliebe
Das aber, was manche christliche Parteien als christliche Werte behaupten zu verteidigen, sind gar keine solchen. Denn der christliche Glaube ist universal und niemals völkisch. Und zu diesen christlichen Werten gehört eben an allerhöchster Stelle die Nächstenliebe. Deswegen kann ich Andersgläubige nicht diffamieren, kann Flüchtlinge nicht beschimpfen und auch nicht Lügen oder Halbwahrheiten in die Welt setzen. Ich muss Unrecht Unrecht nennen und nicht Interessen oder Notlagen konstruieren, die Unrecht rechtfertigen.
Mit alldem ist noch nichts zu den aktuellen politischen Problemen zum Beispiel im Rahmen der Migration gesagt. Es geht mir um die Sprache, die Art der Diskussion, um die Würde der betroffenen Menschen, um Nächstenliebe und eine sachliche Auseinandersetzung.
Wenn es um die Bedrohung christliche Werte geht (die ja unter anderem. als Menschenrechte weitgehend universell anerkannt werden), muss Kirche auch politisch sein. Wer das verneint, der darf den Kirchen zum Beispiel auch kein Versagen im Dritten Reich vorwerfen.
Messen Sie die Parteien und ihre Kandidatinnen und Kandidaten daran, ob sie sich zu 100 Prozent unseren demokratischen Grundrechten verpflichtet sehen (Stichpunkt zum Beispiel. Haltung zur deutschen Vergangenheit!) und machen Sie da ihr Kreuzchen, wo sie Menschen mit Verantwortung und einer Leidenschaft für unsere freiheitliche Demokratie sehen! Foto: Sachs
Burkhard Sachs,
evangelscher Pfarrer,
Mitwitz