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Lohr: Bewegungsmangel macht krank: So motivieren Schulen und Eltern Kinder zu mehr Sport

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Bewegungsmangel macht krank: So motivieren Schulen und Eltern Kinder zu mehr Sport

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    Mit genug Bewegung und Sport können sich Kinder und Jugendliche nicht nur vor körperlichen, sondern auch vor psychischen Krankheiten schützen.
    Mit genug Bewegung und Sport können sich Kinder und Jugendliche nicht nur vor körperlichen, sondern auch vor psychischen Krankheiten schützen. Foto: Hendrik Schmidt, dpa (Symbolfoto)

    Sport und Bewegung helfen nicht nur dabei, körperlich gesund zu bleiben, sondern beugen auch psychischen Erkrankungen vor. Der Ärztliche Direktor des Lohrer Bezirkskrankenhauses, Dominikus Bönsch, behandelt immer mehr junge Erwachsene mit schweren psychischen Problemen. Er begründet das auch mit Bewegungsmangel und der Fokussierung auf Medien.

    Bei einer Fachtagung im Lohrer Bezirkskrankenhaus (BKH) haben sich Expertinnen und Experten zum Thema „Bewegung und mentale Gesundheit im Kindes- und Jugendalter“ ausgetauscht. Wie Kinder und Jugendliche daheim und in der Schule zu mehr Bewegung motiviert werden können.     

    Wie wirken sich Sport und Bewegung auf das Risiko aus, an einer Depression zu erkranken?

    Bei regelmäßiger körperlicher Aktivität sinkt das Depressionsrisiko um 25 bis 33 Prozent. Das habe sich in verschiedenen Studien herausgestellt, erläutert Bönsch. „Wir müssen davon ausgehen, dass ungefähr ein Drittel der Menschen im Laufe ihres Lebens eine depressive Phase haben. Wenn wir davon ein Viertel bis ein Drittel durch mehr Bewegung davor bewahren können, ist viel gewonnen.“

    Bönsch beobachtet, dass die Patientengruppe der jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren am BKH in Lohr zunimmt. Die genaue Ursache dafür zu benennen, hält der Facharzt für schwierig. „Bewegungsmangel und die Fokussierung auf Medien spielt da sicher eine große Rolle“, sagt er. Das Wissen über den eigenen Körper fehle häufig. Vielen seien Sport und Bewegung ganz fremd.

    Wie viel Sport muss man täglich machen, um das Depressionsrisiko zu senken?

    „Ich würde sagen, dass es grob um zwei bis drei Stunden in der Woche geht, die man Sport treiben sollte“, sagt Psychiater Dominikus Bönsch. Flottes Spazierengehen, bei dem man „richtig in Dampf kommt“, reiche dafür wohl schon, so der Mediziner. Seiner Aussage nach gibt es unterschiedliche Studienergebnisse zur Dauer der körperlichen Aktivität. Teilweise sind 150 Minuten in der Woche als Schwellenwert angegeben, in anderen Studien ist von täglich 15 Minuten intensiver sportlicher Aktivität oder alternativ 60 Minuten moderater Bewegung am Tag die Rede.

    Wieso sind Sport und Bewegung auch bei leichten und mittleren Depressionen ratsam?

    Im Gegensatz zur medikamentösen Therapie mit Antidepressiva haben Sport und Bewegung laut Bönsch kaum Nebenwirkungen, aber eine ganze Reihe von positiven Effekten. „Medikamente werden zur Behandlung einer leichten Depression nicht empfohlen. Psychotherapie ist zum einen nicht immer verfügbar und auch nicht in jedem Fall sinnvoll“, betont er.

    Sport und Bewegung haben dem Lohrer Mediziner zufolge den großen Effekt, dass depressive Menschen sehen, dass sie sich selbst helfen können. „Das macht etwas mit meinem Selbstwertgefühl, wenn ich es schaffe, mich regelmäßig zu bewegen und aktiv zu sein“, sagt Bönsch. Als weitere positive Einflüsse sieht er den Kontakt zu anderen Menschen beim Sport, die Glücksgefühle nach der Bewegung und dass dabei Stress abgebaut wird. „Das führt dazu, dass sich auch in den Studien ganz deutlich gezeigt hat, dass das einen unglaublich positiven Effekt hat“, erläutert er.

    Wie lassen sich Kinder und Jugendliche zu mehr Bewegung motivieren?

    Bönsch hält dabei die Vorbildfunktion von Eltern und Gleichaltrigen für wichtig. Auch welchen Stellenwert der Bewegung im Kindergarten und in der Schule eingeräumt wird, wirkt sich laut dem Psychiater sehr auf den Einzelnen aus. 

    Als ein Problem sieht Bönsch an, dass sich die Menschen zu große Ziele vornehmen, die oft schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt seien. Wenn man mit Sport beginnt, sollte man nach Bönschs Ansicht kleine Schritte machen und sich langsam steigern. „Man muss, wenn man vom Sport zurückkommt, gut erholt sein und immer noch Reserven haben“, rät er. Um dranzubleiben, sei außerdem wichtig, Sport und Bewegung in die Alltagsroutine aufzunehmen.

    Dass die sportliche Aktivität den Kindern Spaß bereitet, ist für Sportwissenschaftlerin Daniela Keller das Allerwichtigste. Dann hätten sie auch Lust, das wieder zu machen. „Manchen Kindern liegt eine Ballsportart mehr, andere sind eher Individualsportler, die sich in Leichtathletik oder im Turnen wiederfinden“, sagt Keller, die Gesundheitsfachkraft bei der AOK ist. Gemeinsam mit anderen Kindern Sport zu machen, etwa im Verein, könne ebenfalls motivieren, betont Keller.

    Immer mehr Schüler sind unkonzentriert und unruhig, was hilft dagegen?

    Petra Fackelmann moderiert das Landesprogramm „Gute gesunde Schule“ in Unterfranken. Die Dettelbacher Realschullehrerin (Landkreis Kitzingen) hat gute Erfahrungen mit der „bewegten Pause“ von Ostern bis Oktober an ihrer eigenen Schule gemacht. „Wenn die Schüler aus der Pause kommen, sind sie nicht mehr so hippelig und konzentrierter.“ Ihre Schule bietet verschiedene Sportgeräte in der Pause an, damit die Schüler ihren natürlichen Bewegungsdrang ausleben können. „Wir haben auch Sportgeräte, die jetzt nicht alltäglich sind, wie Bälle zum Balancieren oder Stelzen“, erklärt sie.

    Kinder und Jugendliche müssen auch im Unterricht viel sitzen. Wie lässt sich da mehr Bewegung reinbringen? 

    Kleinigkeiten lassen sich nach Ansicht von Petra Fackelmann immer einbauen. Als Beispiele nennt sie Laufdiktate, Lernzirkel mit verschiedenen Stationen und bewegte Rechenaufgaben, bei denen Grundschüler auf die Karten mit den richtigen Lösungen springen, die auf dem Boden liegen. Fackelmann lässt ihre Schüler auch mal eine Runde auf dem Pausenhof rennen, wenn sie im Unterricht „total aufgedreht“ sind. Alternativ empfiehlt sie zwei- bis dreiminütige Bewegungspausen während des Unterrichts, bei denen die Schüler beispielsweise Dehnübungen machen.

    Warum ist Bewegung schon im Kleinkindalter wichtig?

    Bewegung fördert die Entwicklung von Kindern auf vielfältige Weise, sagt Anja Butter vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Karlstadt. Das AELF bietet verschiedene Bewegungskurse für Kinder bis 3 Jahre an und rät zu „so viel Alltagsbewegung wie möglich“. Durch Bewegung baue das Kind soziale Verbindungen zu den Eltern und anderen Kindern auf, erläutert die Ökotrophologin. „Kleinkinder äußern sich ja erst mal durch Bewegung und Gesten“, erklärt sie.

    Verschiedene Bewegungsabläufe fördern das Denken, verbessern die Koordination, stärken das Immunsystem und entwickeln die Sinne, sagt Anja Butter. „Kinder entwickeln erst ihre Motorik – durch Üben, durch Machen, durch Anleitung der Eltern können sie das ganz natürlich entwickeln“, betont Butter. Dafür müsse man nicht extra besondere Spiele oder Geräte anschaffen, sondern könne mit Alltagsgegenständen, wie Töpfen, Pfannen oder Löffeln, Spiele kreieren. 

    Viele Eltern seien heute sehr vorsichtig und würden die Kinder aus Angst, dass sie sich verletzen, beim Spielen zurückhalten. Butter rät, die Kinder draußen in der Natur auch mal machen zu lassen, um ihnen Bewegungsanreize zu bieten. „Dann haben sie halt auch mal Schlamm an den Händen“, sagt sie.

    Hintergrund: Fachtagung im BKH Lohr

    Das Thema „Bewegung und mentale Gesundheit im Kindes- und Jugendalter“ könnte aktueller nicht sein. Bei der Fachtagung im Festsaal des Lohrer Bezirkskrankenhauses berichtete Landrätin Sabine Sitter, dass das Jugendamt des Landkreises Main-Spessart „die Defizite des Bewegungsmangels“ mitbekomme. Die Corona-Pandemie habe das Problem noch verschärft, sagte sie. Bewegung und Sport in den Familien, Schulen und Einrichtungen wieder in den Vordergrund zu rücken, bezeichnete die Landrätin als „gesamtpolitische Aufgabe“. 

    Eine Gesundheitsfachkraft der AOK stellte diverse von der Krankenkasse konzipierte Schulfitness-Angebote vor. Petra Fackelmann präsentierte das bayerische Landesprogramm „Gute gesunde Schule“, das die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler durch Bewegung fördern will. Die Lehrerin moderiert das Programm in Unterfranken: In Bayern haben sich laut Fackelmann dieses Schuljahr 458 Schulen angemeldet. Das Programm gibt es seit 2019 und ist für alle Schularten geeignet. „Gute gesunde Schulen“ im Kreis Main-Spessart sind laut Fackelmann das Friedrich-List-Gymnasium Gemünden, die Realschule Lohr, die Realschule Arnstein und die Fachoberschule Marktheidenfeld. (dau)

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