Ist das einfach nur Wetter oder doch tatsächlich der Klimawandel? Diese Frage mögen sich manche angesichts jüngster Hitzetage gestellt haben. Die Forstleute des Lohrer Stadtwalds beantworten sie eindeutig – und erläutern die Folgen.
„Wir sehen und spüren die Folgen des Klimawandels jeden Tag“, sagt Stadtforstchef Michael Neuner. Bei der jährlichen Waldfahrt des Stadtrats führte er mehrfach vor Augen, wie sich der Klimawandel auf den größten Vermögenswert der Stadt auswirkt – und wie man im Stadtwald versucht, damit umzugehen.
Am eindrücklichsten veranschaulicht wurden die Auswirkungen des Klimawandels auf hiesige Wälder ausgerechnet bei einem ungeplanten Zwischenstopp: Der Bus mit den rund 40 Teilnehmern aus Stadtrat und Verwaltung zockelte gerade gemächlich durch die zwischen Wombach und Rechtenbach gelegenen Wälder des Distrikts Schwebberg, als plötzlich eine querliegende Baumkrone einer Buche den Waldweg blockierte.

Es dauerte einige Minuten, bis die städtischen Forstmitarbeiter den Stamm mit einer Handsäge zerteilt und aus dem Weg geschafft hatten. Als der Bus wieder rollte, bezeichnete Neuner die unerwartete Sperrung als „Phänomen des Klimawandels“. Man beobachte immer häufiger, dass grüne Kronen von Buchen „einfach abbrechen“, ohne dass es vorher irgendwelche Anzeichen einer Schwächung des Baumes gebe. Man habe also gerade ein „Paradebeispiel der Folgen des Klimawandels“ gesehen, erklärte der Forstmann.
Arbeitsbelastung steigt
Laut Neuner bewirken solche und weitere Folgen des Klimawandels eine deutliche Zunahme der Arbeitsbelastung im Forst. Um diese mit unveränderter Personalstärke bewältigen zu können, setzt man im Stadtwald vermehrt auf Digitalisierung.
Wie sich diese selbst im Wald nutzen lässt, verdeutlichten die städtischen Forstleute am Beispiel der Borkenkäfersuche. Das Insekt hat in den vergangenen Jahren in immer stärkerem Ausmaß vom Klimawandel geschwächte Fichten befallen.
Um die Ausbreitung der Käfer einzudämmen, ist laut Neuner Tempo und zielgenaues Arbeiten wichtig. Genau hier setzt eine Software an, die Stadtförster André Lamontain eigens programmiert hat. Sie ermöglicht in einer digitalen Karte das metergenaue Markieren des Standortes etwa eines vom Borkenkäfer befallenen Baumes.
Zielgenaueres Arbeiten wichtig
Anhand der digitalen Markierung können die Waldarbeiter mittels ihres Smartphones die Bäume schnell finden und fällen. Der Holzrücker wiederum nutzt die gleiche Software, um zu den im Wald verteilten Stämmen zu gelangen und diese an die Forststraße zu ziehen. Im nächsten Schritt kann sich der Fuhrmann per digitaler Karte direkt zu dem am Weg zur Abfuhr bereitliegenden Holz lotsen lassen.
All das, so erklärte Neuner, beschleunigt den Prozess vom Umsägen des Baumes bis zum Abtransport enorm. Dieses Tempo sei gerade beim Kampf gegen den Borkenkäfer wichtig. Habe es früher vom Fällen eines Baumes bis zur Abfuhr aus dem Wald meist mindestens zehn Wochen gedauert, schaffe man es mittlerweile teils unter zwei Wochen.
Das höhere Tempo in der Arbeitskette erleichtere auch die Vermarktung des Holzes, etwa dann, wenn man bei größeren Borkenkäferkalamitäten mit massenhaftem Holzanfall „vor der großen Welle“ in den Verkauf gehen und so bessere Preise erzielen könne, erklärte Neuner.
Investition in Digitalisierung
Zwar habe man für die Ausstattung der gesamten Forst-Truppe mit digitalen Geräten rund 15.000 Euro investieren müssen. Jedoch mache sich die Investition in die Digitalisierung längst bezahlt, so Neuner. Als weitere Beispiele für den Zeit einsparenden Einsatz nannte er die Arbeits- und Materialplanung, das Erfassen von Holzmengen oder auch das Erteilen von Arbeitsaufträgen an die Waldarbeiter.
Während man es im Stadtwald so schaffe, das gestiegene Arbeitspensum zu bewältigen, lassen sich andere Auswirkungen des Klimawandels laut Neuner nicht ohne weiteres abfedern. Als Beispiel führte er die vielen, oft kleinparzellierten Saatflächen vor Augen, mit denen man den Eichenanteil im Stadtwald steigern wolle.
Die deutlich zu geringen Niederschläge der vergangenen Monate erschwerten dieses Unterfangen, so Neuner. „Wir wundern uns, dass sie noch so gut dastehen“, so der Forstmann.
Bürgermeister Mario Paul machte mit Blick auf das Thema Klimawandel deutlich, dass er keinerlei Verständnis für Zweifel an dessen Existenz habe: „Schauen Sie sich die Zeitreihen an. Die Prognosen sind zutreffend.“ Man solle „nicht über Fakten diskutieren, sondern auf Basis der Fakten das tun, was notwendig ist“. Es gehe nicht darum, Panik zu verbreiten, jedoch darum, „sehr stark zur Aktion zu rufen“, forderte Paul ein stärkeres Bemühen im Klimaschutz. Der Lohrer Stadtwald jedenfalls sei das beste Beispiel dafür, dass es kein Widerspruch sei, sich einerseits des Waldumbaus hin zu klimastabilen Wäldern zu widmen und dennoch wirtschaftlich zu arbeiten.
Wildkammer generalsaniert
Der städtische Forstbetrieb hat seine mitten in der Altstadt gelegene Wildkammer generalsaniert. Wie Stadtforstchef Michael Neuner im Rahmen der Waldfahrt des Stadtrats vorführte, wurde das unscheinbare Häuschen zwischen Grafen-von-Rieneck Straße und Oberer Schlachthausgasse für 101.000 Euro auf den neusten Stand gebracht.
Die Kosten für die Sanierung des Gebäudes seien ursprünglich auf 250.000 Euro kalkuliert gewesen, so Neuner. Durch viel Eigenleistung und kreative Lösungen wie das Beschaffen einer gebrauchten Rohrbahn habe man diesen Betrag mehr als halbieren können. „Kaufen Sie Wildfleisch bei uns, damit wir die Sanierung refinanzieren können“, forderte Neuner die Stadträte auf. Man erziele mit der Wildvermarktung jährliche Erlöse zwischen 30.000 und 40.000 Euro. Laut
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