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Lohr: Beweidung im Lohrer Stadtwald: Rinder als Schlüssel zur Förderung der Biodiversität auf Waldwiesen

Lohr

Beweidung im Lohrer Stadtwald: Rinder als Schlüssel zur Förderung der Biodiversität auf Waldwiesen

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    Spargel-Schmalbiene.
    Spargel-Schmalbiene. Foto: Victoria Schwab

    Sechs Jahre nach dem unter dem Schlagwort „Rettet die Bienen“ zum Erfolg gewordenen Volksbegehren ist das Thema Artenschutz spürbar aus dem Fokus der Öffentlichkeit geraten. Im Lohrer Stadtwald kommt allerdings ein Projekt gerade erst so richtig in Fahrt, das seinen Ursprung im damaligen Volksbegehren hatte. Die Erfolge sind beachtlich und für jedermann sichtbar.

    Kleiner Eichenbock, Große Goldschrecke, Hirsch- und Stierkäfer, Knautien-Sandbiene und Plattbauch: Es ist eine bunte Mischung an Arten, die sich da auf rund einem Dutzend Lohrer Waldwiesen tummelt. Und sie wird immer größer. Denn seit mehreren Jahren arbeiten verschiedene Akteure gemeinsam daran, die Artenvielfalt auf Lohrer Waldwiesen gezielt zu steigern. 

    Mehr Lebensräume schaffen

    Ein Dutzend Flächen mit zusammen rund 40.000 Quadratmetern stehen dabei im Fokus. Ziel sei es, so erklärt Michael Neuner, Leiter der städtischen Forstverwaltung, auf diesen Flächen mehr Strukturen und so ein Geflecht verschiedenster Lebensräume zu schaffen. 

    Neuners Ansinnen war es, im schon seit rund vier Jahrzehnten stark auf naturnahe Waldwirtschaft setzenden Stadtwald noch mehr Biodiversität zu schaffen. Deswegen ging er nach dem Artenschutz-Voksbegehren auf die Regierung von Unterfranken zu. Deren Biodiversitätsbeauftragte Christian Salomon war leicht zu begeistern. Er begleitet das Lohrer Artenschutzprojekt seither.

    Für dieses hat man sich bereits existierende Wiesenflächen im Stadtwald ausgesucht, alte Hutungsflächen, auf denen in früheren Zeiten Vieh weidete. Die Waldwiesen wurden, wo erforderlich, entbuscht.

    Durch aufgeschichtete Totholz- und Steinhaufen entstanden neue Nischen, ebenso durch Ausbuchtungen entlang des Waldrandes oder neu angelegte Tümpel. Auf diese Weise seien „völlig neue Strukturen entstanden“, sagt Salomon über das Konzept. Der Artenvielfalt wurde überdies durch das Ausbringen von Saatgut auf die Sprünge geholfen. Geerntet hatte man es auf der ausgesprochen artenreichen Weikertswiese oberhalb von Rechtenbach.

    Neben dieser Anschubhilfe ist laut Salomon auch die Art der dauerhaften Pflege der Wiese entscheidend. „Mulchen ist das Schlimmste, was man machen kann. Da wird alles zu Brei geschlagen“, sagt der Biodiversitätsexperte. Statt auf moderne Mulch- oder Mähwerke setze man daher, wo nötig, auf einen einfachen Balkenmäher. Dabei sei es wichtig, immer auch Streifen stehenzulassen, erklärt Salomon. 

    Vierbeinige „Mähwerke“

    Noch lieber aber setzt man auf vierbeinige „Mähwerke“: Und so weideten auf einer Wiese unweit des Karl-Neuf-Platzes oberhalb von Wombach den Sommer hindurch Rinder. Auf anderen Lohrer Waldwiesen tummelten sich Coburger Füchse, eine alte Schafrasse. Die Tiere schaffen durch ihren Dung, das ungleichmäßige Abgrasen und ihre Trittspuren viele Kleinstlebensräume - vor allem für Insekten.

    Die Erfolge seien bereits beim bloßen Betrachten der Waldwiesen sichtbar, sagt Neuner. Laut Salomon sind sie aber auch messbar. Zu diesem Zweck sitzt bei dem Projekt von Beginn an das Artenschutzzentrum des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) mit im Boot. Dessen Mitarbeiter haben auf den Lohrer Waldwiesen spezielle Insektenfallen aufgestellt

    Christian Salomon (Biodiversitätsbeauftragter der Regierung von Unterfranken) und Michael Neuner (Leiter der Forstverwaltung Lohr am Main) begutachten die Flächen im Stadtwald.
    Christian Salomon (Biodiversitätsbeauftragter der Regierung von Unterfranken) und Michael Neuner (Leiter der Forstverwaltung Lohr am Main) begutachten die Flächen im Stadtwald. Foto: Landesamt für Umwelt

    Die Auswertung des alle zwei Wochen eingesammelten Falleninhalts durch die Wissenschaftler ist laut Salomon deutlicher Beleg für den Erfolg des Waldwiesenprojekts. So seien mittlerweile auf den Lohrer Waldwiesen insgesamt rund 2500 Insekten- und Spinnenarten nachgewiesen. Auf der von Rindern beweideten Wiese unweit des Karl-Neuf-Platzes etwa seien bei der ersten Auswertung der Fallen 600 Insekten nachgewiesen worden. Mittlerweile liege die Anzahl bei 1040, darunter sind auch Arten, die auf der Roten Liste stehen.  

    Zufrieden mit Zusammenarbeit

    Vor dem Hintergrund des Arbeitsaufwands sei die Beweidung mit Rindern oder Schafen die Ideallösung, sagt Salomon. Denn: So muss nicht mehr oder deutlich weniger gemäht werden. Nicht zu vergessen sei eine ganz andere Folge der Anwesenheit der Rinder: Aus einem Kilo Rinderdung entstünden zwölf Gramm Insektenmasse. Auf diese Weise erzeugten drei Rinder pro Tag rund ein Kilo Insektenmasse, rechnet Salomon vor. „Hier werden Lebensmittel produziert und gleichzeitig wird Artenschutz betrieben“, sagt er über den Doppelnutzen der Beweidung der Lohrer Waldwiesen. 

    Die im Lohrer Waldwiesen-Projekt gewonnenen Erkenntnisse sollen laut Landesamt für Umwelt in einen Leitfaden zum systematischen Aufwerten von Freiflächen im Wald einfließen. Vielleicht, so Neuner, ließen sich ja die eine oder andere Kommune sowie andere größere Waldbesitzer zur Nachahmung animieren - ganz im Sinne des Volksbegehrens, das vor Jahren in der Bevölkerung und dadurch auch in der Politik große Unterstützung fand, seither jedoch fast wieder in Vergessenheit geraten ist. 

    Hintergrund: Vom Insektenbrei zur DNA-Analyse

    Um den Erfolg des Biodiversitätsprojekts auf Lohrer Waldwiesen zu messen, wurden auf etlichen von ihnen Insektenfallen aufgestellt. Die nach ihrem Erfinder, dem schwedischen Entomologen René Malaise benannten Fallen sehen ein bisschen aus wie ein Zelt. Bodennah fliegende Insekten gelangen in die aus einem netzartigen Stoff geformte Falle und streben dort dem Licht entgegen. So gelangen sie schließlich in eine mit hochprozentigem Alkohol gefüllte Flasche, wo sie sterben. Die Malaise-Fallen gelten als besonders effektive Methode zur Erfassung des Artenspektrums flugfähiger Insekten. Sie kommen daher häufig bei Biodiversitätsprojekten zum Einsatz. Die Auswertung der auf Lohrer Waldwiesen aufgestellten Fallen erfolgt durch Experten des Landesamtes für Umwelt. Die Methode mag erstaunen: Das in den Fallen enthaltene Insekten-Alkohol-Gemisch wird quasi püriert. Über eine DNA-Analyse des dabei entstehenden Breis können Wissenschaftler feststellen, welche Arten in der Falle gelandet sind. (joun)

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