LOHR. Sieben Bauplätze - das klingt für eine Stadt mit rund 15.000 Einwohnern auf den ersten Blick nicht nach viel. Jedoch mangelt es der Stadt Lohr im engen Talkessel chronisch an verfügbarem und vor allem günstigem Bauland. Vor 25 Jahren war daher die Hoffnung berechtigt, mit relativ geringem Aufwand am Rande der Lindigsiedlung einige Bauplätze schaffen zu können. Das Gelände einigermaßen flach, die Erschließung durch die Posener Straße bereits vorhanden. Also los.
Doch schnell stellte sich heraus, dass die vermeintlich einfache Nummer in dickes Brett ist. Zum größten Knackpunkt entwickelte sich die erforderliche Verlegung des durch das Gebiet fließenden Klingengrabens.
Zum einen gelang es der Stadt nicht, die für die Verlegung benötigten Flächen im Bereich der Sackenbacher Wiese zu kaufen. Zum anderen forderte das Wasserwirtschaftsamt den Bau eines Rückhaltebeckens mit einem Fassungsvermögen von zuletzt rund 900 Kubikmetern. In ihm sollte das Wasser aufgefangen werden, welches im Fall eines Starkregens durch den ansonsten eher als Rinnsal zu bezeichnenden Graben strömen könnte.
Hinzu kämen noch Aspekte des Arten- und Naturschutzes, erklärte Karin Müller vom städtischen Bauamt in der Sitzung des Stadtrats am Mittwochabend. Aufgrund der insgesamt »unlösbaren Problemstellungen« ruhe das Verfahren zur Ausweisung des Baugebiets seit Jahren, fasste sie zusammen.
Viel Leerstand in Lindig
Den Vorschlag der Verwaltung, das im Jahr 2000 gestartete Verfahren komplett zu beerdigen, begründete Müller auch damit, dass es in Lindig laut aktueller Statistik 22 leerstehende Häuser gebe. Für die Zukunft drohe dem Stadtteil gar ein Leerstand von rund einem Fünftel der Wohnfläche, da viele Bewohner älter als 65 Jahre seien.
Etliche Räte indes wollten sich nicht damit abfinden, die über einen so langen Zeitraum verfolgte Planung nun einfach in die Tonne zu klopfen. Ernst Herr (CSU) etwa sprach davon, dass das kleine Baugebiet »die einzige Möglichkeit ist, wo wir noch was ausweisen können«.
Karl-Hermann Hummel (Bürgerverein) sagte, dass man die Planung schon allein wegen des in sie investierten Geldes »nicht einfach wegwerfen« solle. Statt den Klingengraben zu verlegen, könne man ihn doch vielleicht auch in das Baugebiet integrieren, so seine These.
Doch Bürgermeister Mario Paul ebenso wie Rainer Tratberger, der zuständige Mann im städtischen Bauamt, widersprachen: Ein Belassen des Grabens an seiner jetzigen Stelle sei wasserrechtlich nicht möglich, die wasserrechtlichen Probleme seien »nicht lösbar«.
Brigitte Riedmann (Freie Wähler) forderte angesichts dessen, das »Pferd nicht zu Tode zu reiten«, das Verfahren zu beenden und sich stattdessen auf die Aktivierung von Leerständen zu konzentrieren. Clemens Kracht (Grüne) sah das genauso: Es sei ein »Irrweg«, immer weiter neue Baugebiete ausweisen zu wollen.
Thomas Nischalke (SPD) erinnerte daran, dass die Stadt in Sendelbach das Baugebiet »Südlich der Steinfelder Straße« trotz enormer behördlicher Auflagen »brachial durchgeboxt« habe. Die dortigen Bauplätze müsse man nun »wie Sauerbier« anbieten und bekomme sie dennoch nur zögerlich los. Man solle angesichts dieser Erfahrung bei dem Baugebiet Lindig »die Leine ziehen«.
Auch Bürgermeister Paul fragte sich mit Blick auf die schmerzlichen Erfahrungen mit dem Baugebiet in Sendelbach, ob bei manchen Ratsmitgliedern »die Lernkurve so flach ist, dass man sich schon nicht mehr daran erinnert«. Dabei habe die Devise nach Fertigstellung des Baugebiets in Sendelbach doch geheißen, dass es keine Wiederholung geben dürfe.
Vorschlag: Wieder in Schublade
Auch in Lindig würde das Baugebiet richtig teuer, wenn man erst in die Umsetzung und das Abarbeiten sämtlicher Auflagen gehen würde, so Paul. Hinzu komme, dass die Stadt viel Geld ausgeben müsste, um am Ende doch keine eigenen Bauplätze vermarkten zu können. Denn die Fläche in Lindig befinde sich in Privatbesitz.
Eric Schürr (Bürgerverein) indes plädierte dafür, das Baugebiet aktuell zwar nicht weiter zu verfolgen, die Pläne aber auch nicht zu begraben. Stattdessen solle man sie wieder zurück in die Schublade legen, um sie womöglich weiterverfolgen zu können, falls sich die Gesetzeslage ändern sollte. »Das kostet uns nichts«, so Schürr.
Die Diskussion wogte in der Folge noch eine Weile hin und her, bevor schließlich der städtische Umweltreferent Manfred Wirth das Wort ergriff. Die Aktenordner zu der Planung stünden nun schon »seit 20 Jahren rum«, die Wasserrechtsbehörde dränge auf ein Ende des Verfahrens. Womöglich, so Wirth, könnte man die Planung gegen alle Widerstände durchdrücken »aber um welchen Preis, was steht dann in den Auflagen«, fragte Wirth.
Am Ende stimmten 16 Ratsmitglieder dafür, das Baugebiet nicht weiter zu verfolgen und das Verfahren rückabzuwickeln. Dagegen votierten die Räte von CSU und Bürgerverein. Somit bestätigte das Gremium eine Empfehlung, die der Stadtentwicklungs- und Umweltausschuss des Stadtrats vor einigen Wochen zu dieser Sache beschlossen hatte.