Neulich im Gottesdienst fragte uns der Pfarrer: „Was bedeutet für dich Barmherzigkeit?“ Nach einem Moment der Stille lud er uns ein, einfach das „B“ durch ein „W“ zu ersetzen – und plötzlich wurde aus Barmherzigkeit Warmherzigkeit. Was für ein schönes Bild!
Ein warmes Herz, das mal freudig, hoffnungsvoll und lebendig schlägt – kein kaltes Herz aus Stein, wie wir es aus Märchen kennen. Gott ist Liebe und Barmherzigkeit. Mir gefällt dieses Bild, dass er ganz und gar dieses lebendige, warme Herz ist, das uns ruft, lockt und begleitet – seit Ewigkeiten und in alle Ewigkeit.
Doch in der Bibel lesen wir auch von seiner enttäuschten Sehnsucht: „Je mehr ich sie rief, desto mehr liefen sie mir meinem Rufen weg. Sie haben nicht erkannt, dass ich sie heilen wollte.“ (Hosea 11)
Diese göttliche Sehnsucht berührt mich tief und ist in den letzten Monaten zu meinem Herzensthema geworden. Ein Wort, das wir oft hören – aber bei mir geht es zunehmend unter die Haut.
Diese Treue Gottes zu uns, zu mir, fasziniert mich. Gott geht uns seit Jahrtausenden nach. Er bietet neue Bünde an, macht Neuanfänge – mit Noah, Abraham, Mose, David und schließlich durch Jesus. Und auch mit dir und mir. Seine Vision für uns ist großartig: Mit seiner Hilfe können wir die beste Version unserer selbst werden. Denn das Gute ist bereits in uns angelegt – und Gott zwingt uns nicht, sondern lädt uns ein.
Ich finde in der Heiligen Schrift immer wieder diese unerfüllte Sehnsucht Gottes nach uns Menschen. „Gottes Sehnsucht ist der Mensch“, sagt Augustinus. Gott wartet auf jeden von uns wie der Vater auf den verlorenen Sohn – liebevoll, geduldig, voller Hoffnung.
Doch Vorsicht: Gottes B(W)armherzigkeit ist kein Zudecken aller Fehler. Er leidet nicht am Helfersyndrom. Nach Thomas von Aquin führt Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit letztlich ins Chaos. Gottes Handeln ist gerecht und heilsam, es ordnet unser Leben und führt uns in eine wirkliche Freiheit.
Ich möchte mich dieser Barmherzigkeit und Gerechtigkeit öffnen, mit seiner Hilfe meine eigenen Anteile erkennen und bereinigen – auch durch die Sakramente der Kirche, wie Eucharistie und Versöhnung. Ich möchte die Chancen nutzen, die Gott mir schenkt – und auch die Menschen mit hineinnehmen, die er mir ins Herz gelegt hat.
Und dazu lade ich dich, liebe Leserin, lieber Leser, herzlich ein. Denn Gott wird vor allem im Menschen sichtbar – in dir und in mir. Und das Geniale ist: Wir dürfen Mitgestalter am Werk Gottes sein, am Frieden, an der Freude, an der Hoffnung in unserer Welt. Vielleicht ist genau jetzt und heute der Moment, an dem du dich neu berühren lässt – von Gottes warmem Herzen.
Bist du dabei? Gottes Segen wünscht
Die Autorin: Gabriele Kimmel, Erste Vorsitzende, Rückenwind e.V.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden