Jüdische Friedhöfe sind oft die letzten Zeugen des einst blühenden jüdischen Lebens in Oberfranken. Doch für die Wissenschaft sind die fast unlesbaren und verwitterten Inschriften auf den Grabsteinen eine große Herausforderung. In der Festschrift „Steine, die vom Leben erzählen“, herausgegeben von der Theologin Dr. Monika Berwanger, stellt Dr. Wolfgang Hegel, Mitarbeiter der Kultur- und Heimatpflege beim Bezirk Oberfranken, sein zukunftsweisendes Verfahren zur Rettung historischer Grabinschriften vor.
„Mit jeder Jahreszeit, mit jedem Regen, jedem Frost verlieren wir ein Stück Geschichte. Inschriften, Namen, Lebenszeugnisse verblassen – und mit ihnen die Erinnerung“, beschreibt Dr. Wolfgang Hegel die Herausforderung, die mit der fortschreitenden Verwitterung historischer jüdischer Grabsteine einhergeht. Um dem Verlust dieser wertvollen kulturellen Zeugnisse zu begegnen, setzt der Bezirk Oberfranken moderne Technologie ein: die sogenannte „Structure from Motion“-Technik. Aktuell wird die Methode zur Erfassung jüdischer Kleinfriedhöfe in Oberfranken eingesetzt, im Rahmen eines Projekts der Bezirksheimatpflege gemeinsam mit der Judaistik der Universität Bamberg, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.
Mit moderner Methode
Die „Structure from Motion“-Technik ermöglicht eine vollkommen berührungsfreie dreidimensionale Erfassung der Grabsteine. Zwischen 80 und 120 Fotografien werden beim Umkreisen eines Steins aufgenommen und anschließend zu einem detailgetreuen 3D-Modell zusammengesetzt. „Die Technik erlaubt es uns, teils kaum noch sichtbare Inschriften wieder lesbar zu machen“, erklärt Hegel. Das Projekt verbindet wissenschaftliche Präzision mit dem Anspruch, das Andenken an verstorbene Mitglieder jüdischer Gemeinden dauerhaft zu sichern.
Zudem eröffnet es die Möglichkeit, die vielen Menschen, die sich vor Ort um ihre jüdischen Friedhöfe kümmern, eng in den Prozess der Dokumentation mit einzubinden. Im Fall von Autenhausen bei Seßlach wurden die Aufnahmen der jüdischen Grabsteine überwiegend von diesen Ehrenamtlichen erstellt. Sie erhielten dafür eine genaue Anleitung und eine Schulung, die Nachbearbeitung der erfolgte dann durch die Projektmitarbeiter. Die Erfahrungen zeigen, dass die neue Methode flächendeckend und effizient eingesetzt werden kann, um die Zeugnisse der Vergangenheit noch vor dem endgültigen Verlust zu dokumentieren.
Geschichte bewahren
„Das Projekt leistet mit der Dokumentation jüdischer Grabsteine einen unschätzbaren Beitrag zur Bewahrung unserer Geschichte und der jüdischen Kultur in Oberfranken“, betont Bezirkstagspräsident Henry Schramm. „Der Einsatz modernster Technik zum Erhalt der einzigartigen Zeitzeugen zeigt in beispielhafter Weise die Qualität, aber auch den großen Wert der Arbeit unserer Kultur- und Heimatpflege.“
Die Festschrift „Steine, die vom Leben erzählen“ steht im Zeichen des interkulturellen und interreligiösen Dialogs. Das Buch vereint unter anderem interreligiöse Betrachtungen unterschiedlicher Autorinnen und Autoren zur Bestattungskultur. Diese nähern sich der Thematik aus christlicher, jüdischer und muslimischer Perspektive. Die Festschrift, die dem am 1. März 2025 verstorbenen Professor em. Dr. Theodor Seidl gewidmet wurde im Juli in Würzburg vorgestellt.
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