Die Proben zu „Der Revisor“ sind in vollem Gange. „Nein, so nicht. Ihr solltet mehr in Richtung des Publikums sprechen“, gibt Dirk Hönerlage, der Leiter der Schultheatergruppe, seinen Schauspielern Tipps. Der Bürgermeister alias Max Puschner und seine Frau, alias Annabell Möller, nehmen es sich zu Herzen und schon beim nächsten Versuch klappt es perfekt.
Eigentlich sind Schulferien, doch die Mitglieder der Theatergruppe des Franz-Miltenberger-Gymnasiums zeigen vollen Einsatz. „In den Ferien zu proben hat den Vorteil, dass man einfach mehr Zeit hat, nicht unter Druck steht und den Kopf frei hat“, fasst Hönerlage zusammen. Die Schüler stört es nicht. Es sei ja etwas anderes als Unterricht und mit viel Spaß verbunden – sind sie sich einig.
Gemeinschaftliche Entscheidung
Während die ausgewählten Stücke der vergangen Jahre eher modern waren, wollten die Schüler in diesem Jahr mal etwas anderes. In einer gemeinschaftlichen Entscheidung fiel die Wahl auf das Drama aus dem 19. Jahrhundert „Der Revisor“ des russischen Schriftstellers Nikolai Gogol (1809 bis 1852). Das eigentliche Stück spielt in einer russischen Kleinstadt, in der die Honoratioren durch Indiskretion erfahren, dass die Regierung des Zaren beabsichtigt, einen Revisor zu schicken. Der soll inkognito prüfen, ob das Gemeinwesen korrekt organisiert und verwaltet wird. In einer grandiosen Verwechslungskomödie wird nun ein kleiner Beamter versehentlich für den erwarteten Revisor gehalten und von den Stadtoberen hofiert. Denn: Viele haben sich bestechen lassen, öffentliche Gelder unterschlagen oder Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt. Der Lebemann, der im Gasthaus des Ortes absteigt, weiß erst gar nicht, wie ihm geschieht. Als er aber versteht, für wen er gehalten wird, nutzt er die Situation schamlos aus.
Ein wenig haben Hönerlage und seine Schüler das Stück verändert. Nicht Russland ist der Schauplatz, sondern die heimischen Gefilde von Bad Brückenau. In dieser besagten Kleinstadt eben, die erst im Zuge der napoleonischen Wirren dem Königreich Bayern zugesprochen wurde, geht Anfang der 1860er Jahre das Gerücht um, dass sich aus München der Revisor auf den Weg macht. Damit Privilegien und Pfründe der Amtsträger unangetastet bleiben, bereiten sich alle – vom Bürgermeister über den Richter bis zum Schulrat – darauf vor, dem hohen Herren in weißer Weste zu erscheinen.
„Natürlich stellt die Bühnenfassung keine Dokumentation des damaligen Lebens in Bad Brückenau dar“, stellt Hönerlage klar. Es lassen sich ohne Weiteres historische Ungenauigkeiten monieren, zum Beispiel trinken die Menschen das heimische St. Georgs Bier, obwohl die Brauerei erst 1896 gegründet wurde, sagt er. „Oder sie bezahlen in Mark, obwohl bis 1875 der Gulden das Zahlungsmittel war.“ Die Übertragung des Originals forderte auch eine gewagte Konstruktion: So erscheint in Gogols Stück zum Beispiel ein deutscher Arzt, ein Auswanderer aus Russland, der durch sein miserables Russisch karikiert wird. „Ihn haben wir umgearbeitet in einen hugenottischen Glaubensflüchtling, eine Ärztin mit französischem Akzent, gespielt von Antonia Dörflinger“, so Hönerlage. Schüler Martin Haas indes spielt den vermeintlichen Revisor und ist begeistert: „Die Rolle ist cool und es macht Spaß sich in die Figur Josef Pentenrieder einzuarbeiten.“ Auch, wenn das natürlich mit jeder Menge Text lernen verbunden ist. Eine Zweitbesetzung hat Hönerlage für seine Hauptrollen nicht. „Bisher hat das immer funktioniert und keiner ist krank geworden.“ Was die Kostüme angeht, hat das Schultheater selbst einen großen Fundus, „aber auch die Schüler steuern stets Kleider oder Requisiten von zuhause bei“. Für „Der Revisor“ fuhr der Theaterleiter mit den Schauspielern auch ins Theater Schloss Maßbach. „Wir durften uns dort Kostüme ausleihen.“
Arbeit am Bühnenbild
Doch nicht nur die Proben sind in der heißen Phase, auch am Bühnenbild wird fleißig gebastelt und an der Technik gefeilt. Jeder Handgriff muss am Ende sitzen. So wurde die Tür zum Zimmer des Bürgermeisters gerade in Rosé tapeziert „das vermittelt etwas Vornehmes“, meint Matthias Hopf. Außerdem sind die fleißigen Bühnenbildner dabei, das ärmliche Gasthaus zu gestalten, in dem Pentenrieder unterkommen soll.
Interessant sei, dass das Stück eigentlich zeitlos ist, so Hönerlage. Man könne es als Studie zu individuellem menschlichen Fehlverhalten einer korrumpierten Gesellschaft betrachten. So passe es perfekt, der schriftlichen Zusammenfassung des Stücks ein Zitat des Ex-Bundespräsidenten Wulff voranzustellen: „Es muss jeder Eindruck von Korrumpierbarkeit schon im Ansatz verhindert werden. Es darf erst gar nicht zur Korruption kommen, sondern es muss jeder Anschein von Korrumpierbarkeit, von Abhängigkeiten, von Sponsoring von Politik und Politikern vermieden werden (1999)“.
Aufführungen sind am 15., 16. und 18. März, jeweils um 19.30 Uhr, im Lola-Montez-Saal im Staatsbad.