Schondra
(con)
Wenn in jüngster Zeit von Ärzten auf dem Land die Rede ist, dann geht es häufig um Ärztemangel oder Praxisschließungen. In Schondra wurde jetzt dagegen eine Arztpraxis eröffnet.
Die beiden Allgemeinmedizinerinnen Anita Conze und Dr. Jarmila Mahlmeister öffneten mit einer kleinen Feier die Türen ihres neuen Praxisgebäudes neben dem Schondraer Rathaus. Bisher praktizierten die beiden Ärztinnen am Platzer Berg in Geroda.
„Die Praxisräume in Geroda waren für eine optimale medizinische Versorgung unserer Patienten nicht mehr angemessen“, erläutert Jarmila Mahlmeister. „Auch die Parkplatzsituation war für die große Anzahl der Patienten gerade in den Wintermonaten nicht ausreichend.“
Die neue Praxis verfügt über einen behindertengerechten, ebenerdigen Eingang, einen Schulungsraum für Diabetiker-, Asthma- und Bluthochdruckpatienten und ein Belastungs-EKG. Sie bietet auch Platz für eine Vergrößerung des Teams. Die beiden Fachärztinnen für Allgemeinmedizin suchen einen ärztlichen Weiterbildungsassistenten oder einen weiteren Arzt.
„Für drei Ärzte war die Praxis in Geroda nicht ausgerichtet“, erklärt Anita Conze. „Um einen weiteren Arzt oder Ärztin für unsere Praxis zu begeistern, müssen auch die organisatorischen und baulichen Voraussetzungen stimmen.“ Denn es sei alles andere als selbstverständlich, dass sich Allgemeinmediziner für die hausärztliche Versorgung auf dem Land niederlassen.
Dass die beiden Medizinerinnen, die zu den jüngsten Hausärztinnen im Landkreis zählen, dennoch in der Rhön arbeiten, liegt an der Vielseitigkeit des Landarztberufes. „Zu uns kommen vier Generationen von Patienten – vom Baby bis zum Hochbetagten“, betont Anita Conze.
„Wir sind für die Menschen direkte Ansprechpartner für medizinische und soziale Nöte, und behandeln bei Hausbesuchen unsere schwerkranken Patienten. Das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich“, so Conze. Hinzu komme die zunehmende Zahl von Patienten, die unter Depressionen und Burn-out-Syndromen leiden. „Wir erleben, dass die Menschen über familiäre und berufliche Überbelastung klagen und großen Gesprächsbedarf haben“, erklärt Jarmila Mahlmeister. „Nicht teure Gerätemedizin, sondern Zuhören und Begleiten ist hier unsere Aufgabe.“
Bei der Eröffnungsfeier der Praxisräume dankten die Ärztinnen Bauleiter Olaf Lemmermann, Bautechniker Reinhold Beck sowie den zahlreichen ortsansässigen Firmen für die Zusammenarbeit.
Dr. Hagen Sandholzer von der Universität Leipzig, Professoren mit einer eigenen allgemeinmedizinischen Praxis, beleuchtete in einem Gastvortrag die notwendige Verbindung zwischen wissenschaftlicher Forschung und hausärztlicher Praxis. „Wenn man heute allein die ärztlichen Richtlinien auf eine ältere Patientin mit mehreren chronischen Erkrankungen anwendet, dann würde die Patientin aufgrund medikamentöser Wechselwirkungen frühzeitig sterben und das Budget des Hausarztes wäre heillos überzogen.“ Deshalb sei es notwendig, die in der Patientenbehandlung vor Ort gewonnenen Erkenntnisse in die Forschung einzubauen, um praxisferne und unrealistische Richtlinien zu korrigieren. Jarmila Mahlmeister arbeitet eng mit Sandholzer zusammen und entwickelt derzeit ein patientenorientiertes Schulungsprogramm für Nierenkranke.
Bürgermeister Bernold Martin begrüßte die beiden Ärztinnen offiziell in der Marktgemeinde Schondra, die aufgrund des Umzugs von Geroda nach mehr als 60 Jahren wieder über eine Arztpraxis verfügt. Nach dem Krieg habe kurzzeitig ein Arzt in Schondra praktiziert, berichtet er.
Martin freute sich über den Mut der Ärztinnen, im ländlichen Raum zu investieren. Enttäuscht zeigte er sich, dass kein Vertreter des Kreises die Praxiseröffnung würdigte, wo doch sonst immer die Förderung der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum politisch gefordert werde.
Architektonisch und organisatorisch passt sich die Praxis ein zwischen Rathaus und dem gerade geöffneten Blumenfachgeschäft von Ursula Spall. In direkter Nachbarschaft befinden sich Schule und Kindergarten. Pfarrer Armin Haas segnete das Haus und wünschte Anita Conze und Jarmila Mahlmeister Gottes Segen für ihre Arbeit in der neuen Gemeinschaftspraxis.