Vor dem Krieg arbeitete Katerina Pikhur als Tierärztin in Poltawa, einer Großstadt 350 Kilometer südöstlich von Kiew. Und sie trat als Solosängerin in Restaurants und Cafés auf. Im März 2022 floh sie aus ihrer Heimat. Seit einem Monat lebt die Ukrainerin in Bad Brückenau . Und hatte beim Benefizkonzert zugunsten der Ukraine-Hilfe ihren ersten Auftritt in Deutschland. Aus der Ukraine, für die Ukraine sozusagen.
Dass es so kam, ist eher dem Zufall geschuldet. Denn als Pikhur im Mai nach Bad Brückenau zog, half ihr ein gewisser Danny Wiegleb aus der Kurstadt. Die beiden kamen ins Gespräch, entdeckten die gemeinsame Leidenschaft für Musik.
Die Ukrainerin, die bisher kaum deutsch, aber gut englisch spricht, überzeugte auch Wieglebs Freunde, wie Andy Féret als einer von ihnen berichtet: nicht nur wegen ihrer Stimme, dem Gesang und des Auftretens, sondern auch, weil sie etwas Gitarre spielt.
Eine Woche nach dem Zuzug begannen die Proben der neugegründeten Formation I.P.A.D. für das Konzert am Samstag an der Georgi-Kurhalle. Dort intonierte Pikhur die zweite Stimme bei Neil Youngs Klassiker "Heart of Gold". Eine zugegeben kleine Rolle. Aber Andy Féret kann sich die Frau aus Poltawa durchaus als Leadsängerin des noch lockeren Zusammenschlusses vorstellen. "Die Stimme wäre es auf jeden Fall wert."
Als Übersetzerin auf der Bühne
Katerina Pikhur war nicht die einzige Ukrainerin, die ins in zwei musikalische Blöcke geteilte Programm eingebunden war. Noch mehr im Rampenlicht stand Veronika Makarowa. Die 20-Jährige, die mit Unterbrechung schon fünf Jahre in Bad Brückenau wohnt, übersetzte ihren Landsleuten unter den 150 bis 180 Besuchern die Reden von Jürgen Pfister als Stellvertretendem Bürgermeister, Kulturbüroleiter Jan Marberg und Thomas Weißenfeld vom Verein " Bad Brückenau hilft", außerdem die Programmansagen. Tatsächlich hörten sich geschätzt 15 bis 20 Ukrainerinnen und Ukrainer das Konzert an.
Makarowa musste zwar das Leid in ihrem Heimatland selbst nicht erleiden, kann es sich nach eigenen Worten auch nicht wirklich vorstellen. Doch ihr Ursprungsort Schostka, nur 50 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, liegt inzwischen unter häufigem Bombardement, nachdem es zu Beginn des Krieges dort ruhig geblieben war.
Aufmerksamkeit ist wichtig
"Auf jeden Fall ist das Konzert eine große Unterstützung für die Ukrainer selbst", sagte die 20-Jährige. Für sie sei es eine große Ehre, als Übersetzerin zu helfen. Nur habe sie nicht gewusst, dass sie auf die Bühne müsse, als sie sich meldete. Entsprechend aufgeregt war sie.
Anastasiia Tsyhanenko aus Dnipro (bis 2016 Dnepropetrowsk) besuchte gemeinsam mit drei anderen Freundinnen das Benefizkonzert . Sie hält es für "sehr wichtig, dass es eine große Aufmerksamkeit gibt für die Ukraine". Solch eine Veranstaltung diene - neben der finanziellen Unterstützung - auch dazu, dass man Menschen kennenlernen und mit ihnen reden könne.
Nach einer kurzen Pause zum Nachdenken fügte Tsyhanenko hinzu: "Wir schätzen es sehr, wie die Deutschen uns annehmen, sonst wäre die Situation für uns psychisch noch belastender." Die Einheimischen seien sehr offen und hilfsbereit. "Wir fühlen uns wie zu Hause, aber wir sind sehr weit von unserem Zuhause entfernt." Die Ukrainerin lebt schon mehr als drei Monate in Deutschland.
Wie Kulturbüroleiter Jan Marberg am Sonntagmorgen mitteilte, kamen bei der Spendensammlung am Konzertabend 1157 Euro zusammen. Auch die Erlöse aus dem Verkauf von Speisen fließen in die Ukrainehilfe.
Das gab es auf die Ohren
Die Besucher des Konzertes - darunter Bürgermeister Jochen Vogel und seine Vorgängerin Brigitte Meyerdierks als Stellvertretende Landrätin - bekamen eine Mischung aus meist folkig oder countrymäßig angehauchten Songs zu hören. Viele Lieder waren sehr nachdenklich, einige dramatisch vorgetragen.
Zwei Höhepunkte des Abends waren sicher, als Tony Osanah die ukrainische Nationalhymne anstimmte und als die Musiker gemeinsam zum Abschluss "Gute Nacht, Freunde" sangen.