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Coole Jungs und Nachzügler

Bad Brückenau

Coole Jungs und Nachzügler

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    1978: Hartmut Bös.
    1978: Hartmut Bös. Foto: Fotos (2): Sammlung BöS

    Die 1970er – das waren Schlaghosen und lange Haare; Glitterrock und Discofieber, politisches Tauwetter und München '72. Für Thomas Dittmayer und Hartmut Bös war es die Zeit ihrer Jugend, bei ersterem zu Beginn, für Bös zum Ende des Jahrzehnts. Beide können erzählen – von coolen Jungs, Nachzüglern und mehr – in einer bunten Zeit.

    Es ist, als wäre eine Lawine in Gang gekommen. So schnell purzeln die Erinnerungen aus Dittmayer und Bös heraus, dass man ihnen kaum folgen kann: „Die Tangente, das war doch die frühere Autowerkstatt von Konrad Zirkel – der, nach dem die Straße benannt ist. Und ich entsinne mich, dass wir mit Fahrrädern drin rumgefahren sind.“

    Wer war wann wo – und vor allem: in welcher Band? Die beiden Brückenauer sitzen in der Küche und fachsimpeln: „Da gab es das Juz. Und zwar, weil eine Unterschriftenaktion dafür stattfand.“ – „Und wenn das Juz um zehn Uhr abends schloss, sind alle in die Tangente rüber.“

    Tangente und Juz, Café Stumpf und Citybar, die längst verschwundene Mauer auf dem heutigen Marktplatz als zentraler Treffpunkt – das war die Welt der Bad Brückenauer Jugend in den 1970er-Jahren. Eine vielfältige, aber verblichene.

    „In Bad Brückenau war viel los. Aber wir haben es selbst gemacht“, sagt Bös. Die Szene tobte damals wie heute in umliegenden Städten. Der Unterschied: Die Jugend kam nicht so hin. Also hieß es selbst anpacken.

    Wobei Dittmayer, Jahrgang 1954, sich als Kind der frühen 70er sieht: „Da ging es um Flower Power, Love and Peace – und um Motorräder.“ Der heutige Klappe-Wirt war mit dem kürzlich verstorbenen Kinobetreiber Paul Löhmer in einer Clique: „Wir haben mit unseren Maschinen vor den Clubs gestanden und waren die angesagten coolen Jungs. Aber eigentlich waren wir ganz brav.“ Die Brückenauer Bands jener Zeit waren folk-lastig oder experimentell. Dittmayer und Bös erinnern sich an Zeitvertreib und Metaphysis. Sie standen für zwei Lager – die „Gefönten“ und die Rocker.

    Bös' vier Jahre älterer Bruder Gerald war Mitglied bei Haystack – und damit in der Musikszene drin: „Er hatte damals lange Haare und ein Schlagzeug im Zimmer stehen.“

    Der große Bruder sei Wegbereiter beim Thema „abends weggehen“ gewesen, erzählt Nachzügler Hartmut. Er habe diesbezüglich keine Probleme mit seinen Eltern mehr gehabt. Bös hatte damals blonde Locken und Brille. Er entwickelte sich nicht nur optisch anders als sein Bruder.

    Zwar trat er schon als 14- oder 15-jähriger Realschüler einer Band bei, spielte mit „Join Us“ beim Stadtfest 1981. Doch im selben Jahr ging er als Rock-DJ nach Oberbach. Das Juz besuchte er nicht mehr oft, schwenkte in die Discoecke um. In den 1980ern hatte er eine mobile Disco samt Cocktailbar.

    Überhaupt schien es, als teilten sich die Musikstile – und damit die Fans – auf. Wer Disco wollte, fuhr in den späten 1970ern nach Wollbach (und konnte das dank Auto auch). Soul gab es in einer Kneipe in Premich. Wild gefeiert wurde mit den Amerikanern in Wildflecken beziehungsweise in der Faschingszeit.

    Und heute? Thomas Dittmayer blättert versunken in einem Fotoalbum mit buntem Design. Viele Zeitgenossen gingen in den 1980ern weg aus Bad Brückenau, auch Dittmayer.

    Vor zwei Jahren kehrte der jetzt 58-Jährige heim und eröffnete die Klappe. Die sei seitdem Anlaufpunkt der Alt-70er, aber auch vieler jüngerer Fans dieser Zeit.

    Hartmut Bös sieht das Kultur-Bistro als „in Geist und Musik legitimen Nachfolger der alten Tangente“. Beim Stadtfest 2011 feierten Zeitvertreib dort ihre kurze, aber umjubelte Wiedervereinigung.

    Die 70er sind lange vorbei. Doch für Bös hat sich eine Erkenntnis hinübergerettet: „Wenn etwas los sein soll, muss man es selbst machen.“

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