Hoch über den Dächern Alt-Münnerstadts versucht seit Juni dieses Jahres Diplom-Restaurator Stefan Lochner die baulichen Geheimnisse der historischen Türmer-Wohnung im Oberen Tor zu ergründen und in ihrem Ist-Zustand zu erhalten. Ihm stehen bei seinen diffizilen Arbeiten zwei Mitarbeiter zur Seite.
Die Wohnung des Türmers bestand ursprünglich aus einem einzigen, das gesamte Stockwerk umfassenden Raum im oberen Stock des Torturmes. Erst um 1800 wurden Zwischenwände eingezogen, eine weitere Zwischenwand um 1900 und im Verlauf des 19. Jahrhunderts noch einmal eine letzte Wand. An einigen Wänden sind etwa 20 übereinander liegende Farbschichten zu finden, stellt Stefan Lochner bei einem Gespräch mit unserer Zeitung fest, während er an einer Außenwand auf die Jahreszahl 1899 zeigt. Die ist dort mit großen, flüssig geschriebenen Ziffern eingeritzt.
„Alles, was darunter zum Vorschein kommt, ist zwangsläufig älter als 1899“, sagt Lochner und „ein solcher Befund, der hier offen liegt, ist in anderen Gebäuden kaum noch erhalten, weil er immer wieder übertüncht wurde“. Daher sei es notwendig, den Bestand wegen seines Alters so zu erhalten, wie er sich augenblicklich zeigt.
Gesichert werden die Schichten, indem sie mit Zellulose-Kleber hinterspritzt werden. Für diese Feinarbeit verwendet der Restaurator eine Injektionsspritze. Anschließend drückt er die hinterklebte Wandfläche leicht mit der Hand an. Auf diese Weise stabilisiert er kleine Flächen, die abzubrechen drohen. Fehlstellen am Putz der Innenwände schließt der Fachmann mit Lehmputz, wie er auch im Original verwendet worden sei. „Damit erreiche ich wieder eine Stabilisierung des Originalputzes“, demonstriert Stefan Lochner an einer Zwischenwand.
Für die Wände im Innern des Obergeschosses verwendeten die Handwerker jener Zeit einen Kalkputz, den sie aus Münnerstädter oder Strahlunger Muschelkalk hergestellt haben, ist Lochner überzeugt. An den Fehlstellen dort verwendet er deshalb zur Befestigung auch einen Kalkputz, den er nach historischem Rezept mit der Hand anrührt.
„Alle Wände und Decken bleiben in ihrem Ist-Zustand erhalten, werden aber gesichert, damit der Besucher erkennen kann, wie historische Wandfassungen aufgebaut waren.“ „Unter anderem bedeutet das, dass der gesamte Turm selbst ein Exponat im Gesamt-Ensemble des historischen Münnerstadt ist“, unterstreicht Lochner.
Während der Arbeiten im Obergeschoss habe er einige, für die damalige Zeit typische Handwerker-Zeichen entdeckt. „Hier findet man in jedem Fenstergewänd, alle aus Muschelkalk, ein anderes Steinmetz-Zeichen und darüber im Dachgeschoss viele Abbund-Zeichen an den Holzbalken, typische Zimmermanns-Zeichen im 16. Jahrhundert.“
Eingeritzte Erinnerungen
Wie lange die Türmer-Wohnung bewohnt war, lasse sich aus den vorgefundenen Zeichen an den Wänden nicht mit Sicherheit feststellen, meint der Experte. Zwar seien an den Wänden Namenszüge und Schriftzeichen zu finden. Diese müssten aber nicht unbedingt von ehemaligen Bewohnern stammen, könnten eher auch von einmaligen Besuchern als Erinnerungsmerkmale eingeritzt worden sein.
Bis Mitte November möchte Stefan Lochner mit den Erhaltungsarbeiten an der Türmer-Wohnung fertig sein. Dann sei der Torturm einschließlich Türmer-Wohnung begehbar, nicht aber das Dachgeschoss, so der Restaurator.
Finanziert wird das Projekt in der Hauptsache vom Verein „Freunde des Oberen Tores“ (Türmerverein) mit Spenden, Mitgliedsbeiträgen und den Erlösen der Türmerfeste, sagte Wolfram Graeber, Vorsitzender des Türmervereins, auf Nachfrage. Gefördert werde die Erhaltung des „Einzel-Objektes Türmer-Stube“ von der Stadt Münnerstadt mit 500 Euro, ebenfalls mit 500 Euro von der Sparkassenstiftung Bad Kissingen, mit 3000 Euro vom Amt für Denkmalpflege und von der Kulturstiftung des Bezirks Unterfranken mit einem bislang noch nicht bekannten Betrag, sagte Graeber.
„Mit der Fertigstellung der Erhaltungsmaßnahme an der Türmer-Wohnung ist die Sanierung des höchsten Torturmes in Unterfranken abgeschlossen“, freut sich Graeber, der Initiator der Innensanierung des Stadttores, die das Ziel der Begehbarkeit verfolgt.