Patienten aus dem Altlandkreis Brückenau müssen zur Dialyse Fahrten nach Bad Kissingen oder Fulda in Kauf nehmen, obgleich es in der Sinntalklinik im Staatsbad auch Dialyseplätze vor Ort gibt. Sie werden von Rehapatienten der Klinik genutzt. Eine Nutzung durch andere Patienten, die im Altlandkreis wohnen, ist nicht möglich, solange die Kassenärztlichen Vereinigung ihre Zustimmung verweigert.
Sie beruft sich auf eine Entscheidung des Sozialgerichtes Nürnberg aus dem Jahr 1996. Bereits damals hatte die Sinntalklinik angestrebt, einen Ermächtigungsantrag für Professor Dr. Emanuel Fritschka zu erhalten, um Dialysepflichtige aus dem Altlandkreis Bad Brückenau behandeln zu dürfen. Fritschka sei als Chefarzt der Sinntalklinik kein Krankenhausarzt, wurde argumentiert. Demnach sei die rechtliche Voraussetzung für eine Ermächtigung nicht gegeben.
Außerdem müssten bestehende Einrichtungen zu 90 Prozent ausgelastet sein und bestehende Dialysestandorte geschützt werden, um eine wirtschaftliche Leistungserbringung dauerhaft zu gewährleisten. Die KVB verweist in ihrer Antwort auf Walchers Eingabe auf vier Brückenauer Dialysepatienten, die in Bad Kissingen und Fulda behandelt werden.
Konkurrenz unerwünscht?
"Konkurrenz unerwünscht. Ich sag es mal so lapidar", meint Ingo Walcher dazu. Er glaubt nicht, dass der Verlust von so wenigen Patienten für die bereits zugelassenen Dialysestationen wirtschaftlich eine Rolle spielen dürfte. Seit März vergangenen Jahres bittet er um eine Lösung zum Wohle der Patienten.
"Bei einer Zulassung der ambulanten Dialyse in Bad Brückenau wäre der Verlust für die Praxis in Bad Kissingen minimal, der Nutzen für die Patienten und Kostenträger jedoch enorm", so Walcher in seinem Schreiben. Denn schließlich sind es die Krankenkassen, die enorme Fahrtkosten erstatten müssen.
"Menschen vor Ort haben uns damals gebeten, behandelt zu werden", erinnert sich Fritschka an den ersten Vorstoß zur Zulassung der Dialyse bei ambulanten Patienten in der Sinntalklinik. "Aber wir haben gemerkt, dass die Paragrafen dem Interesse der Patienten entgegen stehen."
Auf eigene Kosten habe er damals versucht, vor Gericht eine Entscheidung für Bad Brückenau herbeizuführen. Urteil: Es ist den Patienten zumutbar, nach Bad Kissingen zu fahren. "Dabei ist es gefährlich für die Patienten, wenn es ihnen nach der Behandlung schlecht geht", so der Arzt. "Es ist nicht rechtens, dass Privatpatienten sich behandeln lassen dürfen, Kassenpatienten aber nicht", sagt er. Nach dem Gerichtsurteil habe er jedoch keine weiteren Möglichkeiten mehr gesehen.
Und auch die Politiker strichen nach vergeblichen Versuchen, Einfluss zu nehmen, die Segel. Walcher hatte sich an die Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner, Susanne Kastner und Hans-Josef Fell gewandt, die sich mit einschalteten. Da die KVB sich selbst verwaltet, hat die Politik aber keinen Einfluss.
Es sei nicht der Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung, sich um das Wohl der Patienten zu kümmern, solange der Versorgungsauftrag erfüllt sei, sagte Bürgermeister Thomas Ullmann resigniert. "Wenn die den größten Quatsch machen, kann keiner was dagegen tun. Das kann doch nicht sein", ärgert sich Walcher.
Frank Leidl von der Barmer Ersatzkasse in Bad Brückenau hat den am Mittwoch erschienen Artikel der MAIN-POST zum Thema Dialyse - "Staatsbad kann Patienten aus der Region versorgen" - an seine vorsetzte Dienststelle nach Würzburg weitergeleitet. Stefani Meyer-Maricevic, Pressesprecherin der Barmer will nun bei der Kassenärztlichen Vereinigung nach den Ablehnungsgründen fragen und eventuell nach Möglichkeiten suchen. "Aber die KVB prüft den Bedarf, legt ihn fest und trifft die Entscheidung", macht sie die Zuständigkeiten klar. "Auf den Sicherstellungsauftrag kann die Krankenkasse keinen Einfluss nehmen."
Kassenärztliche Vereinigung
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) ist die Standesver- tretung aller für die ambulante Versorgung zugelassenen Ärzte und Psychotherapeuten im Frei- staat. Die Ärzte wählen eine Ver- treterversammlung aus 50 Leuten, die die Funktion eines Ärztepar- laments hat und die Interessen der Mitglieder gegenüber dem eben- falls aus den Reihen der Mitglieder gewähltem hauptamtlichen Vor- stand. Das Ärzteparlament wird alle sechs Jahre gewählt. Die KVB muss die ambulante ärztliche Ver- sorgung in Bayern sicherstellen.