Für Bankien Ali beginnt an diesem Mittwoch ein besonderer Monat: Ramadan, der islamische Fastenmonat. Der 27-jährige Kurde aus Syrien, der seit Juni gemeinsam mit seiner Frau Jacqueline Krause das Bistro La Familia am Marktplatz in Bad Brückenau führt, ist Moslem. Ramadan ist für ihn in etwa so bedeutend wie Weihnachten oder Ostern für seine christliche Frau.
Das Fasten stellt für Muslime eine religiöse Pflicht dar, die im Koran verankert ist, erklärt Ali. Gefastet werde in dieser Zeit – die sich übrigens nach dem islamischen Mondkalender richtet und deshalb von Jahr zu Jahr verschiebt – von Sonnenauf- bis -untergang. Untersagt seien den Gläubigen aber nicht nur Speisen und Getränke, sondern auch Rauchen, Geschlechtsverkehr und Trunkenheit.
Bankien Ali hat bis zu seinem 22. Lebensjahr immer während des Ramadans gefastet. Aus gesundheitlichen Gründen, erklärt er, sei ihm das momentan nicht möglich. „Geküsst wird aber auch bei uns während des Ramadans nicht“, erklärt Jacqueline Krause. „Zumindest nicht tagsüber“, lacht die 25-Jährige. Zigaretten, Alkohol und Schweinefleisch, so der 27-jährige Bankien Ali, seien für ihn sowieso tabu – auch während des restlichen Jahres.
Was nicht heißt, dass es im La Familia Entsprechendes nicht zu kaufen gäbe: Im Kühlschrank wartet kühles Bier auf die Gäste und neben dem Döner, der hellal, also rein und nach islamischem Recht zulässig ist, kann man bei Bankien Ali auch Schweineschnitzel ordern. Für Ali ein Spagat, der notwendig und vertretbar ist. Als er 2004 aus politischen Gründen nach Deutschland gekommen sei, habe er sich gesagt: „Das ist ein anderes Land, eine andere Kultur, eine andere Religion. Wenn ich das nicht akzeptieren kann, muss ich in meiner Heimat bleiben.“ Seine Frau Jacqueline Krause, die in Brückenau aufwuchs und ihren Mann im Dönerladen um die Ecke kennenlernte, erklärt: „Wenn er seinen Lebensunterhalt hier verdienen will, muss er solche Kompromisse eingehen.“
Im Alltag ist das für beide kein Problem: Sie sagt Gott, er Allah. „Es gibt viele Überschneidungen in Christentum und Islam“, erklärt Ali. „Viele Aussagen in Bibel und Koran decken sich.“ Der gemeinsame fünfjährige Sohn Adriano sei katholisch getauft, er war aber auch schon mit dem Vater in der Moschee. „Wenn er Fragen stellt, bekommt er Antworten. Religion muss freiwillig sein. Wenn er 18 ist, soll er selbst entscheiden“, sagt Ali. In den vergangenen Jahren feierte das Paar Ramadan häufig mit Alis Familie. Was nicht heißt, dass Krause dann auch fastete: „Ich habe aber versucht, mich respektvoll zu verhalten und nicht vor den Fastenden gegessen.“
Auch wenn er die nächsten Wochen in Deutschland bleiben wird – während des Ramadans denkt Bankien Ali oft an seine Heimat. An lebenslustige Nächte auf den Straßen, in den Shisha-Bars. Wenn Freunde und Nachbarn nach Sonnenuntergang zur Mahlzeit zusammenkommen. „Die Reicheren geben den Armen. Während des Ramadans sind alle Menschen fast gleich.“
Der Fastenmonat ist für Bankien Ali aber auch eine Möglichkeit, seine Persönlichkeit zu erkunden: „Ob Moslem oder nicht, jeder Mensch testet sich: Wie weit kann ich gehen? Wie stark bin ich?“ Ramadan sei dafür ideal.