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Ein Multitalent nimmt Abschied

Bad Brückenau

Ein Multitalent nimmt Abschied

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    Kaum sitzen wir uns für ein Gespräch über die Aufgabe ihrer Apotheke gegenüber, springt die 62-Jährige auch schon wieder aus ihrem Korbstuhl auf. "Sehen sie, das ist mein Einstieg ins Rentenalter", zeigt sie ein Paar rote Schuhe, ihre Square-Dance-Schuhe. "Am 26.  Februar im nächsten Jahr mache ich meine Prüfung im Square-Dance in Fulda", erzählt sie stolz. Einen Petticoat und einen Rock hat sie auch schon. Das Tanzen ist eine ihrer vielen Ambitionen. Es wird im kommenden Jahr in ihrem "Un-Ruhestand" einen Teil ihres Lebens einnehmen.

    "Ich möchte wieder unter die Menschen. Dinge tun, die meinem Wissen entsprechen, dem Wissen um die Heilpflanzen", schwingt die Freude über ihren neuen Lebensabschnitt in Fulda in ihrer Stimme mit. Weitere Hobbys der facettenreichen Apothekerin kann der Besucher an der Wand ablesen. Batiken, Gemälde und Fotografien sind ein Teil der persönlichen Note in ihrer Wohnung über der Apotheke.

    Liebe zu den Kräutern

    Ihre Liebe zu den Kräutern entdeckte Gerhild Birmann-Dähne bei den Spaziergängen mit ihrer Großmutter Emmy. "Hier habe ich die Pflanzen kennen gelernt und bereits vor meinem Abitur gesammelt, gepresst und fotografiert", erzählt sie. Zur Pharmazie kam sie durch die Berufsberatung beim Arbeitsamt. "Nach einem Test war ich für die Pharmazie, als Architektin oder Journalistin geeignet. Und das mit einer vier in Deutsch", lacht sie.

    23 Jahre ohne Fernseher

    Aber eigentlich habe ihre Seele alle drei Berufe gelebt. "Ich habe drei Häuser, umgebaut, und Heilkräuterserien für Zeitungen, unter anderem auch für die MAIN-POST, und mehrere Bücher wie "Bärlauch und Judenkirsche" sowie Buchbeiträge geschrieben." Dafür war die Abgeschiedenheit in Zeitlofs sehr nützlich. "Was soll man hier sonst machen", lacht sie. Seit 23 Jahren besitzt sie außerdem keinen Fernseher.

    Aber nicht nur der Kräuter nimmt sie sich schriftstellerisch an. Im Buch "Haus des ewigen Lebens" hat sie über jüdische Friedhöfe geschrieben. Die liegen ihr am Herzen. In einem Handbuch für Batik sind Texte und Fotografien von Arbeiten der Apothekerin veröffentlicht. Und in einem Buch über die Rhön informiert sie über die Vielfalt der Kräuter. Neben der Wohltat durch die Kräuter schätzt Gerhild Birmann-Dähne auch Spirituelles. Seit zwei Jahren ist sie Reiki-Meisterin und auch mit dem Buddhismus hat sie sich befasst. "Das hat mir bei der Verarbeitung einiger Schicksalsschläge geholfen und Trost gespendet", erklärt sie die Kraft, die sie aus diesen Lehren zieht. Wieder springt sie vom Stuhl auf und holt aus einem ihrer zahlreichen Regale Bücher, Alben und Entwürfe heraus. Die Illustrationen der Bücher zeigen auch ihr Faible für das Fotografieren und die Kreativität, die in ihr wirkt und die sich in ihrem Tun spiegelt.

    Darunter sind drei Blöcke mit Bleistiftzeichnungen. Der Betrachter macht beim Blättern eine Reise durch Deutschland: der Marktplatz in Tübingen, Hilpoltstein, Gräfenberg, Schloss Ludwigsburg, Ansichten von Berlin. Auf ihren Reisen hatte sie früher auf Blöcken alles Sehenswerte festgehalten. "Ich habe zwei Jahre lang bewusst keinen Fotoapparat in die Hand genommen."

    Pharmazie studierte Birmann-Dähne 1965 in Würzburg, das Examen folgte 1969. Private Gründe verschlugen sie 1971 nach Amberg, bevor sie 1979 nach Fulda zog. Die Apothekerin zeigte bis dahin keine besonderen Ambitionen zu Heilkräutern. "Eben nur das was man im Studium lernt".

    Schon immer jedoch hatte sie den Wunsch nach einer eigenen Apotheke, möglichst mit einer alten Einrichtung. Und die fand sie mit der Zeitlofser Apotheke, für die damals ein Verwalter gesucht wurde. "Ich hatte mich gleich in die Kombination Apotheke-Wohnung-Terrasse und alte Apothekeneinrichtung aus dem 19.  Jahrhundert verliebt", erinnert sie sich.

    Im Mai 1982 gingen Apotheke und Haus in ihren Besitz über. Ende Juni jedoch schloss der damals in Zeitlofs einzige ansässige Arzt Dr. am Ende seine Praxis. Eine moralische Hilfe war es ihr damals, ihre Apotheke, ihr Haus und sich selbst von Pfarrer Hans Henning weihen zu lassen. Ein halbes Jahr war Zeitlofs ohne Arzt, bis Volker Behnke im Januar 1983 kam. Doch es gab keine Praxisräume und so bot sie ihm einen Teil ihrer Wohnung an. "Das ging zwei Jahre so. Und die Wände sind recht hellhörig", macht sie die damalige Situation klar.

    "Auch ihre Pflanzen brauchen Pflanzentees", das war die erste Dekoration in ihren Schaufenstern. Es war die Anfangszeit der Bioschiene, erklärt Birmann-Dähne. Durch ihren Garten und die Nähe zur Natur kam sie den Kräutern näher. "1985 begann ich mit Heilkräuterwanderungen im Staatsbad und einem Lehrauftrag für Heilpflanzen in der Ernährung an der Fachhochschule in Fulda."

    Bis zu 15 Studenten hat sie auch schon zu Wochenendseminaren bei sich zu Hause aufgenommen. Aber es gibt immer noch Kräuter, die auch sie nicht kennt. "Das habe ich mir beim Apothekertag gekauft", zeigt sie auf ein großes Buch, das 1500 essbare Wildpflanzen beschreibt. Sie erinnert sich, dass der frühere Pfarrer Hans Henning ihr entsetzt mitteilte, "die Leute sagen Kräuterhexe zu ihnen". "Das macht nichts. Dann wissen sie wenigstens was ich tue", hat sie dafür nur ein Schmunzeln übrig. "Vor ein paar hundert Jahren wäre ich wohl als Hexe verbrannt worden", lacht sie.

    Wer Hilfe will, bekommt sie

    Trotz ihrer Begeisterung für Heilkräuter sieht sie es nicht als ihre Aufgabe, die Menschen zu missionieren. "Wer meine Hilfe will, der bekommt sie", sagt sie. Doch zu lange schon wird ungesund gelebt, so dass die Naturheilkunde in vielen Fällen nicht mehr helfen könne. "Der Mensch muss seine Essgewohnheiten ändern, denn er ist, was er isst", setzt sie hinzu.

    Im nächsten Jahr will sie neue Fäden spinnen. Ein neues Buch vielleicht, auf jeden Fall aber ein erweitertes Werk über jüdische Friedhöfe. Batiken und eine neue Technik dazu lernen. Oder auch, wie früher schon mal, als Reiseleiterin unterwegs sein. Kräuterwanderungen und Wildkräuterseminare werden einen Großteil ihrer Zeit beanspruchen, eventuell auch als Ausbilderin. "Jetzt ist Zeit für was Neues", so die 62-Jährige.

    Woher sie diese Energie habe? "Reiki und die Tatsache, dass ich ein Feuerzeichen bin", überlegt Gerhild Birmann-Dähne, die im Sternzeichen des Schützen geboren ist. "Apothekerin in Zeitlofs, das war eine sehr wichtige Aufgabe, aber nicht die letzte", setzt sie hinzu.

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