Der 27. September ist ein bedeutender Tag. Dann wird in Ludwigsfelde bei Berlin der letzte Mercedes Vario, der große Bruder des Sprinters, gebaut. Warum das die Menschen in Bad Brückenau interessieren soll? Es bedeutet das endgültige Aus für die Elektrometall GmbH und ihre 26 Mitarbeiter.
Bis Montag, vielleicht ein paar Tage länger, wird in der Elektrometall-Halle das Licht brennen. Die letzten Kabelsätze werden ausgeliefert, die die kleine Firma für den Vario zulieferte. Eine Nische zum Überleben. Auch wenn sie klein war.
Anders als der Sprinter war der Vario kein Selbstläufer. Seit 1996 produziert, wurden im Jahr 2007 nur 5000 Stück verkauft. Die folgende Wirtschaftskrise ließ die Verkaufszahlen noch einmal sinken.
So richtig erholte sich der Vario nicht. Erst zuletzt zog der Absatz an, weil Kunden auf Vorrat kauften. 2012 waren es 2700 Exemplare.
Das reichte nicht, das Modell fortzuführen. Auf die Euro-6-Norm sollte es umgestellt werden; Pläne gab es schon. Doch die Daimler-Oberen entscheiden sich dagegen.
Warum genau, entzieht sich der Kenntnis von Betriebsleiter Rolf Dietrich. Die Entwicklungskosten sollen davon gelaufen sein.
Dass es zu Ende geht, wussten er und die Mitarbeiter „seit Weihnachten“. Überraschend kam das nicht. Das Aus des Vario ist nur der Endpunkt einer langen Entwicklung mit schicksalhaften Entscheidungen.
Daimler-Benz war schon lange Hauptkunde des 1952 in Brückenau angesiedelten Familienunternehmens. Ab Mitte der 1960er-Jahre belieferte es das Werk in Düsseldorf mit Kabelsätzen. 1986 verkaufte Inhaber Rolf Körling die Firma mit 110 Beschäftigten an die Nexans Autoelectric mit Sitz in Weiden (Oberpfalz).
Anfang der 1990er stand die Firma am Scheideweg: Elektrometall wurde dem Daimler-Bereich Ludwigsfelde zugeschlagen. Nicht weit von dort, in Arensfelde bei Berlin, sollte ein riesiges Nutzfahrzeugzentrum entstehen, von dort das Osteuropageschäft von Daimler organisiert werden. Das Zentrum wurde nie gebaut.
„Dadurch hatten wir von vornherein das kürzere Streichholz“, sagt Dietrich. Wer weiß: Wäre Elektrometall noch Düsseldorf zugeordnet, wäre es vielleicht weitergegangen.
Allerdings nicht lange. Darüber macht sich Dietrich keine Illusionen. Denn für ihn ist Elektrometall ein Opfer der wirtschaftlichen Globalisierung mit undurchdringlichen Firmengeflechten und einem Überangebot an billigen Arbeitskräften in Osteuropa und Übersee: „An ein Drittel der Fertigungskosten kommt man eben trotz cleverster Einsparideen nicht heran.“ Nexans Autoelectric mit seinen 7000 Mitarbeitern an 23 Standorten weltweit ist nur Teil der globalen Nexans-Gruppe mit Sitz in Paris. Der Großkonzern hat 26 000 Mitarbeiter.
Unwahrscheinlich, dass dessen Bosse an das Schicksal der 26 Leute von Elektrometall dachten, als sie den kleinen Rhön-Betrieb dicht machten. Bald sind die Elektrometaller ohne Job, wenn auch mit Abfindung. Fachleute auf ihrem Gebiet waren sie, sagt der 56-jährige Dietrich, aber kaum mit Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Denn am Schluss blieben die Älteren, meist Frauen, einst extra für die Kabelproduktion angelernt. Insofern gibt es Parallelen zu der benachbarten Textilfirma Ferkinghoff. Die hatte 2011 vor der globalen Konkurrenz kapituliert.
Immerhin: Der Betriebsleiter bescheinigt seinen Leuten hohe Arbeitsmoral bis zuletzt. Als das Ende absehbar war, hätten sie bereitwillig Überstunden geleistet und wären auch samstags gekommen. Genutzt hat das nichts.