(bb) Ein geheimnisvoller Anruf der Kurdirektorin erreicht unsere Redaktion am Montagnachmittag: Bauarbeiter haben bei den Abrissarbeiten im Kurmittelhaus eine Flasche gefunden, die wohl nicht nur eine alte, braune Bierflasche ist. Sie ist versiegelt und enthält offensichtlich eine Botschaft.
Die ist allerdings nicht leicht zu knacken. Das Wachs oben drauf ist schnell entfernt. Aber dann braucht es mehrere Versuche des Kurdirektorenteams Andrea Schallenkammer und Titus Tesar, den halben Korken aus dem Hals der braunen Bierflasche zu ziehen. Endlich geschafft, da kommt die nächste Hürde: Das aufgerollte Papier in der Flasche lässt sich nicht rausfingern. Kräftiges Schütteln befördert nur zwei Ein-Pfennig-Münzen auf den Tisch. Das Papier steckt fest. Da hilft nichts, die Flasche muss dran glauben.
Joris Gurka vom Vorzimmer der Kurdirektorin wickelt die Flasche in ein Handtuch, trägt sie auf den Balkon und zerschlägt sie am Geländer. Verletzt wurde zum Glück niemand, auch nicht, als Andrea Schallenkammer das Papier zwischen den Scherben herausfingert.
Und dann, der große Augenblick: Welche geheime Botschaft steckte in der Flasche? Ein Liebesbrief? Oder gar Geld, wie Titus Tesar hofft?
Nichts dergleichen, aber eine Notiz der Bauarbeiter von vor 35 Jahren: „Bad Brückenau im Jahre 1974. Am 7. Tag dieses Jahres haben wir diese Perlgipsplattendecke fachgerecht unter Leitung von unserem Vorarbeiter, Herrn Alfred Lell, verlegt. Ferner waren beteiligt Oskar Lell, Ambros Zier, Oskar Rohner, Erwin Schaupp und Ullrich Weißenberger. Dies alles bezeugt Rohner Oskar.“
Auf Anhieb wussten Schallenkammer und Tesar nicht, wer die Firma damals war. Aber vielleicht meldet sich ja einer der Handwerker, die beteiligt waren, nach Bekanntwerden des Flaschenpostfundes. Verwundert ist Titus Tesar, weil das Kurmittelhaus bereits 1969 und 1970 gebaut worden war. Aber vielleicht war die Perlgipsplattendecke über dem 1. Obergeschoss eben erst 1974 eingezogen worden.
Die Handwerker haben nicht nur ihre Notiz und die zwei Pfennigmünzen von 1950 und 1967 in die Flasche gesteckt. Auch die Verpackung eines Erdbeerbonbons haben sie für die Nachwelt aufgehoben. Und das Etikett vom Bauch der Bierflasche. Die stammt aus der Brauerei Schultheiss, die es früher in Brückenau gab. Märzen haben die Handwerker getrunken. Leider ist noch nicht bekannt, ob es eine oder mehrere Flaschen waren am 7. Januar 1974.