Angeblich soll der Menschenschlag in der Rhön sehr genügsam, arbeitswillig und treu sein. Das war eines der Argumente, warum die Krebsöge Werke aus Radevormwald vor 50 Jahren ausgerechnet in Bad Brückenau die Metallwerk Unterfranken gegründet haben. So ist es zumindest in einer Ausgabe der Mitarbeiterzeitschrift „Sinterbrücke“ nachzulesen.
Wie Brückenau ohne die Werksgründung vor 50 Jahren heute wohl aussehen würde? Die Firma, die mit rund 50 Mitarbeitern anfing und zügig zum größten Arbeitgeber der Stadt anwuchs, ist für viele berufliche Heimat geworden. Manfred Kohlhepp aus Bad Brückenau hat 1961 mit sieben weiteren jungen Männern seine Lehre zum Werkzeugbauer dort begonnen und bis zum Rentenbeginn in diesem Sommer dort gearbeitet.
Genauso treu blieb Franz Keßler aus Oberleichtersbach dem Metallwerk. Er begann ein Jahr nach Kohlhepp mit der Ausbildung und blieb bis zum Beginn der Altersteilzeit vor einem halben Jahr. Wer glaubt, es könnte eintönig sein, sein ganzes Berufsleben in einer Firma zu verbringen, liegt falsch. Keßler hat unter anderem in der Versuchsabteilung gearbeitet, hat Warmpressen und Pulverschmieden entwickelt. Später war er Leiter des Vorrichtungsbaus, Leiter des Werkzeugbaus und schließlich zuständig für Arbeitssicherheit und Umweltschutz. Seit 1990 gehörte er zum Betriebsrat, seit 1994 zum GKN-Konzernbetriebsrat.
Kohlhepp und Keßler haben nahezu die gesamte Entwicklung des Metallwerks in Brückenau miterlebt. Als die beiden anfingen, gab es nur eine Halle, sie war zu zwei Dritteln mit Maschinen belegt, der Rest hatte Sandboden, dort parkten Autos. „Rustikal ging's da zu“, erzählt Kohlhepp. Die gefertigten Teile lagen aufgehäuft auf dem Hallenboden. Heute unvorstellbar, die Präzisionsteile, die jetzt in Bad Brückenau vor allem für den Fahrzeugbau hergestellt werden, dürfen beinahe nur mit Samthandschuhen angefasst werden.
1960 gab es keine Werkzeugbauer in der Rhön, das Metallwerk brachte die ersten Fachkräfte von Krebsöge mit und bildete im Lauf der Jahre viele aus. Viele blieben dem Werk Brückenau über Jahrzehnte treu. Krebsöge hatte sich Ende der 50er Jahre nach einem geeigneten Standort für ein Zweigwerk umgeschaut. Bad Brückenau kam wegen der günstigen Arbeitsmarkt-Situation und der guten Voraussetzung, eine Stammbelegschaft zu schaffen, zum Zuge. In einer 63 mal 30 Meter großen Halle gingen am 1. August 1960 die Maschinen in Betrieb. Anfang Oktober wurden die ersten Zahnräder und Lagerteile aus Brückenau beim Automobilhersteller VW in den Käfer eingebaut. 57 Mitarbeiter hatte das Werk damals.
Es ging familiär zu, in den ersten Jahren; Keßler und Kohlhepp erinnern sich daran, wie sie mithalfen, die Grünanlagen an der Halle herzurichten. Noch während der Lehrzeit von Keßler und Kohlhepp wurde die zweite Halle gebaut: „Das war die Sensation, der ganze Werkzeugbau war mit Parkettboden ausgelegt.“ Den durften sie als Lehrlinge freitagmittags schrubben. Jahr für Jahr wurde erweitert. 1978/79 weihte das Werk eine große Mechanik- und Fertigungshalle ein, damit gab es 2000 Quadratmeter Nutzfläche. 1984 kamen weitere 2000 Quadratmeter hinzu.
Von Anfang an war das Werk auf Sintern spezialisiert. Bei diesem Verfahren werden Teile aus Metallpulver gepresst und durch Erhitzen stabil gemacht. An der Kraft der Pressen lässt sich die Entwicklung ablesen: Im ersten Betriebsjahr in Brückenau waren Pressen mit 50 bis 100 Tonnen Kraft in Betrieb. Seit Mitte der 80er Jahre wird mit einer Presskraft bis zu 1000 Tonnen gearbeitet.
Als Metallwerk Unterfranken Bad Brückenau gegründet, gab es im Lauf der Jahrzehnte einige Inhaberwechsel. 1987 stieg die Schweizer Firma Maag ein. Ein US-Unternehmen stieg 1997 ein, seit 1998 gehört Brückenau zum weltweit tätigen Konzern GKN. „Führungskräfte hatten wir viele“, erzählt Keßler. Besonders gut in Erinnerung ist Kohlhepp der langjährige Direktor Ernst Wischeropp. Nicht nur, weil er der erste Porschefahrer war; er ging morgens durchs Werk und begrüßte die Mitarbeiter mit Handschlag. Zuvor hatte 20 Jahre lang Richard Klanert das Metallwerk geleitet.
In den besten Zeiten arbeiteten rund 500 Mitarbeiter beim Metallwerk, das damit größter Arbeitgeber in der Stadt ist. Zu den 50 Jahren Geschichte gehören aber auch handfeste Krisen. Keßler und Kohlhepp erinnern sich genau daran, wie die Stimmung in der Mannschaft war, Anfang der 70er und der 90er Jahre, und zuletzt mit der Weltwirtschaftskrise: 2009 entließ GKN 40 Mitarbeiter.
Jetzt ist die Lage wieder stabil, sagt Betriebsleiter Stefan Zeier. Er stammt aus dem Altlandkreis, war 1991 zu GKN gekommen, hatte die Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht, jetzt ist er Betriebsleiter. Damit ist der Chef selbst ein gutes Beispiel für die Verbundenheit mit der Region. Zeier hofft auf weitere 50 Jahre für GKN Sinter Metals in Bad Brückenau und sagt sogar: „Davon bin ich fest überzeugt.“