(mut) Trotz einer schwierigen Kindheit blickt Gertrud Welzenbach, die am Dienstag ihren 90. Geburtstag feiert, mit Lebensmut und Humor in die Zukunft. Als zweitälteste von vier Geschwistern in Breslau/Schlesien geboren, wuchs sie in einem Säuglings- und dann in einem Kinderheim in Schlesien auf. Als 13-Jährige kam sie ins „Hedwigs Kloster“ in Breslau, wo sie zur Hauswirtschafterin ausgebildet wurde. Mit 18 Jahren arbeitete sie für ein Jahr im Schlossgut Hertwigswalde/Schlesien.
Von 1937 bis 1944 war Welzenbach Magd und Küchenhelferin auf dem Gut Hoinstein/Breslau beschäftigt. Mit ihren drei Kindern, die sie als alleinerziehende Mutter aufgezogen hat, floh sie 1944 nach Dingelstedt/Huy Kreis Halberstadt. Auf einem Bahnhof traf sie einen elfjährigen Jungen, der verzweifelt nach seinen Eltern suchte, die ihn auf der Flucht verloren hatten. Welzenbach nahm sich des Buben Hans-Joachim Tscharnke an, er wurde Mitglied in ihrer Familie. Erst mit 18 Jahren fand er mit Hilfe durch das „Rote Kreuz“ seine Eltern wieder. Auch danach hat er den Kontakt zu seiner „Pflegemutter und den Geschwistern“ nicht abbrechen lassen. Er lebt heute mit seiner Familie in Witten/Ruhr.
Nach einem Jahr als Arbeiterin auf einem Bauernhof fand sie 1950 eine Anstellung als Briefträgerin in Dingelstedt, wo sie bis zur erneuten Flucht mit ihrer Familie in die Bundesrepublik Deutschland beschäftigt war. Jährlich war ihr ein Besuch in den Westen gestattet. Zur Sicherheit musste sie jedoch ein Kind als Pfand in der DDR zurücklassen. Dennoch nutzte Welzenbach die Gelegenheit, mit ihren beiden Töchtern in die Bundesrepublik zu fliehen. Es war eine schwere Entscheidung, versichert sie. Ihren Sohn Siegfried hatte sie bei Bekannten, mit denen sie ihre Fluchtpläne abgesprochen hatte, zurückgelassen. Über Umwege und mit der Hilfe von Bekannten gelang es 1959 schließlich, Siegfried in den Westen zu schmuggeln.
Durch ihre Schwester, die in Haselbach/Bischofsheim lebte, lernte sie den Witwer Karl Welzenbach aus Wildflecken kennen, den sie 1957 heiratete und mit ihren Kindern bei ihm am Auershof wohnte. Aus der Ehe ging eine weitere Tochter hervor. 1959 zogen sie nach Oberwildflecken um. Ihr Mann Karl starb 1972.
Von 1957 bis zur Verrentung 1986 war Welzenbach als Raumreinigerin bei verschiedenen Arbeitgebern tätig, unter anderem bei der Gemeinde Wildflecken und der Firma Paul und Co. Als Rentnerin hat sie noch viele Jahre ihr Ehrenamt, die Kirche zu putzen, Rosenkranz- und Maiandachten zu halten und für die Caritas zu sammeln, beibehalten.
Heute ist sie bei ihrer Tochter Roswitha in Oberwildflecken „in besten Händen“, wie sie zufrieden mitteilt. Regelmäßig trifft sie sich mit Freundinnen, um „Mensch ärgere dich nicht“ zu spielen, spazieren zu gehen und im Kreuzberghof Kaffee zu trinken.
Zu ihrem Geburtstag gratulieren ihr heute vier Kinder, sieben Enkel, zehn Urenkel und natürlich auch Pflegesohn Hans-Joachim.