"Wie reagiert ihr in dieser Situation?", fragt Holger Schumacher die Frauen. "Hand wegschieben, bin sauer, würde ihn auffordern zu gehen", kommen die Antworten aus der Runde. "Du hast ihm die Tür gezeigt, und was dann?" Die Frauen merken bereits selbst, das würde nicht viel helfen. "Keine Machtspiele", prägt der ehemalige Polizist seinen Kursteilnehmerinnen ein. "Keine Kämpfe in der Wohnung. Ihr verlasst die Wohnung lauft zum Nachbarn oder ruft die Polizei."
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt
Gefahren erkennen und vermeiden sind die Ziele der Kurse, die Holger Schumacher aus Hamburg in ganz Deutschland anbietet. Sprachliche Kompetenz nutzen, um sich durchsetzen zu können, wurde vier Tage lang in Rollenspielen in und um die Georgi-Kurhalle geübt. "Im Seminar soll die Realität noch getoppt werden", erklärt der Trainer.
Die Teilnehmer trainierten in Stresssituationen und wurden dabei nicht in Wattebällchen gepackt. "In der Sprache auf der Straße geht es verbal zur Sache", so Schumacher. "Nur wenn ich im Stress trainiere, kann ich auch im Stress reagieren", erklärt der Fachmann.
Wie im richtigen Leben
"Komm her du Schlampe, ich will dich ficken." "Wir müssen richtig eklig sein", betont Schumacher und die Frauen stimmen ihm zu. Die anstrengenden Verbalattacken brachten sie in eine Stresssituation. Doch "durch die Worte war die Hemmschwelle weg, ich wurde wütend und traute mich richtig zuzutreten", erklärt eine Teilnehmerin.
Nächste Ausgangssituation: S-Bahn. Zwei Neonazis belästigen einen Afrikaner. Was tun? Einen Bahnbeamten holen, nächste Station aussteigen, Täter auffordern aufzuhören? "Die Eierköpfe nicht ansprechen, die bekommt ihr nicht auf den Weg der Tugend. Da kriegst du nur die volle Breitseite, sonst verlieren sie doch ihr bescheuertes Gesicht", lauten die klaren Worte von Holger Schumacher. Nur nicht die Täter ansprechen, sondern immer das Opfer.
"Das Opfer braucht jemanden, der ihm bildlich die Hand reicht. Fordert ihn auf, sich zu euch zu setzen. Und wenn ihr reagiert, dann helfen auch die anderen." Nur etwas tun, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, ist das oberste Gebot Schumachers.
Sich nicht in Gefahr bringen
Es gibt die Möglichkeit, über Handy Hilfe zu rufen, den Lokführer zu alarmieren oder auch die Notbremse zu ziehen. Aber auch hier gilt es, eine Hemmschwelle zu überwinden. Auch wenn man einen Kampf auf der Straße beobachtet bei dem Waffen im Spiel sind, gilt es, sich nicht in Gefahr zu bringen. Besser: Polizei anrufen, beobachten, Zeugenaussage machen.
Eine Waffe in der Tasche mit zu führen findet Schumacher wenig sinnvoll. "Wer hat schon mal ein Messer in weiches Fleisch gestoßen? Und außerdem kann die Waffe auch gegen euch selbst eingesetzt werden." Während Schumacher Elektroschocker und Tränengas für out befindet, rät er den Frauen zu Pfefferspray. Es wirkt sofort und ist auch bei Tieren einsetzbar. Das Spray sollte nicht im Rucksack sondern in der Hand getragen werden.
Gibt es Situationen in denen man sich nicht wohl fühlt (Tiefgarage, dunkler Park) sorgt ein Pfefferspray in der Hand für ein gutes Gefühl. 90 Prozent der Frauen, die sich gegen eine Sexualstraftat gewehrt haben, waren erfolgreich, so Schumacher. "Die Frau muss konsequent nein sagen und darf nicht diskutieren", erklärt der Trainer. Das Pfefferspray sei nur eine Ergänzung. 55 Prozent des Erfolgs schreibt er der Gestik und Mimik zu, 38 Prozent der Stimme und dem Tonfall und gerade mal sieben Prozent der Wortwahl.
Konsequent reagieren
Konsequent reagieren - auch bei einem Übergriff im Auto, lautet das Motto. "Ihr kommt ganz sicher raus. Auch wenn die Kleidung kaputt geht, macht nur richtig Krawall, pinkelt oder übergebt euch ins Auto oder provoziert einen Unfall." In Sachen Kampfsport weiß der achtfache Deutsche Meister in Karate- und Jiu-Jutsu: "Was ihr im Kampfsport gelernt habt, vergesst es auf der Straße. Es gibt keine realistische Waffenabwehr." Hält jemand ein Messer von hinten an den Hals, könne man gar nichts machen. "Bist du mit jemandem im Zimmer, der dich umbringen will, geht es nur noch ums Überleben."
Das Seminar stieß durchweg auf positive Resonanz: "Am ersten Tag musste ich erst noch Hemmungen abbauen", erklärt Gabi Wondra. "Aber am zweiten Tag habe ich reingesemmelt". Ihr Sohn Markus hatte bereits im Januar mit Begeisterung an der Sicherheitsschulung für Kinder teilgenommen, so lag es für sie nahe, den Erwachsenen-Kurs zu belegen. Und sie scheint nicht nur für sich zu sprechen, wenn sie sagt: "Ich bin jetzt viel selbstbewusster."