Der allererste Tabbert-Wohnwagen wurde 1938 gebaut. 30 Jahre später, im Mai 1968, lief der 20 000. Tabbert-Wohnwagen vom Band. Firmengründer Alfred Tabbert, der als großer Pionier im Wohnwagenbau galt, war am 22. Mai 1908 in Berlin geboren worden. Dort lernte er von 1923 bis 1927 bei den Siemens-Automobilwerken Karosseriebau. Als Meister gründete er 1934 in Schweinfurt sein erstes Unternehmen. Als 1944 die gesamte Fabrik in Schutt und Asche lag, verlegte er seinen Betrieb nach Bad Kissingen.
Handwagen und Einachsanhänger
Nach dem Krieg fertigte Tabbert Handwagen und landwirtschaftliche Plateauwagen, ab 1948 auch Wagen mit Einachsanhänger und Möbel. Seine Ideen, zum Beispiel auch für Verkaufswagen, machten ihn über die Jahrzehnte zum weltbekannten Unternehmer in der Wohnwagenbranche. Zu Kissingen kamen fünf weitere Produktionsstätte – auch Mottgers. Vor Tabberts Tod, er starb 1973 mit 65 Jahren, erzielte sein Unternehmen Jahresumsätze bis zu 40 Millionen Mark, wobei es immer wieder auch finanzielle Engpässe gegeben haben soll.
Das Werk in Mottgers war 1960 auf den Resten eines ehemaligen Arbeitsdienstlagers errichtet worden. 1974 wurde es vergrößert und galt als fortschrittlichste Wohnwagenfabrik Europas. Am 21. Mai 1973 berichtete die Main-Post zu Tabberts 65. Geburtstag, dass unter dem Namen Tabbert bisher weit über 60 000 Wohnwagen aus der Produktion der fünf Werke hervorgegangen sind.
Bereits 1968 hatte Tabbert das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Der Umsatz der Tabbert-Wohnwagen GmbH hatte 1966 rund 28 Millionen Mark betragen, 1967 an die 30 Millionen. Die Produktionskapazität der Werke Bad Kissingen, Mottgers, Mitterteich und Aschbach sowie der beiden kompletten Möbelfabriken in Gersheim und Mitterteich lag 1968 bei 8000 Einheiten. Damals gab es 52 in- und ausländische Tabbert-Händler.
Seinen 60. Geburtstag hatte Alfred Tabbert mit rund 500 Mitarbeitern sowie politischen Vertretern der Kommunen, in denen es Tabbert-Werke gab, in Kissingen gefeiert. Die holländische Verkaufsorganisation schickte acht weißgekleidete Hostessen mit riesigen Blumengebinden. Verkaufsleiter aus anderen europäischen Ländern waren ebenfalls unter den Gästen.
Expansion Anfang der 70er Jahre
Ganz nach seiner Devise „Der Wohnwagen muss noch schöner werden“ expandierte Tabbert 1971 weiter. Der Umsatz lag bei 80 Millionen Mark. 1972 lief der 50 000. Tabbert-Caravan vom Band und wurde zugunsten der Aktion Sorgenkind verlost. Zu Jahresbeginn 1972 hatte die Deutsche Castrol GmbH (Hamburg) 51 Prozent der Geschäftsanteile der Firma Tabbert übernommen. Der bisherige Hauptgeschäftsführer Alfred Tabbert wurde Vorsitzender des Aufsichtsrates. Zu der Zeit wurden weiter enorme Umsatzsteigerungen erwartet, Tabbert war in der Spitzengruppe der deutschen Wohnwagenproduzenten. Zum Programm gehörten 28 Modelle in den drei Modellreihen Comtesse, Baronesse und Luxus. Der Caravanfreund hatte die Wahl zwischen dem Einsteigermodell für 3390 Mark bis zum Luxuswagen für 29 690.
Am 22. März 1973 berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Seit das Unternehmen 1971 eine Tochtergesellschaft der Deutschen Castrol GmbH und so Teil des britischen Burmah-Konzerns wurde, hat es die Diversifikation auf seine Fahnen geschrieben. Die traditionelle Wohnwagenfertigung soll immer mehr von anderen Sparten des Freizeitgeschäfts flankiert werden.“ Campingplätze sollten gekauft und zu Burmah-Parks ausgebaut werden. Im Gespräch war auch, Boote ins Programm zu nehmen.
Das Kerngeschäft Wohnwagen-Fertigung sollte trotz der neuen Pläne nicht vernachlässigt werden. Für 1973 waren Investitionen in Mottgers vorgesehen. Aber mit der Ölkrise 1973 änderte sich die Situation. Im November wurde Kurzarbeit eingeführt. Die Negativ-Entwicklung fiel zeitlich mit Tabberts Tod zusammen.
Im Februar 1974 berichtete das Handelsblatt, dass die Produktion von 12 019 auf 11 172 Caravans gesunken sei. Doch bei einem Bestand von bis zu 340 000 Wohnwagen in der Bundesrepublik wäre die Sättigungsgrenze des Markts von bis zu 650 000 noch lange nicht erreicht.
Die Burmah-Parks, die als Betriebsabteilung von Tabbert geführt wurden, hatten schon 1973 Investitionen von mehreren Millionen Mark gebunden. Für dieses Vorhaben standen Tabbert ebenso Gesellschafterdarlehen zur Verfügung wie für die Investitionen im Wohnwagenbereich, die rund fünf Millionen Mark betrugen und vor allem in den Neubau in Mottgers flossen, meldete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 23. Februar 1974.
Das Werk in Aschbach, Nähe Bamberg, wurde im Januar 1974 geschlossen; im April 1975 das Zweigwerk in Mitterteich, der Typ Tabbert-Kornett wurde fortan in Mottgers gebaut. Die Pläne für die Burmah-Parks wurden eingestampft. Das Unternehmen kam aus den roten Zahlen heraus und baute nun auch Wohnmobile.
Der Markt hielt zwar ein Überangebot bereit, aber Tabbert setzte auf neue Modelle, und es ging weiter. Am 28. Januar 1978 meldete die Main-Post: „Die rund 300 Arbeitnehmer der Firma Tabbert können aufatmen.“ Die Konzernspitze kündigte an, ein neues Werk in Albertshausen zu bauen. 1980 baute Tabbert in dem Kissinger Stadtteil tatsächlich ein hochmodernes Werk für rund zwölf Millionen Mark. Die Produktion lief am 7. Januar 1981 an, täglich wurden dort sechs Wohnwagen und fünf Wohnmobile gefertigt.
Aus in Albertshausen
Die Freude währte kurz: Am 30. Juni 1983 – nach nur zweieinhalb Jahren – schlossen sich die Werkstore in Albertshausen. 240 Mitarbeiter waren bereits kurz vor Weihnachten auf die Straße gesetzt worden. Ein Jahr zuvor hatten schon 70 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verloren. Im September 1982 hatten die Tabbert-Werke noch 650 Mitarbeiter gezählt, innerhalb von sieben Monaten war die Zahl auf 306 geschrumpft. Die waren im hessischen Mottgers beschäftigt, der einzigen noch verbleibenden Produktionsstätte der Tabbert-Werke.
Das Werk in Albertshausen stand gut zwei Jahre leer, Mitte 1986 übernahm Petri die Anlage in Albertshausen und fertigte dort Kunststoffteile für die Automobilindustrie.
2002 ging in Mottgers der 250 000. Tabbert-Caravan vom Band. In diesem Jahr war aus der Fusion der 1960 in Marktbreit gegründeten Knaus KG mit Tabbert die Knaus-Tabbert-Gruppe hervorgegangen. Das Unternehmen ging am vergangenen Donnerstag in Insolvenz.
Heute demonstrieren um 12 Uhr vor dem Werkstor Politiker, um die Bedeutung des Werkes für die Region zu verdeutlichen. Weil Zulieferer kein Material mehr geliefert haben, als sich die Insolvenz abzeichnete, waren gestern nur noch etwa ein Drittel der 400 Beschäftigten in der Arbeit.