Der Weiße Sonntag des 8. April 1945 ist in Rannungen ein denkwürdiger Tag. Der Zweite Weltkrieg war kurz vor dem Ende. Dennoch kamen in den Wirren dieses Tages in Rannungen noch zwei Frauen ums Leben. Im Rundschreiben der Gemeinde vom 2. April 2015 wird an diese Vorkommnisse vor 70 Jahren erinnert.
Die Gefahr für die Bevölkerung ging zunächst von SS- und Wehrmachts-Verbänden aus, die den Befehl hatten, das Dorf bis zum letzten Mann zu verteidigen. Zunächst gelang es, durch gutes Zureden die Einheit dazu zu bewegen, am 7. April das Dorf zu verlassen und im Hesselberg Stellung zu beziehen.
Artilleriebeschuss
Als aber Pfarrer Hugo Stöhr der Anordnung der SS, die zwischenzeitlich das Kommando übernommen hatte, nicht nachkam und die zum Weißen Sonntag gehissten weiß-gelben Fahnen am Kirchturm hängen ließ, wurde es brenzlig. Die örtlichen SS-Befehlshaber gaben nämlich den Befehl, das Dorf zu beschießen, weil die Fahnen als ein Signal der Kapitulation angesehen wurden. Bei dem Artilleriebeschuss, der um 13.45 Uhr begann, kam die 32-jährige Thekla Lutz, die bei einer Kommunionfeier geholfen hatte, durch Granatsplitter ums Leben.
Eigentlich war es ein sonniger Frühlingstag. Obwohl zahlreiche Männer aus Rannungen gefallen, vermisst oder in Gefangenschaft waren, sollte dieser Tag – nach den Aufzeichnungen von Pfarrer Hugo Stöhr – „würdig und festlich“ begangen werden. Während der Kommunionfeier kam Libor Schindelmann auf die Empore gerannt und rief in den Kirchenraum hinein: „Die Amis kommen vom Heppental herauf!“ Darauf sagte Pfarrer Hugo Stöhr gelassen: „Lasst sie kommen!“ Unbeeindruckt setzte er den Gottesdienst fort. An diesem Nachmittag waren neben den Kommunikanten auch weitere Gläubige in der Kirche, um der Corpus-Christi-Bruderschaft-Andacht beizuwohnen. Plötzlich schlugen aber dann die Granaten ein.
Im Lauf des Nachmittags stießen die Amerikaner auf den Widerstand der deutschen „Nachhut“. Dadurch wurde das Dorf gegen 16.30 Uhr das Ziel eines amerikanischen Fliegerangriffs. Brandmunition und Phosphorbomben verursachten eine so verheerende Brandkatastrophe, dass achtundsiebzig Wohnhäuser beschädigt wurden und viele Nebengebäude und Ställe samt des dort untergebrachten Viehs verbrannten.
Auf tragische Weise kam dabei die 19-jährige Elfriede Wenzel ums Leben. Weil die jüngeren Männer damals im Krieg waren, mussten die Rannunger Frauen beim Löschen helfen. Die junge Frau war in schwarzer Feuerwehruniform aus ihrer Wohnung gelaufen, um bei den Löscharbeiten zu sein und wurde irrtümlich für einen SS-Soldaten gehalten. Als sie wieder in die Wohnung flüchten wollte und dabei ihrem Vater etwas zurief, wurden drei Schüsse auf sie abgefeuert.
Auch der deutsche Soldat, der sich beim Rückzug der Wehrmacht in den Hesselberg in einem Keller versteckt hatte, sollte das Ende dieses Tages nicht mehr erleben. Weil er sein Gewehr noch dabei hatte, als er sich den Amerikanern ergeben wollte, wurde er ebenfalls erschossen.
72 junge Menschen aus Rannungen verloren während des Zweiten Weltkrieges ihr Leben, 53 waren in Gefangenschaft. Der letzte kehrte erst 1949 heim. Als Dank an Gott, dass die Gemeinde vor noch größerem Schaden verschont geblieben war, gelobten die Rannunger in der Folge eine Wallfahrt am Markustag in die ehemalige Filialkirche zum Heiligen Kreuz in Pfändhausen.