Schon als kleiner Junge träumte er vom Fliegen. „Doch in der DDR war das eine Illusion“, sagt Karl-Heinz Dathe. Der 70-jährige Brückenauer erfüllte sich deshalb jetzt seinen Traum und machte den Internationalen Flugschein.
„Hinter Meiningen hörte damals die Welt auf“, erinnert sich der Bad Brückenauer Facharzt für Tropenkrankheiten an seine Jugend. 1940 in Großpösna, nahe Leipzig, geboren und aufgewachsen, hegte Dathe bereits als Zehnjähriger den Wunsch, später einmal Arzt und Flieger zu werden. Ersteres konnte er realisieren, doch mit dem Fliegen musste er bis heute warten. „In der DDR fliegen zu wollen, das war reine Illusion“, weiß Dathe.
Im Januar 1990, nach Öffnung der innerdeutschen Grenze, siedelte er in den Westen über. Über das Aufnahmelager Gießen führte sein Weg nach Schweinfurt, wo er anfänglich im Leopoldina-Krankenhaus mitarbeitete. Zum damaligen Zeitpunkt war der Internist Dr. Rudolf Weber aus Bad Brückenau auf der Suche nach einer Praxisvertretung. „Die Landschaft, die Stadt, alles hier hat mir auf Anhieb gefallen“, erinnert sich Dathe an seine erste Fahrt in die Kurstadt. Kurze Zeit später nahm Dathe seine Arbeit in Webers Praxis auf.
„Die Landschaft, die Stadt, alles hier hat mir auf Anhieb gefallen.“
Karl-Heinz Dathe über seine ersten Eindrücke von Bad Brückenau
„Medikamente, Versicherungsrecht, alles war anders“, so Dathe, doch die Patienten waren zufrieden und dies gab dem fünffachen Familienvater Mut. Ein paar Monate später siedelten Ehefrau Ingrid, damals als Internistin am Krankenhaus in Meiningen tätig, sowie Tochter Diala nach Bad Brückenau über. Tochter Julia wurde in der Kurstadt geboren. Dathe trat in die Praxis von Dr. Wolfgang Wildenauer ein. Zehn Jahre später eröffnete er eine Praxis für Innere Medizin, Chirotherapie und Akupunktur.
Angst war für den Arzt ständiger Begleiter, als er in der Phase des Neubeginns seine Frau, die damals noch in Meiningen lebte, besuchte. Angst davor, dass plötzlich wieder die Grenzen geschlossen würden. Mehrfach habe er Anträge auf Ausreise in die Tropen gestellt, um Hilfsprojekte zu unterstützen, doch alle seien abgelehnt worden, ebenso Besuche von Verwandten im Westen.
Besonders bitter war für Dathe jener Tag gewesen, als er Einblick in seine Stasiakten nehmen konnte. „Was da alles stand“, schüttelt er noch immer entrüstet den Kopf.
Mit dem Erwerb des internationalen Flugscheins steht für Dathe nun „der Himmel offen“. Seinen Jungfernflug absolvierte er mit Pilotenkollege Armin Jobst aus Hammelburg nach Coburg. Die beiden sind ein gutes Team, haben sie doch mit Fluglehrer Karl Müller in mehr als drei Jahren Ausbildungszeit zusammen Höhen und Tiefen erlebt.
So fegte kurz nach erfolgreichem Abschluss des theoretischen Teils der Pilotenausbildung im Sommer 2008 ein Sturm über das Flugplatzareal der Motorsegelfluggemeinschaft (MSG), ein Zweigverein des Fliegerclubs Bad Kissingen, und zerstörte das Ausbildungsflugzeug, einen zweisitzigen Motorsegler. Die Zerstörung des Motorseglers rückte den praktischen Teil der Flugprüfung für Dathe und Jobst in weite Ferne. Monate verstrichen, bevor im Frühjahr 2009 der wieder instand gesetzte Motorsegler in Bad Kissingen in den Hangar rollte.
Endlich konnte die Schulungsarbeit fortgesetzt werden. Für Dathe und Jobst kein leichter Weg, galt es neben praktischem Schulungsunterricht doch, erneut die Schulbank zu drücken. Denn innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss der theoretischen Prüfung muss auch der praktische Teil gemeistert sein. Der Sturm hatte den beiden Flugschülern hier einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ein zweites Mal hieß es, den theoretischen Prüfungsteil abzulegen.
„Jeder schöne Sommertag wurde für Flugstunden genutzt.“
Karl-Heinz Dathe über die harte Prüfungsvorbereitung
Das Sommerwetter zeigte sich launisch. Erneut verschob sich der Prüfungstermin. „Ein Flugschein hat keinerlei Parallelen zum Autoführerschein“, erklärte Fluglehrer Müller. Bei Regen, Sturm oder Nebel bleibe die Maschine am Boden. Die beiden Flugschüler nutzten die Zeit zum Pauken. „Jeder schöne Sommertag wurde für Flugstunden genutzt“, erzählt Dathe. Und dies erforderte neben der täglichen Arbeit als Arzt ein Gros an Koordination.
Am 13. Oktober um 13.10 Uhr war es dann so weit. Dathe startete mit dem Motorsegler zum Prüfungsflug. Mit im Cockpit, der Prüfer. „Ich war ganz schön aufgeregt“, gesteht der 70-Jährige. Ziel des Prüfungsfluges war Haßfurt. Völlig unvorbereitet habe der Prüfer jedoch den Kurs geändert und ihn nach Schweinfurt dirigiert. Und der Prüfer hatte noch mehr Überraschungen in petto, wie Fliegen nach künstlichem Horizont, was bedeutet, dass keinerlei Sichtverhältnisse zur Erde bestehen. Mittels einer speziellen Brille wird das simuliert. Die Navigation erfolgt dann ausschließlich anhand der Bordinstrumente. Schließlich wurde gar noch ein Triebwerksausfall simuliert, was Dathe jedoch ebenso meisterte. Viele seiner Patienten hätten ihm am Prüfungstag die Daumen gedruckt. Mächtig stolz ist Dathe nun auf seinen Flugschein. Jetzt könne er seine Freiheit voll genießen.