Er verwies auf die Vertreter der Spaßkultur, die es auch in der Chorszene gibt, allen voran Gotthilf Fischer. Moderne Entwicklungen würden in Bad Brückenau nicht negiert. Als Beweis führte er die "Tierisch-Satirischen Lieder" des erst 21 Jahre alten Tobias Rottmann an. Er hatte Verse des Komikers Heinz Erhard vertont. Er gewann damit den Förderpreis für Komponisten unter 30 Jahren.
Den Auftakt des Konzerts machten die "Zwei Abschiede" von Rolf Rodin. Das meditative Werk geht auf Gedichte eines Zen-Meisters zurück. Für sein Vertonung von "Der Spinnerin Nachtlied" war Rodin auch der erste Preis zuerkannt worden. Zum ersten Mal waren beim Wettbewerb einem Komponisten gleich zwei Preise zuerkannt worden.
Der 200 Jahre alte Text von Rodins Lieds stammt von Clemens von Brentano. "Es fällt auf, dass die Komponisten Texte wählen, die nicht unbedingt zur zeitgenössischen Lyrik zählen", konstatierte Miller. Das trifft auch auf die Gewinner des zweiten und dritten Preises zu: "Psalm 23" von Michael Starke und "Herbstgedanken" von Gerhard Deutschmann nach Gedichten des Schweinfurter Dichters Friedrich Rückert.
Der Präsident des Fränkischen Sängerbunds, Peter Jacobi, unterstrich in seiner Festansprache die Bedeutung der Musik, die sogar weitreichende gesellschaftspolitische Dimension erreicht. "Junge Menschen, die zusammen singen und musizieren, können gewaltfrei miteinander kommunizieren." Deswegen bedauerte er, dass Musik als Schulfach ins Abseits gerät. "Brauchen wir Musik?", fragte er. "Dringender den je", gab er selbst die Antwort.
"Damit wir singen können, brauchen wir aber Kompositionen", brach er eine Lanze für den Valentin-Becker-Wettbewerb, dessen Ziel die Förderung moderner Chorwerk ist. Es lohne sich für Komponisten, Lieder für Chöre zu schreiben, so auch Miller Überzeugung. Er hat sie mit einigen Zahlen untermauert.
So gehörten dem deutsche Sängerbund in den 50er Jahren nur 6500 Männerchöre, 1200 gemischte, 150 Frauen- und 20 Kinderchöre an. Trotz der Klagen vieler Ensembles über Nachwuchsmangel sind es mittlerweile 9000 Männerchöre, 7500 gemischte, 2200 Frauen- und 370 Kinderchöre.
Rund 3000 Werke wurden bei den 25 Auflagen des Valentin-Becker-Wettbewerbs eingereicht. Nicht zuletzt deswegen haben sich in Millers Einschätzung im Lauf der vergangenen Jahrzehnte Franken und die fränkischen Komponisten auf dem Gebiet der Chormusik eine große Bedeutung erlangt. Außerhalb der Region werde sie jedoch noch nicht richtig wahrgenommen, bedauert er.
Dass das Interesse an der Chormusik in der Region rege ist zeigten die vielen Besucher. Sie genossen die Uraufführung der preisgekrönten Stücke durch den Gesangverein Thüngersheim, den Fränkischen Singkreis aus Schweinfurt, den Musica-Viva-Chor Bamberg und den Frauenchor der Kronacher Berufsfachschule für Musik.