25 Jahre gibt es das Hochzeitsparadies Bad Brückenau schon. Wie viele Ehen startete es furios. Doch über die Jahre hat sich der Alltag, eine gewisse Trägheit, eingeschlichen. Nun soll das Hochzeitsparadies wieder wie neu strahlen. Mit neuen Ideen und neuen Wegen.
Imre und Linda Markovic waren im Oktober vor 25 Jahren die ersten, die unter dem Siegel Hochzeitsparadies heirateten. Er erinnert sich: „Die Stadt hatte uns damals gefragt, ob wir um Mitternacht heiraten wollen. Wir hatten eigentlich vor, uns normal trauen zu lassen, haben dann spontan zugesagt.“
Was dann folgte, war für den damals 26-Jährigen „einer der schönsten Tage meines Lebens“. Beeindruckend die nächtliche Fahrt per Kutsche vom Alten Rathaus, wo das Paar getraut wurde, die Unterhainstraße hinunter.
Ziel war der Gasthof Stern. Im dortigen Wirtskeller wurde gefeiert.
Die Ehe der Markovics hat bis heute Bestand. Er führt in Bad Brückenau ein Taxiunternehmen, seine bei der Trauung 23-jährige Linda arbeitet im Kurstift.
Dieses Abweichende, manchmal Verrückte wie um Mitternacht heiraten: Das war, was für den früheren Bürgermeister Hans Rohrmüller das Hochzeitsparadies ausgemacht hat.
Viele Geschichten kann der Mann, der selbst 400 Ehen geschlossen hat, erzählen. Von der Hochzeit der Markovics, dem Ansturm auf dem Trausaal am 8.8.88, der ersten Fernsehtrauung im ZDF am 12. Dezember 1988. Aber auch von einem Geschäftsinhaber, der bis zuletzt nicht merkte, dass der Betriebsausflug ihn zur eigenen Trauung führte.
Die versteckte Kamera war da und ein Bräutigam, der bei der Eheschließung so gerührt war, dass er das „Ja“ nicht herausbrachte. Der Wunsch eines Paares, die Ehe in einem Hubschrauber über Bad Brückenau zu besiegeln, war nicht realisierbar.
Doch was das eigentliche Ziel des Hochzeitsparadieses war: ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen. Die Stadt sollte bekannter werden, mehr Leute zum Heiraten und damit in die Restaurants und Gästehauser kommen. 40 Eheschließungen hat eine Kleinstadt wie Bad Brückenau im Schnitt pro Jahr, rechnet Rohrmüller vor. 160 seien es im Spitzenjahr 1996 gewesen.
Zwar war die Idee, rund um die Uhr heiraten zu können, vor 25 Jahren nicht neu. Die Gemeinde Wirsberg in Oberfranken bot diesen Service schon an. Doch die Bad Brückenauer warben als erstes damit, was ihnen den Unmut der Wirsberger einbrachte.
Der Glanz des Hochzeitsparadieses ist etwas verblasst. In den vergangenen Jahren sanken die Zahlen stetig auf knapp über 70 Eheschließungen. Die Durchschnittszahl von 40 ist nicht mehr weit.
Andere Städte haben beim Heiraten nachgezogen. Rohrmüller hat es getestet: Bei der führenden Internet-Suchmaschine Google findet sich das Heiratsparadies Bad Brückenau nicht unter den ersten Zehn.
Frischer Wind muss in die Beziehung, das wissen die Mitarbeiter der Tourist-Info. Sie betreibt seit einigen Monaten die Vermarktung von Stadt und Staatsbad.
Gudrun Friedrich-Kleine: „Wir brauchen neue Ideen, müssen neue Wege gehen.“ Das Ziel ist dasselbe wie vor 25 Jahren: ein Alleinstellungsmerkmal schaffen.
Ein Weg könnte der in den Fernen Osten sein. In Japan lassen sich 53 Prozent der Menschen nach christlichem Ritual trauen, teilt Friedrich-Kleine mit. Dort kostet eine Hochzeit im Schnitt 25 000 Euro, in Deutschland 13 000 Euro. Warum nicht Japaner gezielt nach Bad Brückenau locken?
Oder die Chinesen. Laut der Frau von der Tourist-Info geht der Trend im Reich der Mitte zum Weddingmoon, also zur Reise ins Ausland, um dort zu heiraten. Professionelle Hochzeitsplaner seien üblich. In deren Bewusstsein müsse das Hochzeitsparadies hinein. Auch Heiratswillige aus den Partnerstädten Ancenis und Kirkham sollen kommen.
Im Inland wollen die Stadtvermarkter die Facebook-Generation ansprechen. Mehr als 20 Millionen Deutsche nutzen laut Friedrich-Kleine das soziale Netzwerk – mehr als 90 Prozent davon sind zwischen 14 und 49.
Das wäre die perfekte Zielgruppe. Laut Statistischem Bundesamt heiratet ein Mann durchschnittlich mit 33 Jahren das erste Mal; bei Frauen liegt das Durchschnittsalter bei 30 Jahren.
Heiratswilligen sollen Rundumsorglos-Pakete für alle Hochzeitstage angeboten werden, darüber hinaus Silberne und Goldene Hochzeiten speziell begangen werden. Schnapsdaten wie der 12.12.12. und der 20.12.2012 könnten beworben werden.
Vom 26. bis 28. Oktober ist ein Jubiläumswochenende mit Hochzeitsmesse geplant. Am nächsten Mittwoch, 15. Februar, ab 19 Uhr soll es aber in der Georgi-Kurhalle erstmal eine Auftaktveranstaltung fürs Festjahr geben. Geladen sind alle, die Interesse am Hochzeitsparadies haben und Ideen einbringen wollen.
Danach werden Konzept, Programm und Internetauftritt überarbeitet. Friedrich-Kleine: „Im Mai soll das neue Hochzeitsparadies starten.“
Ein Problem des alten Paradieses scheint zumindest vorerst für den Neustart ausgeräumt. Fast die gesamten 25 Jahre lang arbeitete die Stadt mit dem TUI-Reisecenter als starken Partner zusammen. Ein Kontakt, der sich aus der Fernsehhochzeit am 12. Dezember 1988 ergab.
Damals war Dieter Rittig, Inhaber des Reisebüros vor den Traualtar getreten. Ursprünglich wollte er auf der Insel Elba heiraten, ließ sich aber überreden, es in Brückenau zu tun.
Weil sich der organisatorische Aufwand für das Reisebüro bei immer weniger werdenden Hochzeitsgästen kaum mehr lohnte, stieg es zum 1. November aus.
Die Nachfolge übernimmt die vom Ex-Bürgermeister geleitete Gesellschaft Johannes-Rohrmüller-Kommunaldienste. Unter dem Dach der Stadt arbeitet sie eng mit der Tourist-Info zusammen: „Ich wäre aber auch froh, wenn es ein anderer macht“, so Rohrmüller.