Früher klingelten immer mal Fremde bei Peter Heim an der Haustüre, um nach dem Schlüssel für den Jüdischen Friedhof zu fragen. Oft reisten die Besucher von weither an, nicht selten aus den USA, um hier in Maßbach nach den letzten Spuren ihrer Vorfahren zu suchen. „Heute kommt nur noch selten jemand vorbei“, sagt Heim, der den Friedhof seit 28 Jahren betreut. Der Abstand zwischen den Verstorbenen und lebenden Anverwandten werde nun mal immer größer, sagt er.
Um so manchen der 48 Jüdischen Friedhöfe in Unterfranken ist es daher still geworden. Im Landkreis Bad Kissingen werden noch sechs dieser letzten Ruhestätten gepflegt. Ein kleiner Friedhof wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in Maßbach angelegt. Zuvor waren die Toten der jüdischen Gemeinde Maßbach lange Zeit auf dem Bezirksfriedhof in Kleinbardorf, dem so genannten Judenhügel, beigesetzt worden.
Dann drang offenbar ein gewisser Metzgermeister Max Abraham, der schon lange Vorsitzender der jüdischen Gemeinde war, bei seinen Vorgesetzten darauf, dass Maßbach einen eigenen Beisetzungsort bekäme. Er insistierte so lange, bis man in den Jahren 1903/04 ein knapp 400 Quadratmeter großes Areal einfriedete. Später wurden hier auch Verstorbene aus Poppenlauer begraben. Die am 20. April 1904 verblichene Bäcker-Ehefrau Mina Eberhardt war die Erste, die in dem „Guten Ort“ (jiddisch) bestattet wurde. 41 Bürgerinnen und Bürger fanden hier ihre letzte Ruhestatt.
Neun Plätze blieben jedoch frei, weil die Ehepartner bereits Verstorbener, Opfer des Holocaust wurden, heißt es in den historischen Unterlagen. Das gilt auch für Jette Grünebaum aus Poppenlauer, die am 5. Juni 1942 starb. Ihr Mann Isidor Grünebaum wurde am 14. Juli 1942 mit den letzten Juden aus Poppenlauer und Maßbach deportiert und in Theresienstadt ermordet.
Für Peter Heim ist die Pflege des Jüdischen Friedhofs so zu sagen Ehrensache. Schließlich hatte sein Vater den kleinen Hain auch schon mehrere Jahrzehnte betreut. Lange musste er 1988 nicht überlegen. Für ihn war klar, dass er die Pflicht des Vaters übernimmt. Regelmäßig schaut er all die Jahre dort nach dem Rechten.
Im Sommer kürzt er das Gras, während seine Frau Elke an den Grabrändern überschüssiges Unkraut entfernt. „Es herrscht schon eine ganz besondere Atmosphäre dort“, sagt der 56-Jährige und meint damit die Abgeschiedenheit und Ruhe. „Man kommt wieder zu sich“, beschreibt er das Gefühl, das ihn dann bei der Arbeit überkommt.
Gewaltiger Unterschied
„Ich halte mich gern dort auf, es ist so anheimelnd“, bestätigt auch seine Frau. Es sind zwar die Gräber von Fremden, die Beide pflegen. Aber die steinernen Zeugen sind den Beiden inzwischen irgendwie vertraut. Da bleibt der Blick schon mal an einem Namen hängen und man grübelt, sagt Elke Heim. Besonders am ersten Gedenkstein links des Eingangs, einem Kindergrab, hält sie öfter inne. „Man überlegt halt, warum das Kind so früh gestorben ist und wie die Leute damals gelebt haben, denn die meisten waren ja arm.“
Einmal im Jahr soll Peter Heim in München Bericht erstatten. Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern möchte dann nämlich wissen, ob alle Grabsteine noch fest im Grund stehen. Gegebenenfalls werden anschließend auch Reparaturen veranlasst.
Dieses Jahr gaben die Münchner für Maßbach eine Sondermaßnahme in Auftrag. Vergangene Woche kam eine Firma, um den Treppenaufgang zum Friedhof und die Grabmale gründlich abzustrahlen. „Alles war inzwischen grün und vermoost“, sagt Heim und ist vom Ergebnis ganz angetan: „Jetzt nach der Reinigung ist der Unterschied gewaltig.“
Eigentlich werden Jüdische Friedhöfe sich selbst überlassen. „Man gibt sie der Natur zurück“, sagt Joino Pollak, beim Münchner Landesverband zuständig für 114 Jüdische Friedhöfe in Bayern. Die Grabmale verfielen jedoch in den vergangenen Jahrzehnten „deutlich mehr“ als früher, weil die Umwelteinflüsse „dramatisch“ zu spüren sind, so Pollak weiter. Um die Inschriften zu erhalten, werden die Steine jetzt gründlich gereinigt und konserviert.