Mit der Sinntalklinik der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern hat Bad Brückenau große Expertise bei gynäkologischen Krankheitsbildern wie beispielsweise Brustkrebs zu bieten. Aber auch die Urologie spielt eine wesentliche Rolle. Mehr als ein Viertel der Patienten sind Männer, die nach einer Prostataerkrankung zur Behandlung ins Sinntal kommen.
Seit dem Jahr 2013 ist mit Prof. Dirk Engehausen ein Urologe Chefarzt der Sinntalklinik. 1975 Patienten kamen im Jahr 2017 in die Sinntalklinik Bad Brückenau. 588 davon litten an den Folgen einer Prostatakrebserkrankung.
Frage: Herr Engehausen, was macht Prostatakrebs mit einem Mann?
Dirk Engehausen: Patienten, die betroffen sind, geht es ähnlich wie Frauen nach einer Brustkrebs-Operation. Die Sexualität ist betroffen, die Funktionalität ist betroffen, das Aussehen ist betroffen. Viele Männer fragen sich: Kann mich meine Partnerin noch anschauen? Kann ich sie sexuell noch glücklich machen? Auch bei anderen sozialen Kontakten ist das ein großes Thema, denn häufig tritt nach einer Operation der Prostata Inkontinenz in ihrer ganzen Bandbreite auf.
Die Männer, die zu Ihnen kommen, haben eine Operation, Bestrahlung, Chemo- oder Hormontherapie hinter sich. Wie helfen Sie ihnen?
Engehausen: Das geht weit über die medizinische Betreuung hinaus. Es gehört sowohl die körperliche Wiederherstellung als auch die seelische Wundbearbeitung dazu. Wir haben zwei Psychologen im Haus und auch zwei Sozialarbeiter, die bei der beruflichen Wiedereingliederung helfen. Inkontinenz infolge einer Operation beispielsweise ist für viele eine berufliche Katastrophe. Stellen Sie sich einen Geschäftsmann in wichtigen Meetings oder einen Bauarbeiter, der schwer heben muss, vor. Wir wollen die Patienten ins Berufsleben, und wenn das nicht gelingt zumindest in das Sozialleben zurückbekommen.
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Bekommen Patienten die Inkontinenz denn wieder in den Griff?
Engehausen: Man kann viel tun. Zwischen 75 und 80 Prozent der Patienten nach einer Operation sind inkontinent. Nach einem Jahr sind es nur noch zwischen sechs und 40 Prozent. Das Pinkeln muss eben neu gelernt werden. Dazu trainieren wir den Beckenboden, aber auch Nordic Walking oder Übungen am Ganzkörpervibrationsgerät helfen dabei. Wichtig ist aber auch die Arbeit im Kopf.
Wie meinen Sie das?
Engehausen: Manche Patienten fragen: Und, wie viele Jahre lebe ich noch? Ich kann ihnen den statistischen Wert sagen, aber was hat der Mensch davon? Ich habe einmal einen Ingenieur begleitet. Er hatte einen fortgeschrittenen Tumor mit Metastasen, die Ärzte haben ihm noch ein halbes Jahr gegeben. 14 Jahre haben wir zusammen durchgehalten, dann ist er gestorben.
Solche statistischen Angaben zur Lebenserwartung kann man heutzutage auch im Internet nachlesen.
Engehausen: Das ist richtig. Aber was bringt das? Das Schlimmste, was ich machen kann, ist, den Menschen die Hoffnung zu nehmen. Das hat mir mein Vater mitgegeben, er war auch Urologe. Als ich mit dem Studium fertig war, hat er zu mir gesagt: Durch dein Examen bist du Mediziner. Aber dass du Arzt bist, musst du jeden Tag neu beweisen. Ich habe erst viel später verstanden, was er damit gemeint hat.
Wie sprechen Sie an, worüber Männer eher ungern reden? Vorsorge zum Beispiel?
Engehausen: Es sind immer noch zu wenige Männer, die rechtzeitig zur Vorsorgeuntersuchung gehen. Je früher ich den Krebs finde, desto weniger Probleme habe ich in der Regel auch. Im Alter zwischen 45 und 50 Jahren sollte man mit der Vorsorge begonnen haben.